Die Männer antworteten gar nicht darauf, die Da¬ me mit dem Regenschirm aber fragte: ob er vielleicht auch ein Künstler sey und es so gut haben wolle wie sie? O, setzte sie spitzig nach ihrer Nachbarin gewen¬ det hinzu, Liebhaberrollen sind hier jederzeit zu haben. -- Bitte sehr, erwiederte die Nachbarin mit einer wohl¬ klingenden Stimme, bei Ihnen ist ja diese Stelle seit geraumer Zeit vakant. -- Ein plötzlicher Blitz beleuch¬ tete hier auf einen Augenblick ein schönes, feines, aber bleiches Gesichtchen, über welches zu beiden Seiten lange schwarze Haare triefend herabhingen. -- Mein Gott, was ist das für eine Wirthschaft um das bis¬ chen Regen! rief einer der jungen Männer aus, quamquam sint sub aqua, sub aqua maledicere tentant! -- Sparen Sie doch ihr Latein, sagte die Dame mit dem Schirm, Sie memoriren wohl eben den Bettelstudenten? Sie wollte noch mehr sprechen, aber der Litteratus fiel schnell in das Lied wieder ein, das Fortunat schon vorhin von fern gehört hatte, und übersang sie lustig:
Frei von Mammon will ich schreiten Auf dem Feld der Wissenschaft, Sinne ernst und nehm' zu Zeiten Einen Mund voll Rebensaft.
Bin ich müde vom Studieren, Wann der Mond tritt sanft herfür, Pfleg' ich dann zu musiziren Vor der Allerschönsten Thür.
Die Maͤnner antworteten gar nicht darauf, die Da¬ me mit dem Regenſchirm aber fragte: ob er vielleicht auch ein Kuͤnſtler ſey und es ſo gut haben wolle wie ſie? O, ſetzte ſie ſpitzig nach ihrer Nachbarin gewen¬ det hinzu, Liebhaberrollen ſind hier jederzeit zu haben. — Bitte ſehr, erwiederte die Nachbarin mit einer wohl¬ klingenden Stimme, bei Ihnen iſt ja dieſe Stelle ſeit geraumer Zeit vakant. — Ein ploͤtzlicher Blitz beleuch¬ tete hier auf einen Augenblick ein ſchoͤnes, feines, aber bleiches Geſichtchen, uͤber welches zu beiden Seiten lange ſchwarze Haare triefend herabhingen. — Mein Gott, was ist das fuͤr eine Wirthſchaft um das bis¬ chen Regen! rief einer der jungen Maͤnner aus, quamquam sint sub aqua, sub aqua maledicere tentant! — Sparen Sie doch ihr Latein, ſagte die Dame mit dem Schirm, Sie memoriren wohl eben den Bettelſtudenten? Sie wollte noch mehr ſprechen, aber der Litteratus fiel ſchnell in das Lied wieder ein, das Fortunat ſchon vorhin von fern gehoͤrt hatte, und uͤberſang ſie luſtig:
Frei von Mammon will ich ſchreiten Auf dem Feld der Wiſſenſchaft, Sinne ernſt und nehm’ zu Zeiten Einen Mund voll Rebenſaft.
Bin ich muͤde vom Studieren, Wann der Mond tritt ſanft herfuͤr, Pfleg’ ich dann zu muſiziren Vor der Allerſchoͤnſten Thuͤr.
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Die Maͤnner antworteten gar nicht darauf, die Da¬
me mit dem Regenſchirm aber fragte: ob er vielleicht
auch ein Kuͤnſtler ſey und es ſo gut haben wolle wie
ſie? O, ſetzte ſie ſpitzig nach ihrer Nachbarin gewen¬
det hinzu, Liebhaberrollen ſind hier jederzeit zu haben. —
Bitte ſehr, erwiederte die Nachbarin mit einer wohl¬
klingenden Stimme, bei Ihnen iſt ja dieſe Stelle ſeit
geraumer Zeit vakant. — Ein ploͤtzlicher Blitz beleuch¬
tete hier auf einen Augenblick ein ſchoͤnes, feines, aber
bleiches Geſichtchen, uͤber welches zu beiden Seiten
lange ſchwarze Haare triefend herabhingen. — Mein
Gott, was ist das fuͤr eine Wirthſchaft um das bis¬
chen Regen! rief einer der jungen Maͤnner aus,
quamquam sint sub aqua, sub aqua maledicere
tentant! — Sparen Sie doch ihr Latein, ſagte die
Dame mit dem Schirm, Sie memoriren wohl eben
den Bettelſtudenten? Sie wollte noch mehr ſprechen,
aber der Litteratus fiel ſchnell in das Lied wieder ein,
das Fortunat ſchon vorhin von fern gehoͤrt hatte, und
uͤberſang ſie luſtig:
Frei von Mammon will ich ſchreiten
Auf dem Feld der Wiſſenſchaft,
Sinne ernſt und nehm’ zu Zeiten
Einen Mund voll Rebenſaft.
Bin ich muͤde vom Studieren,
Wann der Mond tritt ſanft herfuͤr,
Pfleg’ ich dann zu muſiziren
Vor der Allerſchoͤnſten Thuͤr.
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/69>, abgerufen am 22.11.2024.
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