Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

zu. Zuweilen blitzte der Mond oder das vorüberflie¬
gende Licht eines Bauerhauses durch den Wagen und
streifte flüchtig bald eine bleiche Nase, bald einen mar¬
tialischen Schnurrbart, bald die Glasaugen einer Brille.
Sie schwatzten viel von einer wunderschönen Opersän¬
gerin und einem reichen Grafen S., einem lockeren
Zeisig. -- Nein, ein Dompfaff, rief der Eine, denn sie
hat ihn pfeifen gelehrt. -- Vogel ist Vogel, meinte
ein Anderer kurz: sie hat ihn tüchtig gerupft, nun ist
sie selber davongeflogen. -- Eine barocke Idee, sagte
der mit der Brille, sich da in dem verfallenen Palast
in der Vorstadt einzunisten! -- Otto, aus seinen Ge¬
danken auffahrend, horchte plötzlich auf. -- Nisten! fiel
der Schnurrbart ein, Turteltauben nisten grade am
liebsten in alten Ruinen, da ist's hübsch düster und
nachtigallenhaft. Ja mein Lieber, das hatte alles
seine guten Wege, nämlich so unter den Bäumen sacht
fort, die plaudern nichts aus. Konnte man woh! dis¬
kreter handeln, als der Graf? er ließ ihrer Treue ein
Hinterpförtchen offen. Nun, nun, er ist ein Mann
von kostbaren Erfahrungen, sie war wenigstens nicht
seine prima Donna, und, ich denke, er hatte eben
auch keine Solo-Partie bei ihr. -- Ein schallendes
Gelächter erfolgte hier, Otto'n schnitt es durch die
Seele, sie sprachen offenbar von seiner wundersamen
Melusina! Es war ihm, als hätten die Gesellen mit
ihren schmutzigen Reisestiefeln auf einmal einen köst¬

zu. Zuweilen blitzte der Mond oder das voruͤberflie¬
gende Licht eines Bauerhauſes durch den Wagen und
ſtreifte fluͤchtig bald eine bleiche Naſe, bald einen mar¬
tialiſchen Schnurrbart, bald die Glasaugen einer Brille.
Sie ſchwatzten viel von einer wunderſchoͤnen Operſaͤn¬
gerin und einem reichen Grafen S., einem lockeren
Zeiſig. — Nein, ein Dompfaff, rief der Eine, denn ſie
hat ihn pfeifen gelehrt. — Vogel iſt Vogel, meinte
ein Anderer kurz: ſie hat ihn tuͤchtig gerupft, nun iſt
ſie ſelber davongeflogen. — Eine barocke Idee, ſagte
der mit der Brille, ſich da in dem verfallenen Palaſt
in der Vorſtadt einzuniſten! — Otto, aus ſeinen Ge¬
danken auffahrend, horchte ploͤtzlich auf. — Niſten! fiel
der Schnurrbart ein, Turteltauben niſten grade am
liebſten in alten Ruinen, da iſt's huͤbſch duͤſter und
nachtigallenhaft. Ja mein Lieber, das hatte alles
ſeine guten Wege, naͤmlich ſo unter den Baͤumen ſacht
fort, die plaudern nichts aus. Konnte man woh! dis¬
kreter handeln, als der Graf? er ließ ihrer Treue ein
Hinterpfoͤrtchen offen. Nun, nun, er iſt ein Mann
von koſtbaren Erfahrungen, ſie war wenigſtens nicht
ſeine prima Donna, und, ich denke, er hatte eben
auch keine Solo-Partie bei ihr. — Ein ſchallendes
Gelaͤchter erfolgte hier, Otto'n ſchnitt es durch die
Seele, ſie ſprachen offenbar von ſeiner wunderſamen
Meluſina! Es war ihm, als haͤtten die Geſellen mit
ihren ſchmutzigen Reiſeſtiefeln auf einmal einen koͤſt¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0327" n="320"/>
zu. Zuweilen blitzte der Mond oder das voru&#x0364;berflie¬<lb/>
gende Licht eines Bauerhau&#x017F;es durch den Wagen und<lb/>
&#x017F;treifte flu&#x0364;chtig bald eine bleiche Na&#x017F;e, bald einen mar¬<lb/>
tiali&#x017F;chen Schnurrbart, bald die Glasaugen einer Brille.<lb/>
Sie &#x017F;chwatzten viel von einer wunder&#x017F;cho&#x0364;nen Oper&#x017F;a&#x0364;<lb/>
