Phantasten ablaufen, setzte sich auf seine Brodwissen¬ schaften, heirathete eine gebildete, vernünftige Frau, und Gott hat seinen Ehestand gesegnet. Nun du kannst es ja selber bezeugen -- fuhr sie zu dem Amt¬ mann gewendet fort, empfindlich, daß er ihr gar nicht beistimmte -- der ließ sich zu seiner Hochzeit von den besten Poeten Schäfergedichte machen, Gott weiß, wo die nun selber die Schaafe hüten. -- Hier brach Otto, der bis jetzt sichtbar mit sich selbst kämpfte, plötzlich mit verbissener Bitterkeit und einem höhnischen Stolze los, den niemand dem sanften Jünglinge zugetraut hatte. Lieber Schweine hüten, sagte er, als so Zeit¬ lebens auf der Treckschuite gemeiner Glückseligkeit vom Buttermarkt zum Käsemarkt fahren. Der liebe Gott schafft noch täglich Edelleute und Pöbel, gleichviel, ob sie Adelsdiplome haben, oder nicht. Und ich will ein Herr seyn und bleiben, weil ich's bin, und jene Knechte sollen mich speisen und bedienen, wie es ihnen zukommt! -- Das war der bestürzten Amtmannin zu toll. Unsinniger, aufgeblasener Mensch! rief sie hoch¬ roth vor Zorn; so iß meinetwegen trockenes Brod, wenn du Butter und Käse verachtest! Aber wir wis¬ sen's wohl, wo du die Komödianten-Sprüche gelernt hast. Denke nur nicht, in unser ehrliches Haus ein¬ mal eine Theaterprinzessin heimzuführen, die nicht so viel hat, um die Löcher zu flicken, die sie in ihre Lap¬
Phantaſten ablaufen, ſetzte ſich auf ſeine Brodwiſſen¬ ſchaften, heirathete eine gebildete, vernuͤnftige Frau, und Gott hat ſeinen Eheſtand geſegnet. Nun du kannſt es ja ſelber bezeugen — fuhr ſie zu dem Amt¬ mann gewendet fort, empfindlich, daß er ihr gar nicht beiſtimmte — der ließ ſich zu ſeiner Hochzeit von den beſten Poeten Schaͤfergedichte machen, Gott weiß, wo die nun ſelber die Schaafe huͤten. — Hier brach Otto, der bis jetzt ſichtbar mit ſich ſelbſt kaͤmpfte, ploͤtzlich mit verbiſſener Bitterkeit und einem hoͤhniſchen Stolze los, den niemand dem ſanften Juͤnglinge zugetraut hatte. Lieber Schweine huͤten, ſagte er, als ſo Zeit¬ lebens auf der Treckſchuite gemeiner Gluͤckſeligkeit vom Buttermarkt zum Kaͤſemarkt fahren. Der liebe Gott ſchafft noch taͤglich Edelleute und Poͤbel, gleichviel, ob ſie Adelsdiplome haben, oder nicht. Und ich will ein Herr ſeyn und bleiben, weil ich's bin, und jene Knechte ſollen mich ſpeiſen und bedienen, wie es ihnen zukommt! — Das war der beſtuͤrzten Amtmannin zu toll. Unſinniger, aufgeblaſener Menſch! rief ſie hoch¬ roth vor Zorn; ſo iß meinetwegen trockenes Brod, wenn du Butter und Kaͤſe verachteſt! Aber wir wiſ¬ ſen's wohl, wo du die Komoͤdianten-Spruͤche gelernt haſt. Denke nur nicht, in unſer ehrliches Haus ein¬ mal eine Theaterprinzeſſin heimzufuͤhren, die nicht ſo viel hat, um die Loͤcher zu flicken, die ſie in ihre Lap¬
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Phantaſten ablaufen, ſetzte ſich auf ſeine Brodwiſſen¬
ſchaften, heirathete eine gebildete, vernuͤnftige Frau,
und Gott hat ſeinen Eheſtand geſegnet. Nun du
kannſt es ja ſelber bezeugen — fuhr ſie zu dem Amt¬
mann gewendet fort, empfindlich, daß er ihr gar nicht
beiſtimmte — der ließ ſich zu ſeiner Hochzeit von den
beſten Poeten Schaͤfergedichte machen, Gott weiß, wo
die nun ſelber die Schaafe huͤten. — Hier brach Otto,
der bis jetzt ſichtbar mit ſich ſelbſt kaͤmpfte, ploͤtzlich
mit verbiſſener Bitterkeit und einem hoͤhniſchen Stolze
los, den niemand dem ſanften Juͤnglinge zugetraut
hatte. Lieber Schweine huͤten, ſagte er, als ſo Zeit¬
lebens auf der Treckſchuite gemeiner Gluͤckſeligkeit vom
Buttermarkt zum Kaͤſemarkt fahren. Der liebe Gott
ſchafft noch taͤglich Edelleute und Poͤbel, gleichviel, ob
ſie Adelsdiplome haben, oder nicht. Und ich will ein
Herr ſeyn und bleiben, weil ich's bin, und jene
Knechte ſollen mich ſpeiſen und bedienen, wie es ihnen
zukommt! — Das war der beſtuͤrzten Amtmannin zu
toll. Unſinniger, aufgeblaſener Menſch! rief ſie hoch¬
roth vor Zorn; ſo iß meinetwegen trockenes Brod,
wenn du Butter und Kaͤſe verachteſt! Aber wir wiſ¬
ſen's wohl, wo du die Komoͤdianten-Spruͤche gelernt
haſt. Denke nur nicht, in unſer ehrliches Haus ein¬
mal eine Theaterprinzeſſin heimzufuͤhren, die nicht ſo
viel hat, um die Loͤcher zu flicken, die ſie in ihre Lap¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/51>, abgerufen am 21.11.2024.
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