Bisher hatte ich fast wie im Traume gelebt, mit dem Fremden aber kam auf einmal Hast und Unruhe in unsere ländliche Stille. Nichts war ihm recht in unserer Wirthschaft, alles wollte er gescheuter einrich¬ ten, und sah mich dabei oft so sonderbar an, daß ich erschrak, denn er schaute so klug drein, als könnte er meine Gedanken lesen. Vor Verdruß darüber hatte ich mich eines Tages in der schwülen Mittagszeit mit¬ ten in's tiefste Gras gelegt, alle Vögel schwiegen, nur die Bienen summten, einzelne Wolken flogen über die stille Gegend fort, ich dachte an die alten Zeiten, an dich, an unseren Garten in Rom. Da kam auf ein¬ mal die Tante mit ihrem Vetter im Buchengang her¬ unter. Ich hob mich im Grase halb empor, sie be¬ merkten mich nicht. Ich habe auch schon daran ge¬ dacht, sagte die Tante, so kann es mit Fiametta nicht länger bleiben, sie vergeht mir hier in der Einsamkeit wie eine Blume. -- Abgesehen selbst von allem, was ich Ihnen eben erzählt habe, erwiederte der Vetter, so wüßte ich in der That keine bessere Partie für das Fräulein, als den Baron, jung, reich, unabhängig. -- Und Sie übernehmen es also, fragte die Tante wie¬ der, ihn zu uns zu bringen? --
Ich konnte seine Antwort nicht mehr verstehen. Aber, wie wenn der Blitz neben mir eingeschlagen hätte, sprang ich schnell auf und flog zu meiner ita¬ liänischen Kammerjungfer und erzählte ihr alles. Da
Bisher hatte ich faſt wie im Traume gelebt, mit dem Fremden aber kam auf einmal Haſt und Unruhe in unſere laͤndliche Stille. Nichts war ihm recht in unſerer Wirthſchaft, alles wollte er geſcheuter einrich¬ ten, und ſah mich dabei oft ſo ſonderbar an, daß ich erſchrak, denn er ſchaute ſo klug drein, als koͤnnte er meine Gedanken leſen. Vor Verdruß daruͤber hatte ich mich eines Tages in der ſchwuͤlen Mittagszeit mit¬ ten in's tiefſte Gras gelegt, alle Voͤgel ſchwiegen, nur die Bienen ſummten, einzelne Wolken flogen uͤber die ſtille Gegend fort, ich dachte an die alten Zeiten, an dich, an unſeren Garten in Rom. Da kam auf ein¬ mal die Tante mit ihrem Vetter im Buchengang her¬ unter. Ich hob mich im Graſe halb empor, ſie be¬ merkten mich nicht. Ich habe auch ſchon daran ge¬ dacht, ſagte die Tante, ſo kann es mit Fiametta nicht laͤnger bleiben, ſie vergeht mir hier in der Einſamkeit wie eine Blume. — Abgeſehen ſelbſt von allem, was ich Ihnen eben erzaͤhlt habe, erwiederte der Vetter, ſo wuͤßte ich in der That keine beſſere Partie fuͤr das Fraͤulein, als den Baron, jung, reich, unabhaͤngig. — Und Sie uͤbernehmen es alſo, fragte die Tante wie¬ der, ihn zu uns zu bringen? —
Ich konnte ſeine Antwort nicht mehr verſtehen. Aber, wie wenn der Blitz neben mir eingeſchlagen haͤtte, ſprang ich ſchnell auf und flog zu meiner ita¬ liaͤniſchen Kammerjungfer und erzaͤhlte ihr alles. Da
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Bisher hatte ich faſt wie im Traume gelebt, mit
dem Fremden aber kam auf einmal Haſt und Unruhe
in unſere laͤndliche Stille. Nichts war ihm recht in
unſerer Wirthſchaft, alles wollte er geſcheuter einrich¬
ten, und ſah mich dabei oft ſo ſonderbar an, daß ich
erſchrak, denn er ſchaute ſo klug drein, als koͤnnte er
meine Gedanken leſen. Vor Verdruß daruͤber hatte
ich mich eines Tages in der ſchwuͤlen Mittagszeit mit¬
ten in's tiefſte Gras gelegt, alle Voͤgel ſchwiegen, nur
die Bienen ſummten, einzelne Wolken flogen uͤber die
ſtille Gegend fort, ich dachte an die alten Zeiten, an
dich, an unſeren Garten in Rom. Da kam auf ein¬
mal die Tante mit ihrem Vetter im Buchengang her¬
unter. Ich hob mich im Graſe halb empor, ſie be¬
merkten mich nicht. Ich habe auch ſchon daran ge¬
dacht, ſagte die Tante, ſo kann es mit Fiametta nicht
laͤnger bleiben, ſie vergeht mir hier in der Einſamkeit
wie eine Blume. — Abgeſehen ſelbſt von allem, was
ich Ihnen eben erzaͤhlt habe, erwiederte der Vetter,
ſo wuͤßte ich in der That keine beſſere Partie fuͤr das
Fraͤulein, als den Baron, jung, reich, unabhaͤngig. —
Und Sie uͤbernehmen es alſo, fragte die Tante wie¬
der, ihn zu uns zu bringen? —
Ich konnte ſeine Antwort nicht mehr verſtehen.
Aber, wie wenn der Blitz neben mir eingeſchlagen
haͤtte, ſprang ich ſchnell auf und flog zu meiner ita¬
liaͤniſchen Kammerjungfer und erzaͤhlte ihr alles. Da
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/310>, abgerufen am 22.11.2024.
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