gerin und einem reichen Grafen S., einem lockeren<lb/>
Zei&#x017F;ig. &#x2014; Nein, ein Dompfaff, rief der Eine, denn &#x017F;ie<lb/>
hat ihn pfeifen gelehrt. &#x2014; Vogel i&#x017F;t Vogel, meinte<lb/>
ein Anderer kurz: &#x017F;ie hat ihn tu&#x0364;chtig gerupft, nun i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;elber davongeflogen. &#x2014; Eine barocke Idee, &#x017F;agte<lb/>
der mit der Brille, &#x017F;ich da in dem verfallenen Pala&#x017F;t<lb/>
in der Vor&#x017F;tadt einzuni&#x017F;ten! &#x2014; Otto, aus &#x017F;einen Ge¬<lb/>
danken auffahrend, horchte plo&#x0364;tzlich auf. &#x2014; Ni&#x017F;ten! fiel<lb/>
der Schnurrbart ein, Turteltauben ni&#x017F;ten grade am<lb/>
lieb&#x017F;ten in alten Ruinen, da i&#x017F;t's hu&#x0364;b&#x017F;ch du&#x0364;&#x017F;ter und<lb/>
nachtigallenhaft. Ja mein Lieber, das hatte alles<lb/>
&#x017F;eine guten Wege, na&#x0364;mlich &#x017F;o unter den Ba&#x0364;umen &#x017F;acht<lb/>
fort, die plaudern nichts aus. Konnte man woh! dis¬<lb/>
kreter handeln, als der Graf? er ließ ihrer Treue ein<lb/>
Hinterpfo&#x0364;rtchen offen. Nun, nun, er i&#x017F;t ein Mann<lb/>
von ko&#x017F;tbaren Erfahrungen, &#x017F;ie war wenig&#x017F;tens nicht<lb/>
&#x017F;eine <hi rendition="#g">prima</hi> Donna, und, ich denke, er hatte eben<lb/>
auch keine Solo-Partie bei ihr. &#x2014; Ein &#x017F;challendes<lb/>
Gela&#x0364;chter erfolgte hier, Otto'n &#x017F;chnitt es durch die<lb/>
Seele, &#x017F;ie &#x017F;prachen offenbar von &#x017F;einer wunder&#x017F;amen<lb/>
Melu&#x017F;ina! Es war ihm, als ha&#x0364;tten die Ge&#x017F;ellen mit<lb/>
ihren &#x017F;chmutzigen Rei&#x017F;e&#x017F;tiefeln auf einmal einen ko&#x0364;&#x017F;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0327] zu. Zuweilen blitzte der Mond oder das voruͤberflie¬ gende Licht eines Bauerhauſes durch den Wagen und ſtreifte fluͤchtig bald eine bleiche Naſe, bald einen mar¬ tialiſchen Schnurrbart, bald die Glasaugen einer Brille. Sie ſchwatzten viel von einer wunderſchoͤnen Operſaͤn¬ gerin und einem reichen Grafen S., einem lockeren Zeiſig. — Nein, ein Dompfaff, rief der Eine, denn ſie hat ihn pfeifen gelehrt. — Vogel iſt Vogel, meinte ein Anderer kurz: ſie hat ihn tuͤchtig gerupft, nun iſt ſie ſelber davongeflogen. — Eine barocke Idee, ſagte der mit der Brille, ſich da in dem verfallenen Palaſt in der Vorſtadt einzuniſten! — Otto, aus ſeinen Ge¬ danken auffahrend, horchte ploͤtzlich auf. — Niſten! fiel der Schnurrbart ein, Turteltauben niſten grade am liebſten in alten Ruinen, da iſt's huͤbſch duͤſter und nachtigallenhaft. Ja mein Lieber, das hatte alles ſeine guten Wege, naͤmlich ſo unter den Baͤumen ſacht fort, die plaudern nichts aus. Konnte man woh! dis¬ kreter handeln, als der Graf? er ließ ihrer Treue ein Hinterpfoͤrtchen offen. Nun, nun, er iſt ein Mann von koſtbaren Erfahrungen, ſie war wenigſtens nicht ſeine prima Donna, und, ich denke, er hatte eben auch keine Solo-Partie bei ihr. — Ein ſchallendes Gelaͤchter erfolgte hier, Otto'n ſchnitt es durch die Seele, ſie ſprachen offenbar von ſeiner wunderſamen Meluſina! Es war ihm, als haͤtten die Geſellen mit ihren ſchmutzigen Reiſeſtiefeln auf einmal einen koͤſt¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/327
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/327>, abgerufen am 22.11.2024.