Concept gebracht und ergriff gerührt die Hand des aufgeregten Jünglings. Ich komme keineswegs, sagte er endlich, um das harte, heftige Wesen der Amt¬ mannin zu vertheidigen, obgleich es auch nur eine an¬ dere, ungeschickte Form der Liebe ist. Das Angedenken meiner eigenen Jugend ist es, was mich herführt, der aufrichtige Schmerz um ein junges heitres Gemüth, das auf diesem Wege sich immer tiefer und tiefer in der blühenden Einsamkeit verirrt und verwildert. Ich kenne diese trostlose Oede junger Seelen gar wohl, das Heimweh ohne Heimath, diese labyrinthische Selbst¬ quälerei. Sie stehn verlassen auf der Welt, ohne Vater und Mutter -- verlangt Sie in dieser Einsam¬ keit nach einem Freunde, und wollen Sie's mit mir versuchen, so biete ich Ihnen meine Hand bis in den Tod, und will rathen, schützen, helfen wo ich kann! -- Otto sah ihn erstaunt an, denn in Walters Worten war jener wunderbare Klang ernster Güte, der über¬ all unmittelbar zum Herzen geht. -- Sie sind im Amte, angesehen, ruhig -- sagte er dann nach einer kurzen Pause. Und wenn ich Ihnen nun auch erzäh¬ len wollte von dem zauberischen Spielmann, der jeden Frühling, wenn der Sonnenschein sich munter über die Felder ausbreitet, aus dem Venusberge kommt mit neuen wunderbaren Liedern, und die Seelen verlockt, von dem in schwüler Mittagsstunde der einsame Vogel¬ sang schallt, von dem die Ströme und Quellen ver¬
Concept gebracht und ergriff geruͤhrt die Hand des aufgeregten Juͤnglings. Ich komme keineswegs, ſagte er endlich, um das harte, heftige Weſen der Amt¬ mannin zu vertheidigen, obgleich es auch nur eine an¬ dere, ungeſchickte Form der Liebe iſt. Das Angedenken meiner eigenen Jugend iſt es, was mich herfuͤhrt, der aufrichtige Schmerz um ein junges heitres Gemuͤth, das auf dieſem Wege ſich immer tiefer und tiefer in der bluͤhenden Einſamkeit verirrt und verwildert. Ich kenne dieſe troſtloſe Oede junger Seelen gar wohl, das Heimweh ohne Heimath, dieſe labyrinthiſche Selbſt¬ quaͤlerei. Sie ſtehn verlaſſen auf der Welt, ohne Vater und Mutter — verlangt Sie in dieſer Einſam¬ keit nach einem Freunde, und wollen Sie's mit mir verſuchen, ſo biete ich Ihnen meine Hand bis in den Tod, und will rathen, ſchuͤtzen, helfen wo ich kann! — Otto ſah ihn erſtaunt an, denn in Walters Worten war jener wunderbare Klang ernſter Guͤte, der uͤber¬ all unmittelbar zum Herzen geht. — Sie ſind im Amte, angeſehen, ruhig — ſagte er dann nach einer kurzen Pauſe. Und wenn ich Ihnen nun auch erzaͤh¬ len wollte von dem zauberiſchen Spielmann, der jeden Fruͤhling, wenn der Sonnenſchein ſich munter uͤber die Felder ausbreitet, aus dem Venusberge kommt mit neuen wunderbaren Liedern, und die Seelen verlockt, von dem in ſchwuͤler Mittagsſtunde der einſame Vogel¬ ſang ſchallt, von dem die Stroͤme und Quellen ver¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0055"n="48"/>
Concept gebracht und ergriff geruͤhrt die Hand des<lb/>
aufgeregten Juͤnglings. Ich komme keineswegs, ſagte<lb/>
