die Luft sich bewegte, klang bald das Plätschern, bald die liebliche Stimme wie ein Glöcklein aus der stillen Mondnacht herüber. Die Nacht aber hatte unterdeß die Gegend draußen wunderbar verwandelt, zwischen den alten Bäumen hindurch sah man weit in die Thä¬ ler hinaus, da lag es verworren im Mondschein, wie glänzende Kuppeln, Trümmer und prächtige Gärten, in dem nahen Städtchen unten sang ein Student noch vor seiner Liebsten Thür, dazwischen immerfort wieder das Rauschen des Brunnen -- Fortunat saß wie im Traum, er dachte an Italien, an Rom, und unwill¬ kürlich in Gedanken rief er -- Fiametta!
Bei dem Klange reckten die beiden, wie Rehe, wenn das Laub raschelt, plötzlich die Köpfchen in die Höh, sprangen scheu auf und flogen dem Hause zu. Fortunat trat ihnen erstaunt entgegen, da stutzte das Jägerbürschchen plötzlich und sah ihn einen Augenblick durchdringend an, dann aber warf es sich auf einmal athemlos an seinen Hals, ihn fest umklammernd und schluchzend, er fühlte des Jünglings Thränen unauf¬ haltsam über seine Wangen rinnen; seine Locken roll¬ ten rings um ihn her, es war, als würde er in seinen Armen ganz und gar vergehen. Nun aber wußt' er's wohl, wen er im Arme hielt. Meine liebe, liebe Fia¬ metta! rief er aus tiefstem Herzensgrunde. Da ließ das schöne verkleidete Mädchen los, stellte sich, ihre Locken aus dem Gesicht schüttelnd, dicht vor ihn und
die Luft ſich bewegte, klang bald das Plaͤtſchern, bald die liebliche Stimme wie ein Gloͤcklein aus der ſtillen Mondnacht heruͤber. Die Nacht aber hatte unterdeß die Gegend draußen wunderbar verwandelt, zwiſchen den alten Baͤumen hindurch ſah man weit in die Thaͤ¬ ler hinaus, da lag es verworren im Mondſchein, wie glaͤnzende Kuppeln, Truͤmmer und praͤchtige Gaͤrten, in dem nahen Staͤdtchen unten ſang ein Student noch vor ſeiner Liebſten Thuͤr, dazwiſchen immerfort wieder das Rauſchen des Brunnen — Fortunat ſaß wie im Traum, er dachte an Italien, an Rom, und unwill¬ kuͤrlich in Gedanken rief er — Fiametta!
Bei dem Klange reckten die beiden, wie Rehe, wenn das Laub raſchelt, ploͤtzlich die Koͤpfchen in die Hoͤh, ſprangen ſcheu auf und flogen dem Hauſe zu. Fortunat trat ihnen erſtaunt entgegen, da ſtutzte das Jaͤgerbuͤrſchchen ploͤtzlich und ſah ihn einen Augenblick durchdringend an, dann aber warf es ſich auf einmal athemlos an ſeinen Hals, ihn feſt umklammernd und ſchluchzend, er fuͤhlte des Juͤnglings Thraͤnen unauf¬ haltſam uͤber ſeine Wangen rinnen; ſeine Locken roll¬ ten rings um ihn her, es war, als wuͤrde er in ſeinen Armen ganz und gar vergehen. Nun aber wußt' er's wohl, wen er im Arme hielt. Meine liebe, liebe Fia¬ metta! rief er aus tiefſtem Herzensgrunde. Da ließ das ſchoͤne verkleidete Maͤdchen los, ſtellte ſich, ihre Locken aus dem Geſicht ſchuͤttelnd, dicht vor ihn und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0303"n="296"/>
die Luft ſich bewegte, klang bald das Plaͤtſchern, bald<lb/>
die liebliche Stimme wie ein Gloͤcklein aus der ſtillen<lb/>
Mondnacht heruͤber. Die Nacht aber hatte unterdeß<lb/>
die Gegend draußen wunderbar verwandelt, zwiſchen<lb/>
den alten Baͤumen hindurch ſah man weit in die Thaͤ¬<lb/>
ler hinaus, da lag es verworren im Mondſchein, wie<lb/>
glaͤnzende Kuppeln, Truͤmmer und praͤchtige Gaͤrten,<lb/>
in dem nahen Staͤdtchen unten ſang ein Student noch<lb/>
vor ſeiner Liebſten Thuͤr, dazwiſchen immerfort wieder<lb/>
das Rauſchen des Brunnen — Fortunat ſaß wie im<lb/>
Traum, er dachte an Italien, an Rom, und unwill¬<lb/>
kuͤrlich in Gedanken rief er — Fiametta!</p><lb/><p>Bei dem Klange reckten die beiden, wie Rehe,<lb/>
wenn das Laub raſchelt, ploͤtzlich die Koͤpfchen in die<lb/>
Hoͤh, ſprangen ſcheu auf und flogen dem Hauſe zu.<lb/>
Fortunat trat ihnen erſtaunt entgegen, da ſtutzte das<lb/>
Jaͤgerbuͤrſchchen ploͤtzlich und ſah ihn einen Augenblick<lb/>
durchdringend an, dann aber warf es ſich auf einmal<lb/>
athemlos an ſeinen Hals, ihn feſt umklammernd und<lb/>ſchluchzend, er fuͤhlte des Juͤnglings Thraͤnen unauf¬<lb/>
haltſam uͤber ſeine Wangen rinnen; ſeine Locken roll¬<lb/>
ten rings um ihn her, es war, als wuͤrde er in ſeinen<lb/>
Armen ganz und gar vergehen. Nun aber wußt' er's<lb/>
wohl, wen er im Arme hielt. Meine liebe, liebe <hirendition="#g">Fia¬<lb/>
metta</hi>! rief er aus tiefſtem Herzensgrunde. Da ließ<lb/>
das ſchoͤne verkleidete Maͤdchen los, ſtellte ſich, ihre<lb/>
Locken aus dem Geſicht ſchuͤttelnd, dicht vor ihn und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[296/0303]
die Luft ſich bewegte, klang bald das Plaͤtſchern, bald
die liebliche Stimme wie ein Gloͤcklein aus der ſtillen
Mondnacht heruͤber. Die Nacht aber hatte unterdeß
die Gegend draußen wunderbar verwandelt, zwiſchen
den alten Baͤumen hindurch ſah man weit in die Thaͤ¬
ler hinaus, da lag es verworren im Mondſchein, wie
glaͤnzende Kuppeln, Truͤmmer und praͤchtige Gaͤrten,
in dem nahen Staͤdtchen unten ſang ein Student noch
vor ſeiner Liebſten Thuͤr, dazwiſchen immerfort wieder
das Rauſchen des Brunnen — Fortunat ſaß wie im
Traum, er dachte an Italien, an Rom, und unwill¬
kuͤrlich in Gedanken rief er — Fiametta!
Bei dem Klange reckten die beiden, wie Rehe,
wenn das Laub raſchelt, ploͤtzlich die Koͤpfchen in die
Hoͤh, ſprangen ſcheu auf und flogen dem Hauſe zu.
Fortunat trat ihnen erſtaunt entgegen, da ſtutzte das
Jaͤgerbuͤrſchchen ploͤtzlich und ſah ihn einen Augenblick
durchdringend an, dann aber warf es ſich auf einmal
athemlos an ſeinen Hals, ihn feſt umklammernd und
ſchluchzend, er fuͤhlte des Juͤnglings Thraͤnen unauf¬
haltſam uͤber ſeine Wangen rinnen; ſeine Locken roll¬
ten rings um ihn her, es war, als wuͤrde er in ſeinen
Armen ganz und gar vergehen. Nun aber wußt' er's
wohl, wen er im Arme hielt. Meine liebe, liebe Fia¬
metta! rief er aus tiefſtem Herzensgrunde. Da ließ
das ſchoͤne verkleidete Maͤdchen los, ſtellte ſich, ihre
Locken aus dem Geſicht ſchuͤttelnd, dicht vor ihn und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/303>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.