Und wie sie so grauenvoll klagte, Klopft's draußen an's Fensterlein, Ein Mann aus der Finsterniß ragte, Schaut still in die Stube herein.
Die Haare wild umgehangen, Von blutigen Tropfen naß, Zwei blutige Streifen sich schlangen, Wie Kränzlein, um's Antlitz blaß.
Er grüßt' sie so fürchterlich heiter, Er heißt sie sein' liebliche Braut, Da kannt' sie mit Schaudern den Reiter, Fällt nieder auf ihre Knie.
Er zielt' mit dem Rohre durch's Gitter, Auf die schneeweiße Brust hin; "Ach, wie ist das Sterben so bitter, Erbarm' dich, weil ich so jung noch bin!" --
Stumm blieb sein steinerner Wille, Es blitzte so rosenroth, Da wurd' es auf einmal stille Im Walde und Haus und Hof. --
Frühmorgens da lag so schaurig Verfallen im Walde das Haus, Ein Waldvöglein sang so traurig, Flog fort über den See hinaus.
Und wie ſie ſo grauenvoll klagte, Klopft's draußen an's Fenſterlein, Ein Mann aus der Finſterniß ragte, Schaut ſtill in die Stube herein.
Die Haare wild umgehangen, Von blutigen Tropfen naß, Zwei blutige Streifen ſich ſchlangen, Wie Kraͤnzlein, um's Antlitz blaß.
Er gruͤßt' ſie ſo fuͤrchterlich heiter, Er heißt ſie ſein' liebliche Braut, Da kannt' ſie mit Schaudern den Reiter, Faͤllt nieder auf ihre Knie.
Er zielt' mit dem Rohre durch's Gitter, Auf die ſchneeweiße Bruſt hin; „Ach, wie iſt das Sterben ſo bitter, Erbarm' dich, weil ich ſo jung noch bin!“ —
Stumm blieb ſein ſteinerner Wille, Es blitzte ſo roſenroth, Da wurd' es auf einmal ſtille Im Walde und Haus und Hof. —
Fruͤhmorgens da lag ſo ſchaurig Verfallen im Walde das Haus, Ein Waldvoͤglein ſang ſo traurig, Flog fort uͤber den See hinaus.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0460"n="442"/><lgtype="poem"><l>Und wie ſie ſo grauenvoll klagte,</l><lb/><l>Klopft's draußen an's Fenſterlein,</l><lb/><l>Ein Mann aus der Finſterniß ragte,</l><lb/><l>Schaut ſtill in die Stube herein.</l><lb/></lg><lgtype="poem"><l>Die Haare wild umgehangen,</l><lb/><l>Von blutigen Tropfen naß,</l><lb/><l>Zwei blutige Streifen ſich ſchlangen,</l><lb/><l>Wie Kraͤnzlein, um's Antlitz blaß.</l><lb/></lg><lgtype="poem"><l>Er gruͤßt' ſie ſo fuͤrchterlich heiter,</l><lb/><l>Er heißt ſie ſein' liebliche Braut,</l><lb/><l>Da kannt' ſie mit Schaudern den Reiter,</l><lb/><l>Faͤllt nieder auf ihre Knie.</l><lb/></lg><lgtype="poem"><l>Er zielt' mit dem Rohre durch's Gitter,</l><lb/><l>Auf die ſchneeweiße Bruſt hin;</l><lb/><l>„Ach, wie iſt das Sterben ſo bitter,</l><lb/><l>Erbarm' dich, weil ich ſo jung noch bin!“—</l><lb/></lg><lgtype="poem"><l>Stumm blieb ſein ſteinerner Wille,</l><lb/><l>Es blitzte ſo roſenroth,</l><lb/><l>Da wurd' es auf einmal ſtille</l><lb/><l>Im Walde und Haus und Hof. —</l><lb/></lg><lgtype="poem"><l>Fruͤhmorgens da lag ſo ſchaurig</l><lb/><l>Verfallen im Walde das Haus,</l><lb/><l>Ein Waldvoͤglein ſang ſo traurig,</l><lb/><l>Flog fort uͤber den See hinaus.</l><lb/></lg><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[442/0460]
Und wie ſie ſo grauenvoll klagte,
Klopft's draußen an's Fenſterlein,
Ein Mann aus der Finſterniß ragte,
Schaut ſtill in die Stube herein.
Die Haare wild umgehangen,
Von blutigen Tropfen naß,
Zwei blutige Streifen ſich ſchlangen,
Wie Kraͤnzlein, um's Antlitz blaß.
Er gruͤßt' ſie ſo fuͤrchterlich heiter,
Er heißt ſie ſein' liebliche Braut,
Da kannt' ſie mit Schaudern den Reiter,
Faͤllt nieder auf ihre Knie.
Er zielt' mit dem Rohre durch's Gitter,
Auf die ſchneeweiße Bruſt hin;
„Ach, wie iſt das Sterben ſo bitter,
Erbarm' dich, weil ich ſo jung noch bin!“ —
Stumm blieb ſein ſteinerner Wille,
Es blitzte ſo roſenroth,
Da wurd' es auf einmal ſtille
Im Walde und Haus und Hof. —
Fruͤhmorgens da lag ſo ſchaurig
Verfallen im Walde das Haus,
Ein Waldvoͤglein ſang ſo traurig,
Flog fort uͤber den See hinaus.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/460>, abgerufen am 18.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.