zierlicher Jägertracht an den Mast gelehnt, er hatte eine Zitter im Arm, die er in der Kajüte gefunden, ihm zu Füßen saß ein anderer hübscher Junge. Beide konnte man für Schüler halten, die zur Vacanz rei¬ sten, und es war anmuthig zu sehen, wie die fröhli¬ chen Bilder, bald im kühlen Schatten der Felsen, bald von der Abendsonne hellbeschienen, zwischen den wechselnden Landschaften dahinflogen. Der eine am Mast blickte frisch unter seinem Reisehut in das Grün hinaus und sang:
Sie stand wohl am Fensterbogen
Und flocht sich traurig ihr Haar, Der Jäger war fortgezogen, Der Jäger ihr Liebster war.
Und als der Frühling gekommen,
Die Welt war von Blüten verschneit, Da hat sie ein Herz sich genommen Und ging in die grüne Haid.
Sie legt das Ohr an den Rasen,
Hört ferner Hufe Klang -- Das sind die Rehe, die grasen Am schattigen Bergeshang.
Und Abends die Wälder rauschen,
Von fern nur fällt noch ein Schuß, Da steht sie stille, zu lauschen: "Das war meines Liebsten Gruß!"
Da sprangen vom Fels die Quellen,
Da flogen die Vöglein in's Thal. "Und wo ihr ihn trefft, ihr Gesellen, Grüßt mir ihn tausendmal!"
zierlicher Jaͤgertracht an den Maſt gelehnt, er hatte eine Zitter im Arm, die er in der Kajuͤte gefunden, ihm zu Fuͤßen ſaß ein anderer huͤbſcher Junge. Beide konnte man fuͤr Schuͤler halten, die zur Vacanz rei¬ ſten, und es war anmuthig zu ſehen, wie die froͤhli¬ chen Bilder, bald im kuͤhlen Schatten der Felſen, bald von der Abendſonne hellbeſchienen, zwiſchen den wechſelnden Landſchaften dahinflogen. Der eine am Maſt blickte friſch unter ſeinem Reiſehut in das Gruͤn hinaus und ſang:
Sie ſtand wohl am Fenſterbogen
Und flocht ſich traurig ihr Haar, Der Jaͤger war fortgezogen, Der Jaͤger ihr Liebſter war.
Und als der Fruͤhling gekommen,
Die Welt war von Bluͤten verſchneit, Da hat ſie ein Herz ſich genommen Und ging in die gruͤne Haid.
Sie legt das Ohr an den Raſen,
Hoͤrt ferner Hufe Klang — Das ſind die Rehe, die graſen Am ſchattigen Bergeshang.
Und Abends die Waͤlder rauſchen,
Von fern nur faͤllt noch ein Schuß, Da ſteht ſie ſtille, zu lauſchen: „Das war meines Liebſten Gruß!“
Da ſprangen vom Fels die Quellen,
Da flogen die Voͤglein in's Thal. „Und wo ihr ihn trefft, ihr Geſellen, Gruͤßt mir ihn tauſendmal!“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0297"n="290"/>
zierlicher Jaͤgertracht an den Maſt gelehnt, er hatte<lb/>
eine Zitter im Arm, die er in der Kajuͤte gefunden,<lb/>
ihm zu Fuͤßen ſaß ein anderer huͤbſcher Junge. Beide<lb/>
konnte man fuͤr Schuͤler halten, die zur Vacanz rei¬<lb/>ſten, und es war anmuthig zu ſehen, wie die froͤhli¬<lb/>
chen Bilder, bald im kuͤhlen Schatten der Felſen,<lb/>
bald von der Abendſonne hellbeſchienen, zwiſchen den<lb/>
wechſelnden Landſchaften dahinflogen. Der eine am<lb/>
Maſt blickte friſch unter ſeinem Reiſehut in das Gruͤn<lb/>
hinaus und ſang:</p><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><lrendition="#et">Sie ſtand wohl am Fenſterbogen</l><lb/><l>Und flocht ſich traurig ihr Haar,</l><lb/><l>Der Jaͤger war fortgezogen,</l><lb/><l>Der Jaͤger ihr Liebſter war.</l><lb/></lg><lgn="2"><lrendition="#et">Und als der Fruͤhling gekommen,</l><lb/><l>Die Welt war von Bluͤten verſchneit,</l><lb/><l>Da hat ſie ein Herz ſich genommen</l><lb/><l>Und ging in die gruͤne Haid.</l><lb/></lg><lgn="3"><lrendition="#et">Sie legt das Ohr an den Raſen,</l><lb/><l>Hoͤrt ferner Hufe Klang —</l><lb/><l>Das ſind die Rehe, die graſen</l><lb/><l>Am ſchattigen Bergeshang.</l><lb/></lg><lgn="4"><lrendition="#et">Und Abends die Waͤlder rauſchen,</l><lb/><l>Von fern nur faͤllt noch ein Schuß,</l><lb/><l>Da ſteht ſie ſtille, zu lauſchen:</l><lb/><l>„Das war meines Liebſten Gruß!“</l><lb/></lg><lgn="5"><lrendition="#et">Da ſprangen vom Fels die Quellen,</l><lb/><l>Da flogen die Voͤglein in's Thal.</l><lb/><l>„Und wo ihr ihn trefft, ihr Geſellen,</l><lb/><l>Gruͤßt mir ihn tauſendmal!“</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[290/0297]
zierlicher Jaͤgertracht an den Maſt gelehnt, er hatte
eine Zitter im Arm, die er in der Kajuͤte gefunden,
ihm zu Fuͤßen ſaß ein anderer huͤbſcher Junge. Beide
konnte man fuͤr Schuͤler halten, die zur Vacanz rei¬
ſten, und es war anmuthig zu ſehen, wie die froͤhli¬
chen Bilder, bald im kuͤhlen Schatten der Felſen,
bald von der Abendſonne hellbeſchienen, zwiſchen den
wechſelnden Landſchaften dahinflogen. Der eine am
Maſt blickte friſch unter ſeinem Reiſehut in das Gruͤn
hinaus und ſang:
Sie ſtand wohl am Fenſterbogen
Und flocht ſich traurig ihr Haar,
Der Jaͤger war fortgezogen,
Der Jaͤger ihr Liebſter war.
Und als der Fruͤhling gekommen,
Die Welt war von Bluͤten verſchneit,
Da hat ſie ein Herz ſich genommen
Und ging in die gruͤne Haid.
Sie legt das Ohr an den Raſen,
Hoͤrt ferner Hufe Klang —
Das ſind die Rehe, die graſen
Am ſchattigen Bergeshang.
Und Abends die Waͤlder rauſchen,
Von fern nur faͤllt noch ein Schuß,
Da ſteht ſie ſtille, zu lauſchen:
„Das war meines Liebſten Gruß!“
Da ſprangen vom Fels die Quellen,
Da flogen die Voͤglein in's Thal.
„Und wo ihr ihn trefft, ihr Geſellen,
Gruͤßt mir ihn tauſendmal!“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/297>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.