Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.An die Meisten. 1810. Ist denn alles ganz vergebens? Freiheit, Ruhm und treue Sitte, Ritterbild des alten Lebens, Zog im Lied durch eure Mitte Hohnverlacht als Don Quixote; Euch deckt Schlaf mit plumper Pfote, Und die Ehre ist euch Zote. Ob sich Kampf erneut', vergliche, Ob sich roh Gebirgsvolk raufe, Sucht der Klüg're Weg' und Schliche, Wie er nur sein Haus erlaufe. Ruhet, stützet nur und haltet! Untersinkt, was ihr gestaltet, Wenn der Mutterboden spaltet. Wie so lustig, ihr Poeten, An den blumenreichen Hagen In dem Abendgold zu flöten, Quellen, Nymphen nachzujagen! Wenn erst muth'ge Schüsse fallen, Von den schönen Wiederhallen Laßt ihr zart Sonnette schallen. Wohlfeil Ruhm sich zu erringen,
Jeder ängstlich schreibt und treibet; Keinem möcht' das Herz zerspringen, Glaubt sich selbst nicht, was er schreibet. An die Meiſten. 1810. Iſt denn alles ganz vergebens? Freiheit, Ruhm und treue Sitte, Ritterbild des alten Lebens, Zog im Lied durch eure Mitte Hohnverlacht als Don Quixote; Euch deckt Schlaf mit plumper Pfote, Und die Ehre iſt euch Zote. Ob ſich Kampf erneut', vergliche, Ob ſich roh Gebirgsvolk raufe, Sucht der Kluͤg're Weg' und Schliche, Wie er nur ſein Haus erlaufe. Ruhet, ſtuͤtzet nur und haltet! Unterſinkt, was ihr geſtaltet, Wenn der Mutterboden ſpaltet. Wie ſo luſtig, ihr Poeten, An den blumenreichen Hagen In dem Abendgold zu floͤten, Quellen, Nymphen nachzujagen! Wenn erſt muth'ge Schuͤſſe fallen, Von den ſchoͤnen Wiederhallen Laßt ihr zart Sonnette ſchallen. Wohlfeil Ruhm ſich zu erringen,
Jeder aͤngſtlich ſchreibt und treibet; Keinem moͤcht' das Herz zerſpringen, Glaubt ſich ſelbſt nicht, was er ſchreibet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0177" n="159"/> </div> <div n="2"> <head><hi rendition="#b">An die Meiſten.</hi><lb/> 1810.<lb/></head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">I</hi>ſt denn alles ganz vergebens?</l><lb/> <l>Freiheit, Ruhm und treue Sitte,</l><lb/> <l>Ritterbild des alten Lebens,</l><lb/> <l>Zog im Lied durch eure Mitte</l><lb/> <l>Hohnverlacht als Don Quixote;</l><lb/> <l>Euch deckt Schlaf mit plumper Pfote,</l><lb/> <l>Und die Ehre iſt euch Zote.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Ob ſich Kampf erneut', vergliche,</l><lb/> <l>Ob ſich roh Gebirgsvolk raufe,</l><lb/> <l>Sucht der Kluͤg're Weg' und Schliche,</l><lb/> <l>Wie er nur ſein Haus erlaufe.</l><lb/> <l>Ruhet, ſtuͤtzet nur und haltet!</l><lb/> <l>Unterſinkt, was ihr geſtaltet,</l><lb/> <l>Wenn der Mutterboden ſpaltet.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Wie ſo luſtig, ihr Poeten,</l><lb/> <l>An den blumenreichen Hagen</l><lb/> <l>In dem Abendgold zu floͤten,</l><lb/> <l>Quellen, Nymphen nachzujagen!</l><lb/> <l>Wenn erſt muth'ge Schuͤſſe fallen,</l><lb/> <l>Von den ſchoͤnen Wiederhallen</l><lb/> <l>Laßt ihr zart Sonnette ſchallen.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Wohlfeil Ruhm ſich zu erringen,</l><lb/> <l>Jeder aͤngſtlich ſchreibt und treibet;</l><lb/> <l>Keinem moͤcht' das Herz zerſpringen,</l><lb/> <l>Glaubt ſich ſelbſt nicht, was er ſchreibet.</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0177]
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Iſt denn alles ganz vergebens?
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Zog im Lied durch eure Mitte
Hohnverlacht als Don Quixote;
Euch deckt Schlaf mit plumper Pfote,
Und die Ehre iſt euch Zote.
Ob ſich Kampf erneut', vergliche,
Ob ſich roh Gebirgsvolk raufe,
Sucht der Kluͤg're Weg' und Schliche,
Wie er nur ſein Haus erlaufe.
Ruhet, ſtuͤtzet nur und haltet!
Unterſinkt, was ihr geſtaltet,
Wenn der Mutterboden ſpaltet.
Wie ſo luſtig, ihr Poeten,
An den blumenreichen Hagen
In dem Abendgold zu floͤten,
Quellen, Nymphen nachzujagen!
Wenn erſt muth'ge Schuͤſſe fallen,
Von den ſchoͤnen Wiederhallen
Laßt ihr zart Sonnette ſchallen.
Wohlfeil Ruhm ſich zu erringen,
Jeder aͤngſtlich ſchreibt und treibet;
Keinem moͤcht' das Herz zerſpringen,
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