höher liegt, stürmen nackt und erbärmlich wie Ihr seyd, ohne Wehr und Rüstung und tägliche Uebung in den Waffen? Ich sage Euch: Demuth ist der Anfang und das Ende, hochmüthiger Mensch! -- Der Fremde sah mich groß an mit funkelnden Augen, dann stützte er auf dem Tische den Kopf in die Hand, ich meint', er betrachtete den Todtenkopf, der vor ihm lag, aber er mochte wohl andere Gedanken haben. Sitz' du so lange du willst, dachte ich, ich fürcht' dich nicht, ich trau' dir nicht. Damit streckt' ich mich auf meine Streu und behielt ihn in den Augen, bis sie mir am Ende zufielen.
Als ich aufwachte, waren meine Augen noch im¬ mer auf den Tisch gerichtet, aber der Jäger saß nicht mehr auf demselbigen Punkt. Als ich aber vor die Klause trat, sah ich ihn in der Morgendämmerung schon von dem alten Kloster herabkommen. Es war ein prächtiger Morgen, die Hähne krähten unten in den Dörfern, hin und her klang schon eine Morgenglocke durch die stille Luft. Auch der Fremde, nachdem er mich freundlich gegrüßt hatte, blieb stehen und sah lange in's Thal hinaus. Sich, sagte er, das ist ein Friede Gottes überall, als zögen die Engelschaaren singend über die Erde! die armen Menschenkinder! sie hören's nur, wie im Traum. Müde da unten, verirrt in der Fremde und Nacht, wie sie weinend rufen und des Vaters Haus suchen, und wo ein Licht schimmert,
hoͤher liegt, ſtuͤrmen nackt und erbaͤrmlich wie Ihr ſeyd, ohne Wehr und Ruͤſtung und taͤgliche Uebung in den Waffen? Ich ſage Euch: Demuth iſt der Anfang und das Ende, hochmuͤthiger Menſch! — Der Fremde ſah mich groß an mit funkelnden Augen, dann ſtuͤtzte er auf dem Tiſche den Kopf in die Hand, ich meint', er betrachtete den Todtenkopf, der vor ihm lag, aber er mochte wohl andere Gedanken haben. Sitz' du ſo lange du willſt, dachte ich, ich fuͤrcht' dich nicht, ich trau' dir nicht. Damit ſtreckt' ich mich auf meine Streu und behielt ihn in den Augen, bis ſie mir am Ende zufielen.
Als ich aufwachte, waren meine Augen noch im¬ mer auf den Tiſch gerichtet, aber der Jaͤger ſaß nicht mehr auf demſelbigen Punkt. Als ich aber vor die Klauſe trat, ſah ich ihn in der Morgendaͤmmerung ſchon von dem alten Kloſter herabkommen. Es war ein praͤchtiger Morgen, die Haͤhne kraͤhten unten in den Doͤrfern, hin und her klang ſchon eine Morgenglocke durch die ſtille Luft. Auch der Fremde, nachdem er mich freundlich gegruͤßt hatte, blieb ſtehen und ſah lange in's Thal hinaus. Sich, ſagte er, das iſt ein Friede Gottes uͤberall, als zoͤgen die Engelſchaaren ſingend uͤber die Erde! die armen Menſchenkinder! ſie hoͤren's nur, wie im Traum. Muͤde da unten, verirrt in der Fremde und Nacht, wie ſie weinend rufen und des Vaters Haus ſuchen, und wo ein Licht ſchimmert,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0290"n="283"/>
hoͤher liegt, ſtuͤrmen nackt und erbaͤrmlich wie Ihr<lb/>ſeyd, ohne Wehr und Ruͤſtung und taͤgliche Uebung<lb/>
in den Waffen? Ich ſage Euch: Demuth iſt der<lb/>
Anfang und das Ende, hochmuͤthiger Menſch! — Der<lb/>
Fremde ſah mich groß an mit funkelnden Augen, dann<lb/>ſtuͤtzte er auf dem Tiſche den Kopf in die Hand, ich<lb/>
meint', er betrachtete den Todtenkopf, der vor ihm lag,<lb/>
aber er mochte wohl andere Gedanken haben. Sitz'<lb/>
du ſo lange du willſt, dachte ich, ich fuͤrcht' dich nicht,<lb/>
ich trau' dir nicht. Damit ſtreckt' ich mich auf meine<lb/>
Streu und behielt ihn in den Augen, bis ſie mir am<lb/>
Ende zufielen.</p><lb/><p>Als ich aufwachte, waren meine Augen noch im¬<lb/>
mer auf den Tiſch gerichtet, aber der Jaͤger ſaß nicht<lb/>
mehr auf demſelbigen Punkt. Als ich aber vor die<lb/>
Klauſe trat, ſah ich ihn in der Morgendaͤmmerung ſchon<lb/>
von dem alten Kloſter herabkommen. Es war ein<lb/>
praͤchtiger Morgen, die Haͤhne kraͤhten unten in den<lb/>
Doͤrfern, hin und her klang ſchon eine Morgenglocke<lb/>
durch die ſtille Luft. Auch der Fremde, nachdem er<lb/>
mich freundlich gegruͤßt hatte, blieb ſtehen und ſah lange<lb/>
in's Thal hinaus. Sich, ſagte er, das iſt ein Friede<lb/>
Gottes uͤberall, als zoͤgen die Engelſchaaren ſingend<lb/>
uͤber die Erde! die armen Menſchenkinder! ſie hoͤren's<lb/>
nur, wie im Traum. Muͤde da unten, verirrt in der<lb/>
Fremde und Nacht, wie ſie weinend rufen und des<lb/>
Vaters Haus ſuchen, und wo ein Licht ſchimmert,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[283/0290]
hoͤher liegt, ſtuͤrmen nackt und erbaͤrmlich wie Ihr
ſeyd, ohne Wehr und Ruͤſtung und taͤgliche Uebung
in den Waffen? Ich ſage Euch: Demuth iſt der
Anfang und das Ende, hochmuͤthiger Menſch! — Der
Fremde ſah mich groß an mit funkelnden Augen, dann
ſtuͤtzte er auf dem Tiſche den Kopf in die Hand, ich
meint', er betrachtete den Todtenkopf, der vor ihm lag,
aber er mochte wohl andere Gedanken haben. Sitz'
du ſo lange du willſt, dachte ich, ich fuͤrcht' dich nicht,
ich trau' dir nicht. Damit ſtreckt' ich mich auf meine
Streu und behielt ihn in den Augen, bis ſie mir am
Ende zufielen.
Als ich aufwachte, waren meine Augen noch im¬
mer auf den Tiſch gerichtet, aber der Jaͤger ſaß nicht
mehr auf demſelbigen Punkt. Als ich aber vor die
Klauſe trat, ſah ich ihn in der Morgendaͤmmerung ſchon
von dem alten Kloſter herabkommen. Es war ein
praͤchtiger Morgen, die Haͤhne kraͤhten unten in den
Doͤrfern, hin und her klang ſchon eine Morgenglocke
durch die ſtille Luft. Auch der Fremde, nachdem er
mich freundlich gegruͤßt hatte, blieb ſtehen und ſah lange
in's Thal hinaus. Sich, ſagte er, das iſt ein Friede
Gottes uͤberall, als zoͤgen die Engelſchaaren ſingend
uͤber die Erde! die armen Menſchenkinder! ſie hoͤren's
nur, wie im Traum. Muͤde da unten, verirrt in der
Fremde und Nacht, wie ſie weinend rufen und des
Vaters Haus ſuchen, und wo ein Licht ſchimmert,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/290>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.