herabkollerten. -- Den muß ich doch sprechen! rief Lothario, dem Fliehenden sogleich rasch nachsetzend. Fortunat und noch einige andere von der Gesellschaft schlossen sich neugierig an.
So verfolgten sie rasch die Spur des Fremden, der unterdeß schon den Gipfel des nächsten Hügels er¬ reicht hatte; nur seine Rockschöße sahen sie noch manch¬ mal zwischen den Gebüschen fliegen, bis sie ihn zuletzt ganz aus den Augen verloren. Nach mühsamem Um¬ herirren gelangten sie endlich an ein halbverfallenes, rings von hohem Unkraut umgebenes Haus, dessen Thüren und Fenster festverschlossen waren. -- Da ist er gewiß hineingeschlüpft, sagte Lothario und klopfte an die alte Thür. Es erfolgte keine Antwort, aber im Innern des Hauses hörten sie ein gewaltiges Ge¬ polter, als würden Tisch und Bänke hastig an die Thüre geschoben. Lothario pochte von neuem, stärker und immer stärker. Da flog plötzlich oben eine Dach¬ luke auf, und mit zornblitzenden Augen erschien in der Oeffnung ein kleiner lebhafter Mann, in dem Fortu¬ nat zu seinem Erstaunen sogleich den nächtlichen, selt¬ samen Geiger aus dem Weinkeller in Walters Städt¬ chen wieder erkannte. -- Doctor! -- Dryander! rie¬ fen die Schauspieler überrascht aus.
Was wollt ihr? fuhr sie der Musicus von oben sehr heftig an. Denkt ihr, ich werde aus den frischen Berglüften zu eurem dicken Lampendunst hinabkommen
herabkollerten. — Den muß ich doch ſprechen! rief Lothario, dem Fliehenden ſogleich raſch nachſetzend. Fortunat und noch einige andere von der Geſellſchaft ſchloſſen ſich neugierig an.
So verfolgten ſie raſch die Spur des Fremden, der unterdeß ſchon den Gipfel des naͤchſten Huͤgels er¬ reicht hatte; nur ſeine Rockſchoͤße ſahen ſie noch manch¬ mal zwiſchen den Gebuͤſchen fliegen, bis ſie ihn zuletzt ganz aus den Augen verloren. Nach muͤhſamem Um¬ herirren gelangten ſie endlich an ein halbverfallenes, rings von hohem Unkraut umgebenes Haus, deſſen Thuͤren und Fenſter feſtverſchloſſen waren. — Da iſt er gewiß hineingeſchluͤpft, ſagte Lothario und klopfte an die alte Thuͤr. Es erfolgte keine Antwort, aber im Innern des Hauſes hoͤrten ſie ein gewaltiges Ge¬ polter, als wuͤrden Tiſch und Baͤnke haſtig an die Thuͤre geſchoben. Lothario pochte von neuem, ſtaͤrker und immer ſtaͤrker. Da flog ploͤtzlich oben eine Dach¬ luke auf, und mit zornblitzenden Augen erſchien in der Oeffnung ein kleiner lebhafter Mann, in dem Fortu¬ nat zu ſeinem Erſtaunen ſogleich den naͤchtlichen, ſelt¬ ſamen Geiger aus dem Weinkeller in Walters Staͤdt¬ chen wieder erkannte. — Doctor! — Dryander! rie¬ fen die Schauſpieler uͤberraſcht aus.
Was wollt ihr? fuhr ſie der Muſicus von oben ſehr heftig an. Denkt ihr, ich werde aus den friſchen Bergluͤften zu eurem dicken Lampendunſt hinabkommen
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herabkollerten. — Den muß ich doch ſprechen! rief
Lothario, dem Fliehenden ſogleich raſch nachſetzend.
Fortunat und noch einige andere von der Geſellſchaft
ſchloſſen ſich neugierig an.
So verfolgten ſie raſch die Spur des Fremden,
der unterdeß ſchon den Gipfel des naͤchſten Huͤgels er¬
reicht hatte; nur ſeine Rockſchoͤße ſahen ſie noch manch¬
mal zwiſchen den Gebuͤſchen fliegen, bis ſie ihn zuletzt
ganz aus den Augen verloren. Nach muͤhſamem Um¬
herirren gelangten ſie endlich an ein halbverfallenes,
rings von hohem Unkraut umgebenes Haus, deſſen
Thuͤren und Fenſter feſtverſchloſſen waren. — Da iſt
er gewiß hineingeſchluͤpft, ſagte Lothario und klopfte
an die alte Thuͤr. Es erfolgte keine Antwort, aber
im Innern des Hauſes hoͤrten ſie ein gewaltiges Ge¬
polter, als wuͤrden Tiſch und Baͤnke haſtig an die
Thuͤre geſchoben. Lothario pochte von neuem, ſtaͤrker
und immer ſtaͤrker. Da flog ploͤtzlich oben eine Dach¬
luke auf, und mit zornblitzenden Augen erſchien in der
Oeffnung ein kleiner lebhafter Mann, in dem Fortu¬
nat zu ſeinem Erſtaunen ſogleich den naͤchtlichen, ſelt¬
ſamen Geiger aus dem Weinkeller in Walters Staͤdt¬
chen wieder erkannte. — Doctor! — Dryander! rie¬
fen die Schauſpieler uͤberraſcht aus.
Was wollt ihr? fuhr ſie der Muſicus von oben
ſehr heftig an. Denkt ihr, ich werde aus den friſchen
Bergluͤften zu eurem dicken Lampendunſt hinabkommen
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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/86>, abgerufen am 22.11.2024.
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