er endlich, um das harte, heftige Weſen der Amt¬<lb/>
mannin zu vertheidigen, obgleich es auch nur eine an¬<lb/>
dere, ungeſchickte Form der Liebe iſt. Das Angedenken<lb/>
meiner eigenen Jugend iſt es, was mich herfuͤhrt, der<lb/>
aufrichtige Schmerz um ein junges heitres Gemuͤth,<lb/>
das auf dieſem Wege ſich immer tiefer und tiefer in<lb/>
der bluͤhenden Einſamkeit verirrt und verwildert. Ich<lb/>
kenne dieſe troſtloſe Oede junger Seelen gar wohl,<lb/>
das Heimweh ohne Heimath, dieſe labyrinthiſche Selbſt¬<lb/>
quaͤlerei. Sie ſtehn verlaſſen auf der Welt, ohne<lb/>
Vater und Mutter — verlangt Sie in dieſer Einſam¬<lb/>
keit nach einem Freunde, und wollen Sie's mit mir<lb/>
verſuchen, ſo biete ich Ihnen meine Hand bis in den<lb/>
Tod, und will rathen, ſchuͤtzen, helfen wo ich kann! —<lb/>
Otto ſah ihn erſtaunt an, denn in Walters Worten<lb/>
war jener wunderbare Klang ernſter Guͤte, der uͤber¬<lb/>
all unmittelbar zum Herzen geht. — Sie ſind im<lb/>
Amte, angeſehen, ruhig —ſagte er dann nach einer<lb/>
kurzen Pauſe. Und wenn ich Ihnen nun auch erzaͤh¬<lb/>
len wollte von dem zauberiſchen Spielmann, der jeden<lb/>
Fruͤhling, wenn der Sonnenſchein ſich munter uͤber die<lb/>
Felder ausbreitet, aus dem Venusberge kommt mit<lb/>
neuen wunderbaren Liedern, und die Seelen verlockt,<lb/>
von dem in ſchwuͤler Mittagsſtunde der einſame Vogel¬<lb/>ſang ſchallt, von dem die Stroͤme und Quellen ver¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[48/0055]
Concept gebracht und ergriff geruͤhrt die Hand des
aufgeregten Juͤnglings. Ich komme keineswegs, ſagte
er endlich, um das harte, heftige Weſen der Amt¬
mannin zu vertheidigen, obgleich es auch nur eine an¬
dere, ungeſchickte Form der Liebe iſt. Das Angedenken
meiner eigenen Jugend iſt es, was mich herfuͤhrt, der
aufrichtige Schmerz um ein junges heitres Gemuͤth,
das auf dieſem Wege ſich immer tiefer und tiefer in
der bluͤhenden Einſamkeit verirrt und verwildert. Ich
kenne dieſe troſtloſe Oede junger Seelen gar wohl,
das Heimweh ohne Heimath, dieſe labyrinthiſche Selbſt¬
quaͤlerei. Sie ſtehn verlaſſen auf der Welt, ohne
Vater und Mutter — verlangt Sie in dieſer Einſam¬
keit nach einem Freunde, und wollen Sie's mit mir
verſuchen, ſo biete ich Ihnen meine Hand bis in den
Tod, und will rathen, ſchuͤtzen, helfen wo ich kann! —
Otto ſah ihn erſtaunt an, denn in Walters Worten
war jener wunderbare Klang ernſter Guͤte, der uͤber¬
all unmittelbar zum Herzen geht. — Sie ſind im
Amte, angeſehen, ruhig — ſagte er dann nach einer
kurzen Pauſe. Und wenn ich Ihnen nun auch erzaͤh¬
len wollte von dem zauberiſchen Spielmann, der jeden
Fruͤhling, wenn der Sonnenſchein ſich munter uͤber die
Felder ausbreitet, aus dem Venusberge kommt mit
neuen wunderbaren Liedern, und die Seelen verlockt,
von dem in ſchwuͤler Mittagsſtunde der einſame Vogel¬
ſang ſchallt, von dem die Stroͤme und Quellen ver¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/55>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.