Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Der Nachtvogel. Liegt der Tag rings auf der Lauer, Blickt so schlau auf Lust und Trauer: Kann ich kaum mich selbst verstehen. Laß die Lauscher schlafen gehen! Nur ein Stündchen unbewacht Laß' in der verschwiegenen Nacht Mich in Deine Augen sehen Wie in stillen Mondenschein. In dem Park an der Rotunde, Wenn es dunkelt, harr' ich Dein. Still und fromm ja will ich sein. Liebste, ach nur Eine Stunde! -- Sieh' mir nicht so böse drein! Willst Du nie Dein Schweigen brechen, Ewig stumm, wie Blumen, sein: O so laß mich das Versprechen Pflücken Dir vom stillen Munde: Liebste, ach nur Eine Stunde! In dem Park, an der Rotunde, Wenn es dunkelt, harr' ich Dein. Coda. Und kann ich nicht sein Mit Dir zu zwei'n, So will ich, allein, Der Schwermuth mich weih'n! Der Nachtvogel. Liegt der Tag rings auf der Lauer, Blickt ſo ſchlau auf Luſt und Trauer: Kann ich kaum mich ſelbſt verſtehen. Laß die Lauſcher ſchlafen gehen! Nur ein Stuͤndchen unbewacht Laß' in der verſchwiegenen Nacht Mich in Deine Augen ſehen Wie in ſtillen Mondenſchein. In dem Park an der Rotunde, Wenn es dunkelt, harr' ich Dein. Still und fromm ja will ich ſein. Liebſte, ach nur Eine Stunde! — Sieh' mir nicht ſo boͤſe drein! Willſt Du nie Dein Schweigen brechen, Ewig ſtumm, wie Blumen, ſein: O ſo laß mich das Verſprechen Pfluͤcken Dir vom ſtillen Munde: Liebſte, ach nur Eine Stunde! In dem Park, an der Rotunde, Wenn es dunkelt, harr' ich Dein. Coda. Und kann ich nicht ſein Mit Dir zu zwei'n, So will ich, allein, Der Schwermuth mich weih'n! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0280" n="262"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #g">Der Nachtvogel</hi> <hi rendition="#b">.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">L</hi>iegt der Tag rings auf der Lauer,</l><lb/> <l>Blickt ſo ſchlau auf Luſt und Trauer:</l><lb/> <l>Kann ich kaum mich ſelbſt verſtehen.</l><lb/> <l>Laß die Lauſcher ſchlafen gehen!</l><lb/> <l>Nur ein Stuͤndchen unbewacht</l><lb/> <l>Laß' in der verſchwiegenen Nacht</l><lb/> <l>Mich in Deine Augen ſehen</l><lb/> <l>Wie in ſtillen Mondenſchein.</l><lb/> <l>In dem Park an der Rotunde,</l><lb/> <l>Wenn es dunkelt, harr' ich Dein.</l><lb/> <l>Still und fromm ja will ich ſein.</l><lb/> <l>Liebſte, ach nur Eine Stunde! —</l><lb/> <l>Sieh' mir nicht ſo boͤſe drein!</l><lb/> <l>Willſt Du nie Dein Schweigen brechen,</l><lb/> <l>Ewig ſtumm, wie Blumen, ſein:</l><lb/> <l>O ſo laß mich das Verſprechen</l><lb/> <l>Pfluͤcken Dir vom ſtillen Munde:</l><lb/> <l>Liebſte, ach nur Eine Stunde!</l><lb/> <l>In dem Park, an der Rotunde,</l><lb/> <l>Wenn es dunkelt, harr' ich Dein.</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p> <hi rendition="#b #g">Coda</hi> <hi rendition="#b">.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <l>Und kann ich nicht ſein</l><lb/> <l>Mit Dir zu zwei'n,</l><lb/> <l>So will ich, allein,</l><lb/> <l>Der Schwermuth mich weih'n!</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [262/0280]
Der Nachtvogel.
Liegt der Tag rings auf der Lauer,
Blickt ſo ſchlau auf Luſt und Trauer:
Kann ich kaum mich ſelbſt verſtehen.
Laß die Lauſcher ſchlafen gehen!
Nur ein Stuͤndchen unbewacht
Laß' in der verſchwiegenen Nacht
Mich in Deine Augen ſehen
Wie in ſtillen Mondenſchein.
In dem Park an der Rotunde,
Wenn es dunkelt, harr' ich Dein.
Still und fromm ja will ich ſein.
Liebſte, ach nur Eine Stunde! —
Sieh' mir nicht ſo boͤſe drein!
Willſt Du nie Dein Schweigen brechen,
Ewig ſtumm, wie Blumen, ſein:
O ſo laß mich das Verſprechen
Pfluͤcken Dir vom ſtillen Munde:
Liebſte, ach nur Eine Stunde!
In dem Park, an der Rotunde,
Wenn es dunkelt, harr' ich Dein.
Coda.
Und kann ich nicht ſein
Mit Dir zu zwei'n,
So will ich, allein,
Der Schwermuth mich weih'n!
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