war nicht lange Zeit zum Besinnen, ihr war hier so bang auf dem Schlosse wie mir, sie wollte unter dem Vorwande einer Maskerade Jägerkleider für uns beide herbeischaffen, und wir beschlossen, zu einer jungen, fröhlichen Tante in Wien zu entfliehen, die ich noch aus Rom kannte, und die mich vor der dummen Par¬ tie beschützen sollte.
Seitdem sahen mich die Tante und der Vetter noch häufiger geheimnißvoll und schmunzelnd an. Be¬ sonders aber ganz abscheulich war mir nun der kluge Vetter, wenn er mit seinen spitzigen Blicken, wie eine Spinne mit ihren langen Beinen, nach mir zielte. Ja, spinne und laure du nur! dachte ich. Und als er nun wirklich abreiste, um den Bräutigam zu holen, da fuhren wir, während alles schon schlief, in unsere Jä¬ gerkleider und stiegen in der schönsten Sommernacht mit klopfenden Herzen sacht die Treppen hinab durch's leere Schloß, den stillen Garten entlang, bis wir end¬ lich im freien Felde tief aufathmeten. Da sah's drau¬ ßen so frisch und waldkühl aus! -- Noch dieselbe Nacht aber hatten wir uns im Gebirge verirrt. Fra¬ gen mochten wir nicht, so kamen wir zuletzt gar an ein verfallenes Schloß. Mich schauerte und fror, die Jungfer weinte, da that sich plötzlich eine Thüre auf, drei Männer mit Windlichtern traten heraus -- der eine war der Vetter, verwildert und bleich im Wieder¬ schein der Fackeln -- ich glaube, er geht um bei
war nicht lange Zeit zum Beſinnen, ihr war hier ſo bang auf dem Schloſſe wie mir, ſie wollte unter dem Vorwande einer Maskerade Jaͤgerkleider fuͤr uns beide herbeiſchaffen, und wir beſchloſſen, zu einer jungen, froͤhlichen Tante in Wien zu entfliehen, die ich noch aus Rom kannte, und die mich vor der dummen Par¬ tie beſchuͤtzen ſollte.
Seitdem ſahen mich die Tante und der Vetter noch haͤufiger geheimnißvoll und ſchmunzelnd an. Be¬ ſonders aber ganz abſcheulich war mir nun der kluge Vetter, wenn er mit ſeinen ſpitzigen Blicken, wie eine Spinne mit ihren langen Beinen, nach mir zielte. Ja, ſpinne und laure du nur! dachte ich. Und als er nun wirklich abreiſte, um den Braͤutigam zu holen, da fuhren wir, waͤhrend alles ſchon ſchlief, in unſere Jaͤ¬ gerkleider und ſtiegen in der ſchoͤnſten Sommernacht mit klopfenden Herzen ſacht die Treppen hinab durch's leere Schloß, den ſtillen Garten entlang, bis wir end¬ lich im freien Felde tief aufathmeten. Da ſah's drau¬ ßen ſo friſch und waldkuͤhl aus! — Noch dieſelbe Nacht aber hatten wir uns im Gebirge verirrt. Fra¬ gen mochten wir nicht, ſo kamen wir zuletzt gar an ein verfallenes Schloß. Mich ſchauerte und fror, die Jungfer weinte, da that ſich ploͤtzlich eine Thuͤre auf, drei Maͤnner mit Windlichtern traten heraus — der eine war der Vetter, verwildert und bleich im Wieder¬ ſchein der Fackeln — ich glaube, er geht um bei
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war nicht lange Zeit zum Beſinnen, ihr war hier ſo
bang auf dem Schloſſe wie mir, ſie wollte unter dem
Vorwande einer Maskerade Jaͤgerkleider fuͤr uns beide
herbeiſchaffen, und wir beſchloſſen, zu einer jungen,
froͤhlichen Tante in Wien zu entfliehen, die ich noch
aus Rom kannte, und die mich vor der dummen Par¬
tie beſchuͤtzen ſollte.
Seitdem ſahen mich die Tante und der Vetter
noch haͤufiger geheimnißvoll und ſchmunzelnd an. Be¬
ſonders aber ganz abſcheulich war mir nun der kluge
Vetter, wenn er mit ſeinen ſpitzigen Blicken, wie eine
Spinne mit ihren langen Beinen, nach mir zielte.
Ja, ſpinne und laure du nur! dachte ich. Und als er
nun wirklich abreiſte, um den Braͤutigam zu holen, da
fuhren wir, waͤhrend alles ſchon ſchlief, in unſere Jaͤ¬
gerkleider und ſtiegen in der ſchoͤnſten Sommernacht
mit klopfenden Herzen ſacht die Treppen hinab durch's
leere Schloß, den ſtillen Garten entlang, bis wir end¬
lich im freien Felde tief aufathmeten. Da ſah's drau¬
ßen ſo friſch und waldkuͤhl aus! — Noch dieſelbe
Nacht aber hatten wir uns im Gebirge verirrt. Fra¬
gen mochten wir nicht, ſo kamen wir zuletzt gar an
ein verfallenes Schloß. Mich ſchauerte und fror, die
Jungfer weinte, da that ſich ploͤtzlich eine Thuͤre auf,
drei Maͤnner mit Windlichtern traten heraus — der
eine war der Vetter, verwildert und bleich im Wieder¬
ſchein der Fackeln — ich glaube, er geht um bei
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/311>, abgerufen am 22.11.2024.
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