blickte ihn aus den Thränen so fröhlich an, daß es ihm recht durch die Seele ging. Darauf schnell wie¬ der besonnen, zog sie ihn schweigend mit sich in sein Zimmer hinein. Er sah im Vorüberschweifen dem andern Gesellen in's Gesicht und erkannte seines Lieb¬ chens Kammerjungfer, die über und über roth wurde. In der Stube aber steckte Fiametta ihr Haar wieder auf, während sie die Kammerjungfer mit einem heimlichen Auftrage fortschickte. Dann trieb sie Fortunaten, in sichtbarer Furcht, geheimnißvoll und ohne ihm Rede und Antwort zu stehen, zur unverzüglichen Abreise, half ihm unter tausend Späßen mitten in ihrer Angst und Hast, seine Sachen rasch in ein Bündel schnü¬ ren und drängte ihn fort, fort, aus dem Hause, aus dem Garten und immer weiter. Draußen auf einem abgelegenen Platz fanden sie Fortunats Diener mit seinen beiden gesattelten Pferden, die Kammerjungfer hatte ihn hergeführt. Sie sollte mit dem Diener auf dem Schiffe weiterreisen, Fiametta selbst aber schwang sich schnell auf das eine Pferd. Fortunat wußte nicht wie ihm geschah, und ehe er sich fassen konnte, waren Kammerjungfer und Wirthshaus schon hinter ihnen verschwunden.
Als sie im Freien waren, fragte Fiametta mit tief gesenkten Augen kaum hörbar: was macht denn Annidi? Fortunat mußte sich fast auf den Namen be¬ sinnen. Annidi? -- sagte er, sie hat in Rom den
blickte ihn aus den Thraͤnen ſo froͤhlich an, daß es ihm recht durch die Seele ging. Darauf ſchnell wie¬ der beſonnen, zog ſie ihn ſchweigend mit ſich in ſein Zimmer hinein. Er ſah im Voruͤberſchweifen dem andern Geſellen in's Geſicht und erkannte ſeines Lieb¬ chens Kammerjungfer, die uͤber und uͤber roth wurde. In der Stube aber ſteckte Fiametta ihr Haar wieder auf, waͤhrend ſie die Kammerjungfer mit einem heimlichen Auftrage fortſchickte. Dann trieb ſie Fortunaten, in ſichtbarer Furcht, geheimnißvoll und ohne ihm Rede und Antwort zu ſtehen, zur unverzuͤglichen Abreiſe, half ihm unter tauſend Spaͤßen mitten in ihrer Angſt und Haſt, ſeine Sachen raſch in ein Buͤndel ſchnuͤ¬ ren und draͤngte ihn fort, fort, aus dem Hauſe, aus dem Garten und immer weiter. Draußen auf einem abgelegenen Platz fanden ſie Fortunats Diener mit ſeinen beiden geſattelten Pferden, die Kammerjungfer hatte ihn hergefuͤhrt. Sie ſollte mit dem Diener auf dem Schiffe weiterreiſen, Fiametta ſelbſt aber ſchwang ſich ſchnell auf das eine Pferd. Fortunat wußte nicht wie ihm geſchah, und ehe er ſich faſſen konnte, waren Kammerjungfer und Wirthshaus ſchon hinter ihnen verſchwunden.
Als ſie im Freien waren, fragte Fiametta mit tief geſenkten Augen kaum hoͤrbar: was macht denn Annidi? Fortunat mußte ſich faſt auf den Namen be¬ ſinnen. Annidi? — ſagte er, ſie hat in Rom den
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blickte ihn aus den Thraͤnen ſo froͤhlich an, daß es
ihm recht durch die Seele ging. Darauf ſchnell wie¬
der beſonnen, zog ſie ihn ſchweigend mit ſich in ſein
Zimmer hinein. Er ſah im Voruͤberſchweifen dem
andern Geſellen in's Geſicht und erkannte ſeines Lieb¬
chens Kammerjungfer, die uͤber und uͤber roth wurde.
In der Stube aber ſteckte Fiametta ihr Haar wieder auf,
waͤhrend ſie die Kammerjungfer mit einem heimlichen
Auftrage fortſchickte. Dann trieb ſie Fortunaten, in
ſichtbarer Furcht, geheimnißvoll und ohne ihm Rede
und Antwort zu ſtehen, zur unverzuͤglichen Abreiſe,
half ihm unter tauſend Spaͤßen mitten in ihrer Angſt
und Haſt, ſeine Sachen raſch in ein Buͤndel ſchnuͤ¬
ren und draͤngte ihn fort, fort, aus dem Hauſe, aus
dem Garten und immer weiter. Draußen auf einem
abgelegenen Platz fanden ſie Fortunats Diener mit
ſeinen beiden geſattelten Pferden, die Kammerjungfer
hatte ihn hergefuͤhrt. Sie ſollte mit dem Diener auf
dem Schiffe weiterreiſen, Fiametta ſelbſt aber ſchwang
ſich ſchnell auf das eine Pferd. Fortunat wußte nicht
wie ihm geſchah, und ehe er ſich faſſen konnte, waren
Kammerjungfer und Wirthshaus ſchon hinter ihnen
verſchwunden.
Als ſie im Freien waren, fragte Fiametta mit
tief geſenkten Augen kaum hoͤrbar: was macht denn
Annidi? Fortunat mußte ſich faſt auf den Namen be¬
ſinnen. Annidi? — ſagte er, ſie hat in Rom den
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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