fremde Herr hier in den Bergen? fragte er rasch den Führer, -- da ist so ein Kerl im Frack, der schlüpft schon die ganze Zeit über von Strauch zu Strauch, sieht sich manchmal nach euch um, und flieht dann von neuem vor eurem Singsang und Geschnatter, wie ein Hase auf der Klapperjagd. -- Das ist gewiß der Doctor, erwiederte der Führer lachend, der kam ein¬ mal mitten in einem Platzregen ins Dorf, wie vom Himmel gehagelt. Die Gegend gefiel ihm, es war grade ein Haus droben leer, da wohnt er seitdem da¬ rin, eine alte Frau aus dem Dorfe besorgt ihm das Essen. Am Abend aber, wenn die jungen Burschen und Mädchen vor den Hausthüren sitzen, kommt er auch herab, und sie müssen ihm Lieder singen und Mährchen erzählen, da hat er schon manche Maul¬ schelle bekommen, wenn er die Mädchen heimlich in die Arme kniff. Aber es ist ihm nicht zu trauen, fuhr der Führer fort, er hat droben kuriose Bücher, da ist kein christlicher Buchstabe drinn, lauter Circumflexe, wie wenn eine Spinne über's Blatt gelaufen wäre, und so oft er aus den Büchern murmelt, zieht sich an den Bergkoppen ein Wetter zusammen, dann hört man ihn drinnen im Hause laut sprechen und schimpfen, und ist doch kein Mensch bei ihm.
In demselben Augenblick erblickten sie auch den Zauberer selbst in der Ferne, wie er so eben hastig den Berg hinanklomm, daß die Steine hinter ihm
fremde Herr hier in den Bergen? fragte er raſch den Fuͤhrer, — da iſt ſo ein Kerl im Frack, der ſchluͤpft ſchon die ganze Zeit uͤber von Strauch zu Strauch, ſieht ſich manchmal nach euch um, und flieht dann von neuem vor eurem Singſang und Geſchnatter, wie ein Haſe auf der Klapperjagd. — Das iſt gewiß der Doctor, erwiederte der Fuͤhrer lachend, der kam ein¬ mal mitten in einem Platzregen ins Dorf, wie vom Himmel gehagelt. Die Gegend gefiel ihm, es war grade ein Haus droben leer, da wohnt er ſeitdem da¬ rin, eine alte Frau aus dem Dorfe beſorgt ihm das Eſſen. Am Abend aber, wenn die jungen Burſchen und Maͤdchen vor den Hausthuͤren ſitzen, kommt er auch herab, und ſie muͤſſen ihm Lieder ſingen und Maͤhrchen erzaͤhlen, da hat er ſchon manche Maul¬ ſchelle bekommen, wenn er die Maͤdchen heimlich in die Arme kniff. Aber es iſt ihm nicht zu trauen, fuhr der Fuͤhrer fort, er hat droben kurioſe Buͤcher, da iſt kein chriſtlicher Buchſtabe drinn, lauter Circumflexe, wie wenn eine Spinne uͤber's Blatt gelaufen waͤre, und ſo oft er aus den Buͤchern murmelt, zieht ſich an den Bergkoppen ein Wetter zuſammen, dann hoͤrt man ihn drinnen im Hauſe laut ſprechen und ſchimpfen, und iſt doch kein Menſch bei ihm.
