Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
Die stille Gemeine.
Von Bretagne's Hügeln, die das Meer
Blühend hell umsäumen,
Schaute ein Kirchlein trostreich her
Zwischen uralten Bäumen.
Das Kornfeld und die Wälder weit
Rauschten im Sonntagsglanze,
Doch keine Glocken klangen heut
Vom grünen Felsenkranze.
Denn auf des Kirchhof's schatt'gem Grund
Die Jakobiner saßen,
Ihre Pferde alle Blumen bunt
Von den Grabeshügeln fraßen.
Am Kreuze auf der stillen Höh
Feldflasch' und Säbel hingen,
Derweil sie, statt des Kyrie,
Die Marseillaise singen.
Ihr Hauptmann aber lehnt' am Baum,
Todtmüde von schweren Wunden,
Und schaute wie im Fiebertraum
Nach dem tiefschwülen Grunde.
Er sprach verwirrt: "Da drüben stand
Des Vaters Schloß am Weiher,
Ich selbst steckt's an; das war ein Brand,
Der Freiheit Freudenfeuer!"
Die ſtille Gemeine.
Von Bretagne's Huͤgeln, die das Meer
Bluͤhend hell umſaͤumen,
Schaute ein Kirchlein troſtreich her
Zwiſchen uralten Baͤumen.
Das Kornfeld und die Waͤlder weit
Rauſchten im Sonntagsglanze,
Doch keine Glocken klangen heut
Vom gruͤnen Felſenkranze.
Denn auf des Kirchhof's ſchatt'gem Grund
Die Jakobiner ſaßen,
Ihre Pferde alle Blumen bunt
Von den Grabeshuͤgeln fraßen.
Am Kreuze auf der ſtillen Hoͤh
Feldflaſch' und Saͤbel hingen,
Derweil ſie, ſtatt des Kyrie,
Die Marſeillaiſe ſingen.
Ihr Hauptmann aber lehnt' am Baum,
Todtmuͤde von ſchweren Wunden,
Und ſchaute wie im Fiebertraum
Nach dem tiefſchwuͤlen Grunde.
Er ſprach verwirrt: „Da druͤben ſtand
Des Vaters Schloß am Weiher,
Ich ſelbſt ſteckt's an; das war ein Brand,
Der Freiheit Freudenfeuer!“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0472" n="454"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die &#x017F;tille Gemeine.</hi><lb/>
          </head>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">V</hi>on Bretagne's Hu&#x0364;geln, die das Meer</l><lb/>
            <l>Blu&#x0364;hend hell um&#x017F;a&#x0364;umen,</l><lb/>
            <l>Schaute ein Kirchlein tro&#x017F;treich her</l><lb/>
            <l>Zwi&#x017F;chen uralten Ba&#x0364;umen.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Das Kornfeld und die Wa&#x0364;lder weit</l><lb/>
            <l>Rau&#x017F;chten im Sonntagsglanze,</l><lb/>
            <l>Doch keine Glocken klangen heut</l><lb/>
            <l>Vom gru&#x0364;nen Fel&#x017F;enkranze.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Denn auf des Kirchhof's &#x017F;chatt'gem Grund</l><lb/>
            <l>Die Jakobiner &#x017F;aßen,</l><lb/>
            <l>Ihre Pferde alle Blumen bunt</l><lb/>
            <l>Von den Grabeshu&#x0364;geln fraßen.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Am Kreuze auf der &#x017F;tillen Ho&#x0364;h</l><lb/>
            <l>Feldfla&#x017F;ch' und Sa&#x0364;bel hingen,</l><lb/>
            <l>Derweil &#x017F;ie, &#x017F;tatt des Kyrie,</l><lb/>
            <l>Die Mar&#x017F;eillai&#x017F;e &#x017F;ingen.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Ihr Hauptmann aber lehnt' am Baum,</l><lb/>
            <l>Todtmu&#x0364;de von &#x017F;chweren Wunden,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;chaute wie im Fiebertraum</l><lb/>
            <l>Nach dem tief&#x017F;chwu&#x0364;len Grunde.</l><lb/>
          </lg>
          <lg type="poem">
            <l>Er &#x017F;prach verwirrt: &#x201E;Da dru&#x0364;ben &#x017F;tand</l><lb/>
            <l>Des Vaters Schloß am Weiher,</l><lb/>
            <l>Ich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;teckt's an; das war ein Brand,</l><lb/>
            <l>Der Freiheit Freudenfeuer!&#x201C;</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[454/0472] Die ſtille Gemeine. Von Bretagne's Huͤgeln, die das Meer Bluͤhend hell umſaͤumen, Schaute ein Kirchlein troſtreich her Zwiſchen uralten Baͤumen. Das Kornfeld und die Waͤlder weit Rauſchten im Sonntagsglanze, Doch keine Glocken klangen heut Vom gruͤnen Felſenkranze. Denn auf des Kirchhof's ſchatt'gem Grund Die Jakobiner ſaßen, Ihre Pferde alle Blumen bunt Von den Grabeshuͤgeln fraßen. Am Kreuze auf der ſtillen Hoͤh Feldflaſch' und Saͤbel hingen, Derweil ſie, ſtatt des Kyrie, Die Marſeillaiſe ſingen. Ihr Hauptmann aber lehnt' am Baum, Todtmuͤde von ſchweren Wunden, Und ſchaute wie im Fiebertraum Nach dem tiefſchwuͤlen Grunde. Er ſprach verwirrt: „Da druͤben ſtand Des Vaters Schloß am Weiher, Ich ſelbſt ſteckt's an; das war ein Brand, Der Freiheit Freudenfeuer!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/472
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_gedichte_1837/472>, abgerufen am 22.11.2024.