klopfen sie furchtsam an die Thür, und es wird ihnen aufgethan, aber sie sollen den Fremden dienen um das tägliche Brot; darüber werden sie groß und alt und kennen die Heimath und den Vater nicht mehr. O wer ihnen allen den Frieden bringen könnte! Aber wer das ehrlich will, muß erst Frieden stiften in sich selbst und wenn er darüber zusammenbräche, was thut's! -- Sieh, Gesell, und das ist geistliches Recht und Ta¬ gewerk.
Ich alter Kerl stand ganz verblüfft vor ihm, denn ich verstand schon gleich damals so viel davon, daß ich bisher eigentlich noch gar nichts verstanden hatte von meinem Metier. Vor meiner eigenen Thür wollt' ich kehren und die ewige Seligkeit für mich allein zu¬ sammenknickern, wie ein filziger Schuft, als wär's dem lieben Gott um mich allein zu thun in der Welt. -- Und seht, von der Stund' ab blieb der Jäger hier auf den Bergen und wohnte im Kloster droben und machte sich gemein mit mir, wie ein getreuer Kame¬ rad, und ist doch ein grundgelehrter Herr. Denn du gefällst mir, sagt er, du machst keine Flausen mit dei¬ ner Frömmigkeit. Und wenn ich faste, so hungert er, und wenn ich aufwache, so hat er die ganze Nacht gewacht und gebetet, und trinkt keinen Wein und mag keinen Speck, und will ich alter Narr manchmal ver¬ zagen, so singt er ein schönes Lied, und -- kurz, das ist der Herr Vitalis, von dem ihr unten gehört habt.
klopfen ſie furchtſam an die Thuͤr, und es wird ihnen aufgethan, aber ſie ſollen den Fremden dienen um das taͤgliche Brot; daruͤber werden ſie groß und alt und kennen die Heimath und den Vater nicht mehr. O wer ihnen allen den Frieden bringen koͤnnte! Aber wer das ehrlich will, muß erſt Frieden ſtiften in ſich ſelbſt und wenn er daruͤber zuſammenbraͤche, was thut's! — Sieh, Geſell, und das iſt geiſtliches Recht und Ta¬ gewerk.
Ich alter Kerl ſtand ganz verbluͤfft vor ihm, denn ich verſtand ſchon gleich damals ſo viel davon, daß ich bisher eigentlich noch gar nichts verſtanden hatte von meinem Metier. Vor meiner eigenen Thuͤr wollt' ich kehren und die ewige Seligkeit fuͤr mich allein zu¬ ſammenknickern, wie ein filziger Schuft, als waͤr's dem lieben Gott um mich allein zu thun in der Welt. — Und ſeht, von der Stund' ab blieb der Jaͤger hier auf den Bergen und wohnte im Kloſter droben und machte ſich gemein mit mir, wie ein getreuer Kame¬ rad, und iſt doch ein grundgelehrter Herr. Denn du gefaͤllſt mir, ſagt er, du machſt keine Flauſen mit dei¬ ner Froͤmmigkeit. Und wenn ich faſte, ſo hungert er, und wenn ich aufwache, ſo hat er die ganze Nacht gewacht und gebetet, und trinkt keinen Wein und mag keinen Speck, und will ich alter Narr manchmal ver¬ zagen, ſo ſingt er ein ſchoͤnes Lied, und — kurz, das iſt der Herr Vitalis, von dem ihr unten gehoͤrt habt.
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klopfen ſie furchtſam an die Thuͤr, und es wird ihnen
aufgethan, aber ſie ſollen den Fremden dienen um das
taͤgliche Brot; daruͤber werden ſie groß und alt und
kennen die Heimath und den Vater nicht mehr. O wer
ihnen allen den Frieden bringen koͤnnte! Aber wer
das ehrlich will, muß erſt Frieden ſtiften in ſich ſelbſt
und wenn er daruͤber zuſammenbraͤche, was thut's! —
Sieh, Geſell, und das iſt geiſtliches Recht und Ta¬
gewerk.
Ich alter Kerl ſtand ganz verbluͤfft vor ihm, denn
ich verſtand ſchon gleich damals ſo viel davon, daß
ich bisher eigentlich noch gar nichts verſtanden hatte
von meinem Metier. Vor meiner eigenen Thuͤr wollt'
ich kehren und die ewige Seligkeit fuͤr mich allein zu¬
ſammenknickern, wie ein filziger Schuft, als waͤr's dem
lieben Gott um mich allein zu thun in der Welt. —
Und ſeht, von der Stund' ab blieb der Jaͤger hier
auf den Bergen und wohnte im Kloſter droben und
machte ſich gemein mit mir, wie ein getreuer Kame¬
rad, und iſt doch ein grundgelehrter Herr. Denn du
gefaͤllſt mir, ſagt er, du machſt keine Flauſen mit dei¬
ner Froͤmmigkeit. Und wenn ich faſte, ſo hungert er,
und wenn ich aufwache, ſo hat er die ganze Nacht
gewacht und gebetet, und trinkt keinen Wein und mag
keinen Speck, und will ich alter Narr manchmal ver¬
zagen, ſo ſingt er ein ſchoͤnes Lied, und — kurz, das
iſt der Herr Vitalis, von dem ihr unten gehoͤrt habt.
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/291>, abgerufen am 23.11.2024.
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