saß seit alter Zeit ein Todtengerippe, wie ein Wächter zwischen den Steinen, dem der Einsiedler, als er vor¬ hin Tisch und Stühle abräumte, in der Eile des Doc¬ tors Schlafpelz umgehangen. Mitten im Gesange nun sich umwendend, hatte Dryander plötzlich sich selbst zu erblicken geglaubt und so mit größter Behendigkeit die Flucht ergriffen.
Jetzt erfuhr Fortunat auch, daß der Doctor schon seit längerer Zeit in einem angeblichen Bußanfall bei dem Einsiedler sich aufgehalten, der ihm sehr gut war und immer tausend Spaß und Händel hatte mit dem kuriosen Gesellen. Heut noch vor Tagesanbruch aber war Dryander gleichfalls voll Eifer ausgezogen, um Fortunaten aufzusuchen, ohne in seiner Zerstreuung vorher erst die Braut zu betrachten. Unterwegs aber hatte er bald die ganze Geschichte wieder vergessen, und schlenderte wohlgemuth nach dem nächsten Städt¬ chen, wo er sich im Gasthause tüchtig restaurirte. Das gefiel ihm so wohl, daß er unverzüglich einen großen Einkauf an Wein, Braten und Kuchen machte und einen Burschen zum Tragen miethete, der so eben zu allgemeinem Ergötzen aus seinem Korbe den Markt hervorlangte und sich dann ermüdet neben sie ins Gras setzte.
Wer Dryandern genau kannte, konnte bald be¬ merken, daß er sich wieder einmal in jener phantasti¬ schen Faselei befand, wo er sich und Andere überre¬
ſaß ſeit alter Zeit ein Todtengerippe, wie ein Waͤchter zwiſchen den Steinen, dem der Einſiedler, als er vor¬ hin Tiſch und Stuͤhle abraͤumte, in der Eile des Doc¬ tors Schlafpelz umgehangen. Mitten im Geſange nun ſich umwendend, hatte Dryander ploͤtzlich ſich ſelbſt zu erblicken geglaubt und ſo mit groͤßter Behendigkeit die Flucht ergriffen.
Jetzt erfuhr Fortunat auch, daß der Doctor ſchon ſeit laͤngerer Zeit in einem angeblichen Bußanfall bei dem Einſiedler ſich aufgehalten, der ihm ſehr gut war und immer tauſend Spaß und Haͤndel hatte mit dem kurioſen Geſellen. Heut noch vor Tagesanbruch aber war Dryander gleichfalls voll Eifer ausgezogen, um Fortunaten aufzuſuchen, ohne in ſeiner Zerſtreuung vorher erſt die Braut zu betrachten. Unterwegs aber hatte er bald die ganze Geſchichte wieder vergeſſen, und ſchlenderte wohlgemuth nach dem naͤchſten Staͤdt¬ chen, wo er ſich im Gaſthauſe tuͤchtig reſtaurirte. Das gefiel ihm ſo wohl, daß er unverzuͤglich einen großen Einkauf an Wein, Braten und Kuchen machte und einen Burſchen zum Tragen miethete, der ſo eben zu allgemeinem Ergoͤtzen aus ſeinem Korbe den Markt hervorlangte und ſich dann ermuͤdet neben ſie ins Gras ſetzte.
Wer Dryandern genau kannte, konnte bald be¬ merken, daß er ſich wieder einmal in jener phantaſti¬ ſchen Faſelei befand, wo er ſich und Andere uͤberre¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0377"n="370"/>ſaß ſeit alter Zeit ein Todtengerippe, wie ein Waͤchter<lb/>
zwiſchen den Steinen, dem der Einſiedler, als er vor¬<lb/>
hin Tiſch und Stuͤhle abraͤumte, in der Eile des Doc¬<lb/>
tors Schlafpelz umgehangen. Mitten im Geſange<lb/>
nun ſich umwendend, hatte Dryander ploͤtzlich ſich ſelbſt<lb/>
zu erblicken geglaubt und ſo mit groͤßter Behendigkeit<lb/>
die Flucht ergriffen.</p><lb/><p>Jetzt erfuhr Fortunat auch, daß der Doctor ſchon<lb/>ſeit laͤngerer Zeit in einem angeblichen Bußanfall bei<lb/>
dem Einſiedler ſich aufgehalten, der ihm ſehr gut war<lb/>
und immer tauſend Spaß und Haͤndel hatte mit dem<lb/>
kurioſen Geſellen. Heut noch vor Tagesanbruch aber<lb/>
war Dryander gleichfalls voll Eifer ausgezogen, um<lb/>
Fortunaten aufzuſuchen, ohne in ſeiner Zerſtreuung<lb/>
vorher erſt die Braut zu betrachten. Unterwegs aber<lb/>
hatte er bald die ganze Geſchichte wieder vergeſſen,<lb/>
und ſchlenderte wohlgemuth nach dem naͤchſten Staͤdt¬<lb/>
chen, wo er ſich im Gaſthauſe tuͤchtig reſtaurirte. Das<lb/>
gefiel ihm ſo wohl, daß er unverzuͤglich einen großen<lb/>
Einkauf an Wein, Braten und Kuchen machte und<lb/>
einen Burſchen zum Tragen miethete, der ſo eben zu<lb/>
allgemeinem Ergoͤtzen aus ſeinem Korbe den Markt<lb/>
hervorlangte und ſich dann ermuͤdet neben ſie ins Gras<lb/>ſetzte.</p><lb/><p>Wer Dryandern genau kannte, konnte bald be¬<lb/>
merken, daß er ſich wieder einmal in jener phantaſti¬<lb/>ſchen Faſelei befand, wo er ſich und Andere uͤberre¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[370/0377]
ſaß ſeit alter Zeit ein Todtengerippe, wie ein Waͤchter
zwiſchen den Steinen, dem der Einſiedler, als er vor¬
hin Tiſch und Stuͤhle abraͤumte, in der Eile des Doc¬
tors Schlafpelz umgehangen. Mitten im Geſange
nun ſich umwendend, hatte Dryander ploͤtzlich ſich ſelbſt
zu erblicken geglaubt und ſo mit groͤßter Behendigkeit
die Flucht ergriffen.
Jetzt erfuhr Fortunat auch, daß der Doctor ſchon
ſeit laͤngerer Zeit in einem angeblichen Bußanfall bei
dem Einſiedler ſich aufgehalten, der ihm ſehr gut war
und immer tauſend Spaß und Haͤndel hatte mit dem
kurioſen Geſellen. Heut noch vor Tagesanbruch aber
war Dryander gleichfalls voll Eifer ausgezogen, um
Fortunaten aufzuſuchen, ohne in ſeiner Zerſtreuung
vorher erſt die Braut zu betrachten. Unterwegs aber
hatte er bald die ganze Geſchichte wieder vergeſſen,
und ſchlenderte wohlgemuth nach dem naͤchſten Staͤdt¬
chen, wo er ſich im Gaſthauſe tuͤchtig reſtaurirte. Das
gefiel ihm ſo wohl, daß er unverzuͤglich einen großen
Einkauf an Wein, Braten und Kuchen machte und
einen Burſchen zum Tragen miethete, der ſo eben zu
allgemeinem Ergoͤtzen aus ſeinem Korbe den Markt
hervorlangte und ſich dann ermuͤdet neben ſie ins Gras
ſetzte.
Wer Dryandern genau kannte, konnte bald be¬
merken, daß er ſich wieder einmal in jener phantaſti¬
ſchen Faſelei befand, wo er ſich und Andere uͤberre¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/377>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.