In demſelben Augenblick erblickten ſie auch den Zauberer ſelbſt in der Ferne, wie er ſo eben haſtig den Berg hinanklomm, daß die Steine hinter ihm
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0085"n="78"/>
fremde Herr hier in den Bergen? fragte er raſch den<lb/>
Fuͤhrer, — da iſt ſo ein Kerl im Frack, der ſchluͤpft<lb/>ſchon die ganze Zeit uͤber von Strauch zu Strauch,<lb/>ſieht ſich manchmal nach euch um, und flieht dann<lb/>
von neuem vor eurem Singſang und Geſchnatter, wie<lb/>
ein Haſe auf der Klapperjagd. — Das iſt gewiß der<lb/>
Doctor, erwiederte der Fuͤhrer lachend, der kam ein¬<lb/>
mal mitten in einem Platzregen ins Dorf, wie vom<lb/>
Himmel gehagelt. Die Gegend gefiel ihm, es war<lb/>
grade ein Haus droben leer, da wohnt er ſeitdem da¬<lb/>
rin, eine alte Frau aus dem Dorfe beſorgt ihm das<lb/>
Eſſen. Am Abend aber, wenn die jungen Burſchen<lb/>
und Maͤdchen vor den Hausthuͤren ſitzen, kommt er<lb/>
auch herab, und ſie muͤſſen ihm Lieder ſingen und<lb/>
Maͤhrchen erzaͤhlen, da hat er ſchon manche Maul¬<lb/>ſchelle bekommen, wenn er die Maͤdchen heimlich in<lb/>
die Arme kniff. Aber es iſt ihm nicht zu trauen, fuhr<lb/>
der Fuͤhrer fort, er hat droben kurioſe Buͤcher, da iſt<lb/>
kein chriſtlicher Buchſtabe drinn, lauter Circumflexe,<lb/>
wie wenn eine Spinne uͤber's Blatt gelaufen waͤre,<lb/>
und ſo oft er aus den Buͤchern murmelt, zieht ſich an<lb/>
den Bergkoppen ein Wetter zuſammen, dann hoͤrt man<lb/>
ihn drinnen im Hauſe laut ſprechen und ſchimpfen,<lb/>
und iſt doch kein Menſch bei ihm.</p><lb/><p>In demſelben Augenblick erblickten ſie auch den<lb/>
Zauberer ſelbſt in der Ferne, wie er ſo eben haſtig<lb/>
den Berg hinanklomm, daß die Steine hinter ihm<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[78/0085]
fremde Herr hier in den Bergen? fragte er raſch den
Fuͤhrer, — da iſt ſo ein Kerl im Frack, der ſchluͤpft
ſchon die ganze Zeit uͤber von Strauch zu Strauch,
ſieht ſich manchmal nach euch um, und flieht dann
von neuem vor eurem Singſang und Geſchnatter, wie
ein Haſe auf der Klapperjagd. — Das iſt gewiß der
Doctor, erwiederte der Fuͤhrer lachend, der kam ein¬
mal mitten in einem Platzregen ins Dorf, wie vom
Himmel gehagelt. Die Gegend gefiel ihm, es war
grade ein Haus droben leer, da wohnt er ſeitdem da¬
rin, eine alte Frau aus dem Dorfe beſorgt ihm das
Eſſen. Am Abend aber, wenn die jungen Burſchen
und Maͤdchen vor den Hausthuͤren ſitzen, kommt er
auch herab, und ſie muͤſſen ihm Lieder ſingen und
Maͤhrchen erzaͤhlen, da hat er ſchon manche Maul¬
ſchelle bekommen, wenn er die Maͤdchen heimlich in
die Arme kniff. Aber es iſt ihm nicht zu trauen, fuhr
der Fuͤhrer fort, er hat droben kurioſe Buͤcher, da iſt
kein chriſtlicher Buchſtabe drinn, lauter Circumflexe,
wie wenn eine Spinne uͤber's Blatt gelaufen waͤre,
und ſo oft er aus den Buͤchern murmelt, zieht ſich an
den Bergkoppen ein Wetter zuſammen, dann hoͤrt man
ihn drinnen im Hauſe laut ſprechen und ſchimpfen,
und iſt doch kein Menſch bei ihm.
In demſelben Augenblick erblickten ſie auch den
Zauberer ſelbſt in der Ferne, wie er ſo eben haſtig
den Berg hinanklomm, daß die Steine hinter ihm
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/85>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.