Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.War's niemals da, als rief die Eine, Deine? Lockt' Dich kein Weh, kein brünstiges Verlangen Nach andrer Zeit, die lange schon vergangen, Auf ewig einzugeh'n in grüne Scheine? Gebirge dunkelblau steigt aus der Ferne, Und von den Gipfeln führt des Bundes Bogen Als Brücke weit in unbekannte Lande. Geheimnißvoll geh'n oben gold'ne Sterne, Unten erbraust viel Land in dunk'len Wogen -- Was zögerst Du am unbekannten Rande? X. Es wendet zürnend sich von mir die Eine, Versenkt die Ferne mit den Wunderlichtern. Es stockt der Tanz -- ich stehe plötzlich nüchtern, Musik läßt treulos mich so ganz alleine. Da spricht der Abgrund dunkel: Bist nun meine; Zieht mich hinab an bleiernen Gewichtern, Sieht stumm mich an aus steinernen Gesichtern, Das Herz wird selber zum krystall'nen Steine. Dann ist's als ob es dürstend Schmerzen sauge Aus lang vergess'ner Zeit Erinnerungen, Und kann sich rühren nicht, von Frost bezwungen. Versteinert schweigen muß der Wehmuth Welle, Wie willig auch, schmölz' ihn ein wärmend Auge, Krystall zerfließen wollt' als Thränenquelle. War's niemals da, als rief die Eine, Deine? Lockt' Dich kein Weh, kein bruͤnſtiges Verlangen Nach andrer Zeit, die lange ſchon vergangen, Auf ewig einzugeh'n in gruͤne Scheine? Gebirge dunkelblau ſteigt aus der Ferne, Und von den Gipfeln fuͤhrt des Bundes Bogen Als Bruͤcke weit in unbekannte Lande. Geheimnißvoll geh'n oben gold'ne Sterne, Unten erbraust viel Land in dunk'len Wogen — Was zoͤgerſt Du am unbekannten Rande? X. Es wendet zuͤrnend ſich von mir die Eine, Verſenkt die Ferne mit den Wunderlichtern. Es ſtockt der Tanz — ich ſtehe ploͤtzlich nuͤchtern, Muſik laͤßt treulos mich ſo ganz alleine. Da ſpricht der Abgrund dunkel: Biſt nun meine; Zieht mich hinab an bleiernen Gewichtern, Sieht ſtumm mich an aus ſteinernen Geſichtern, Das Herz wird ſelber zum kryſtall'nen Steine. Dann iſt's als ob es duͤrſtend Schmerzen ſauge Aus lang vergeſſ'ner Zeit Erinnerungen, Und kann ſich ruͤhren nicht, von Froſt bezwungen. Verſteinert ſchweigen muß der Wehmuth Welle, Wie willig auch, ſchmoͤlz' ihn ein waͤrmend Auge, Kryſtall zerfließen wollt' als Thraͤnenquelle. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg> <pb facs="#f0365" n="347"/> <lg type="poem"> <l>War's niemals da, als rief die Eine, Deine?</l><lb/> <l>Lockt' Dich kein Weh, kein bruͤnſtiges Verlangen</l><lb/> <l>Nach andrer Zeit, die lange ſchon vergangen,</l><lb/> <l>Auf ewig einzugeh'n in gruͤne Scheine?</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Gebirge dunkelblau ſteigt aus der Ferne,</l><lb/> <l>Und von den Gipfeln fuͤhrt des Bundes Bogen</l><lb/> <l>Als Bruͤcke weit in unbekannte Lande.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Geheimnißvoll geh'n oben gold'ne Sterne,</l><lb/> <l>Unten erbraust viel Land in dunk'len Wogen —</l><lb/> <l>Was zoͤgerſt Du am unbekannten Rande?</l><lb/> </lg> </lg> <lg> <head><hi rendition="#aq">X</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <l>Es wendet zuͤrnend ſich von mir die Eine,</l><lb/> <l>Verſenkt die Ferne mit den Wunderlichtern.</l><lb/> <l>Es ſtockt der Tanz — ich ſtehe ploͤtzlich nuͤchtern,</l><lb/> <l>Muſik laͤßt treulos mich ſo ganz alleine.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Da ſpricht der Abgrund dunkel: Biſt nun meine;</l><lb/> <l>Zieht mich hinab an bleiernen Gewichtern,</l><lb/> <l>Sieht ſtumm mich an aus ſteinernen Geſichtern,</l><lb/> <l>Das Herz wird ſelber zum kryſtall'nen Steine.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Dann iſt's als ob es duͤrſtend Schmerzen ſauge</l><lb/> <l>Aus lang vergeſſ'ner Zeit Erinnerungen,</l><lb/> <l>Und kann ſich ruͤhren nicht, von Froſt bezwungen.</l><lb/> </lg> <lg type="poem"> <l>Verſteinert ſchweigen muß der Wehmuth Welle,</l><lb/> <l>Wie willig auch, ſchmoͤlz' ihn ein waͤrmend Auge,</l><lb/> <l>Kryſtall zerfließen wollt' als Thraͤnenquelle.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [347/0365]
War's niemals da, als rief die Eine, Deine?
Lockt' Dich kein Weh, kein bruͤnſtiges Verlangen
Nach andrer Zeit, die lange ſchon vergangen,
Auf ewig einzugeh'n in gruͤne Scheine?
Gebirge dunkelblau ſteigt aus der Ferne,
Und von den Gipfeln fuͤhrt des Bundes Bogen
Als Bruͤcke weit in unbekannte Lande.
Geheimnißvoll geh'n oben gold'ne Sterne,
Unten erbraust viel Land in dunk'len Wogen —
Was zoͤgerſt Du am unbekannten Rande?
X.
Es wendet zuͤrnend ſich von mir die Eine,
Verſenkt die Ferne mit den Wunderlichtern.
Es ſtockt der Tanz — ich ſtehe ploͤtzlich nuͤchtern,
Muſik laͤßt treulos mich ſo ganz alleine.
Da ſpricht der Abgrund dunkel: Biſt nun meine;
Zieht mich hinab an bleiernen Gewichtern,
Sieht ſtumm mich an aus ſteinernen Geſichtern,
Das Herz wird ſelber zum kryſtall'nen Steine.
Dann iſt's als ob es duͤrſtend Schmerzen ſauge
Aus lang vergeſſ'ner Zeit Erinnerungen,
Und kann ſich ruͤhren nicht, von Froſt bezwungen.
Verſteinert ſchweigen muß der Wehmuth Welle,
Wie willig auch, ſchmoͤlz' ihn ein waͤrmend Auge,
Kryſtall zerfließen wollt' als Thraͤnenquelle.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |