worren rauschen im Mondschein, und die badenden Nixen wie im Traume singen durch die stille, goldne Nacht -- Sie würden mich ja doch nur für verrückt halten! -- Walter erschrak fast, so irr und fremd leuchteten die Augen des Jünglings im Streiflicht des Mondes. -- Und ich bin es ja auch in der That! fuhr dieser fort, bildete mir da ein, dem Zauberstrom von Klängen unversehrt folgen zu dürfen, und ein Dichter zu sein, der die Zauber regiert! Aber nun weiß ich's besser. Alle Engel, die durch die erste Dämmerung meiner Kindheit zogen, was ich oft be¬ tend heimlich ersehnte, und immer und immer vergeb¬ lich auszusprechen versuchte: ich fand es heut auf ein¬ mal mit freudigem Erschrecken in des Grafen Victors Buch, er hat es kühn, frisch und jung wie eine Zau¬ berinsel entdeckt -- und ich weiß nicht mehr, was ich will. -- Aber es ist noch immer Zeit, ich bin noch jung. Und wie ich das Buch hier vom Berge in den Fluß hinunterschleudere, so entsag' ich von heut ab der fröhlichen Dichtkunst, der Metze! Und gleich den anderen, die ich verachtet und die so unsäglich besser sind als ich, will ich von heut an allein und ganz der Rechtswissenschaft leben, und von den Büchern nicht wieder aufsehen! -- hier brach er plötzlich in Weinen aus und stürzte wie vernichtet an Walters Brust.
Beide neuen Freunde schritten nun durch den stil¬ len Garten, nur eine Nachtigall tönte schluchzend in
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worren rauſchen im Mondſchein, und die badenden Nixen wie im Traume ſingen durch die ſtille, goldne Nacht — Sie wuͤrden mich ja doch nur fuͤr verruͤckt halten! — Walter erſchrak faſt, ſo irr und fremd leuchteten die Augen des Juͤnglings im Streiflicht des Mondes. — Und ich bin es ja auch in der That! fuhr dieſer fort, bildete mir da ein, dem Zauberſtrom von Klaͤngen unverſehrt folgen zu duͤrfen, und ein Dichter zu ſein, der die Zauber regiert! Aber nun weiß ich's beſſer. Alle Engel, die durch die erſte Daͤmmerung meiner Kindheit zogen, was ich oft be¬ tend heimlich erſehnte, und immer und immer vergeb¬ lich auszuſprechen verſuchte: ich fand es heut auf ein¬ mal mit freudigem Erſchrecken in des Grafen Victors Buch, er hat es kuͤhn, friſch und jung wie eine Zau¬ berinſel entdeckt — und ich weiß nicht mehr, was ich will. — Aber es iſt noch immer Zeit, ich bin noch jung. Und wie ich das Buch hier vom Berge in den Fluß hinunterſchleudere, ſo entſag' ich von heut ab der froͤhlichen Dichtkunſt, der Metze! Und gleich den anderen, die ich verachtet und die ſo unſaͤglich beſſer ſind als ich, will ich von heut an allein und ganz der Rechtswiſſenſchaft leben, und von den Buͤchern nicht wieder aufſehen! — hier brach er ploͤtzlich in Weinen aus und ſtuͤrzte wie vernichtet an Walters Bruſt.
Beide neuen Freunde ſchritten nun durch den ſtil¬ len Garten, nur eine Nachtigall toͤnte ſchluchzend in
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worren rauſchen im Mondſchein, und die badenden
Nixen wie im Traume ſingen durch die ſtille, goldne
Nacht — Sie wuͤrden mich ja doch nur fuͤr verruͤckt
halten! — Walter erſchrak faſt, ſo irr und fremd
leuchteten die Augen des Juͤnglings im Streiflicht des
Mondes. — Und ich bin es ja auch in der That!
fuhr dieſer fort, bildete mir da ein, dem Zauberſtrom
von Klaͤngen unverſehrt folgen zu duͤrfen, und ein
Dichter zu ſein, der die Zauber regiert! Aber nun
weiß ich's beſſer. Alle Engel, die durch die erſte
Daͤmmerung meiner Kindheit zogen, was ich oft be¬
tend heimlich erſehnte, und immer und immer vergeb¬
lich auszuſprechen verſuchte: ich fand es heut auf ein¬
mal mit freudigem Erſchrecken in des Grafen Victors
Buch, er hat es kuͤhn, friſch und jung wie eine Zau¬
berinſel entdeckt — und ich weiß nicht mehr, was ich
will. — Aber es iſt noch immer Zeit, ich bin noch
jung. Und wie ich das Buch hier vom Berge in den
Fluß hinunterſchleudere, ſo entſag' ich von heut ab
der froͤhlichen Dichtkunſt, der Metze! Und gleich den
anderen, die ich verachtet und die ſo unſaͤglich beſſer
ſind als ich, will ich von heut an allein und ganz
der Rechtswiſſenſchaft leben, und von den Buͤchern
nicht wieder aufſehen! — hier brach er ploͤtzlich in
Weinen aus und ſtuͤrzte wie vernichtet an Walters Bruſt.
Beide neuen Freunde ſchritten nun durch den ſtil¬
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/56>, abgerufen am 22.11.2024.
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