Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Die ernsthafte Fastnacht 1814. Wohl vor Wittenberg auf den Schanzen Sind der edlen Werber viel, Wollen da zur Fastnacht tanzen Ein gar seltsam Ritterspiel. Und die Stadt vom Felsen droben Spiegelt sich im Sonnenschein, Wie ein Jungfräulein erhoben -- Jeder will ihr Bräut'gam sein. Jäger! laßt die Hörner klingen Durch den Morgen kalt und blank! Wohl, sie läßt sich noch bezwingen, Hört sie alten deutschen Klang. Drauf sie einen Reiter schnelle Senden, der so fröhlich schaut, Der bläßt seinen Gruß so helle, Wirbt da um die stolze Braut. "Sieh, wir werben lang' verstohlen Schon um Dich in Noth und Tod, Komm! sonst wollen wir Dich holen, Wann der Mond scheint blutigroth!" Bleich schon fallen Abendlichter --
Und der Reiter bläßt nur zu, Nacht schon webt sich dicht und dichter -- Doch das Thor bleibt immer zu. Die ernſthafte Faſtnacht 1814. Wohl vor Wittenberg auf den Schanzen Sind der edlen Werber viel, Wollen da zur Faſtnacht tanzen Ein gar ſeltſam Ritterſpiel. Und die Stadt vom Felſen droben Spiegelt ſich im Sonnenſchein, Wie ein Jungfraͤulein erhoben — Jeder will ihr Braͤut'gam ſein. Jaͤger! laßt die Hoͤrner klingen Durch den Morgen kalt und blank! Wohl, ſie laͤßt ſich noch bezwingen, Hoͤrt ſie alten deutſchen Klang. Drauf ſie einen Reiter ſchnelle Senden, der ſo froͤhlich ſchaut, Der blaͤßt ſeinen Gruß ſo helle, Wirbt da um die ſtolze Braut. „Sieh, wir werben lang' verſtohlen Schon um Dich in Noth und Tod, Komm! ſonſt wollen wir Dich holen, Wann der Mond ſcheint blutigroth!“ Bleich ſchon fallen Abendlichter —
Und der Reiter blaͤßt nur zu, Nacht ſchon webt ſich dicht und dichter — Doch das Thor bleibt immer zu. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0196" n="178"/> </div> <div n="2"> <head><hi rendition="#b">Die ernſthafte Faſtnacht</hi> 1814.<lb/></head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">W</hi>ohl vor Wittenberg auf den Schanzen</l><lb/> <l>Sind der edlen Werber viel,</l><lb/> <l>Wollen da zur Faſtnacht tanzen</l><lb/> <l>Ein gar ſeltſam Ritterſpiel.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Und die Stadt vom Felſen droben</l><lb/> <l>Spiegelt ſich im Sonnenſchein,</l><lb/> <l>Wie ein Jungfraͤulein erhoben —</l><lb/> <l>Jeder will ihr Braͤut'gam ſein.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Jaͤger! laßt die Hoͤrner klingen</l><lb/> <l>Durch den Morgen kalt und blank!</l><lb/> <l>Wohl, ſie laͤßt ſich noch bezwingen,</l><lb/> <l>Hoͤrt ſie alten deutſchen Klang.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Drauf ſie einen Reiter ſchnelle</l><lb/> <l>Senden, der ſo froͤhlich ſchaut,</l><lb/> <l>Der blaͤßt ſeinen Gruß ſo helle,</l><lb/> <l>Wirbt da um die ſtolze Braut.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>„Sieh, wir werben lang' verſtohlen</l><lb/> <l>Schon um Dich in Noth und Tod,</l><lb/> <l>Komm! ſonſt wollen wir Dich holen,</l><lb/> <l>Wann der Mond ſcheint blutigroth!“</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Bleich ſchon fallen Abendlichter —</l><lb/> <l>Und der Reiter blaͤßt nur zu,</l><lb/> <l>Nacht ſchon webt ſich dicht und dichter —</l><lb/> <l>Doch das Thor bleibt immer zu.</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0196]
Die ernſthafte Faſtnacht 1814.
Wohl vor Wittenberg auf den Schanzen
Sind der edlen Werber viel,
Wollen da zur Faſtnacht tanzen
Ein gar ſeltſam Ritterſpiel.
Und die Stadt vom Felſen droben
Spiegelt ſich im Sonnenſchein,
Wie ein Jungfraͤulein erhoben —
Jeder will ihr Braͤut'gam ſein.
Jaͤger! laßt die Hoͤrner klingen
Durch den Morgen kalt und blank!
Wohl, ſie laͤßt ſich noch bezwingen,
Hoͤrt ſie alten deutſchen Klang.
Drauf ſie einen Reiter ſchnelle
Senden, der ſo froͤhlich ſchaut,
Der blaͤßt ſeinen Gruß ſo helle,
Wirbt da um die ſtolze Braut.
„Sieh, wir werben lang' verſtohlen
Schon um Dich in Noth und Tod,
Komm! ſonſt wollen wir Dich holen,
Wann der Mond ſcheint blutigroth!“
Bleich ſchon fallen Abendlichter —
Und der Reiter blaͤßt nur zu,
Nacht ſchon webt ſich dicht und dichter —
Doch das Thor bleibt immer zu.
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