Eichendorff, Joseph von: Gedichte. Berlin, 1837.Eine Hochzeit fährt da unten Auf dem Rhein im Sonnenscheine, Musikanten spielen munter, Und die schöne Braut die weinet. IX. Jahrmarkt. Sind's die Häuser, sind's die Gassen? Ach, ich weiß nicht, wo ich bin! Hab' ein Liebchen hier gelassen, Und manch Jahr ging seitdem hin. Aus den Fenstern schöne Frauen Sehn mir freundlich in's Gesicht, Keine kann so frischlich schauen, Als mein liebes Liebchen sicht. An dem Hause poch' ich bange -- Doch die Fenster stehen leer, Ausgezogen ist sie lange, Und es kennt mich keiner mehr. Und ringsum ein Rufen, Handeln, Schmucke Waaren, bunter Schein, Herr'n und Damen gehn und wandeln Zwischendurch in bunten Reih'n. Zierlich Bücken, freundlich Blicken,
Manches flücht'ge Liebeswort, Händedrücken, heimlich Nicken -- Nimmt sie all' der Strom mit fort. Eine Hochzeit faͤhrt da unten Auf dem Rhein im Sonnenſcheine, Muſikanten ſpielen munter, Und die ſchoͤne Braut die weinet. IX. Jahrmarkt. Sind's die Haͤuſer, ſind's die Gaſſen? Ach, ich weiß nicht, wo ich bin! Hab' ein Liebchen hier gelaſſen, Und manch Jahr ging ſeitdem hin. Aus den Fenſtern ſchoͤne Frauen Sehn mir freundlich in's Geſicht, Keine kann ſo friſchlich ſchauen, Als mein liebes Liebchen ſicht. An dem Hauſe poch' ich bange — Doch die Fenſter ſtehen leer, Ausgezogen iſt ſie lange, Und es kennt mich keiner mehr. Und ringsum ein Rufen, Handeln, Schmucke Waaren, bunter Schein, Herr'n und Damen gehn und wandeln Zwiſchendurch in bunten Reih'n. Zierlich Buͤcken, freundlich Blicken,
Manches fluͤcht'ge Liebeswort, Haͤndedruͤcken, heimlich Nicken — Nimmt ſie all' der Strom mit fort. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0050" n="32"/> <lg n="4"> <l>Eine Hochzeit faͤhrt da unten</l><lb/> <l>Auf dem Rhein im Sonnenſcheine,</l><lb/> <l>Muſikanten ſpielen munter,</l><lb/> <l>Und die ſchoͤne Braut die weinet.</l><lb/> </lg> </lg> </div> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq #b">IX</hi>.<lb/><hi rendition="#b #g">Jahrmarkt</hi><hi rendition="#b">.</hi><lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Sind's die Haͤuſer, ſind's die Gaſſen?</l><lb/> <l>Ach, ich weiß nicht, wo ich bin!</l><lb/> <l>Hab' ein Liebchen hier gelaſſen,</l><lb/> <l>Und manch Jahr ging ſeitdem hin.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Aus den Fenſtern ſchoͤne Frauen</l><lb/> <l>Sehn mir freundlich in's Geſicht,</l><lb/> <l>Keine kann ſo friſchlich ſchauen,</l><lb/> <l>Als mein liebes Liebchen ſicht.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>An dem Hauſe poch' ich bange —</l><lb/> <l>Doch die Fenſter ſtehen leer,</l><lb/> <l>Ausgezogen iſt ſie lange,</l><lb/> <l>Und es kennt mich keiner mehr.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Und ringsum ein Rufen, Handeln,</l><lb/> <l>Schmucke Waaren, bunter Schein,</l><lb/> <l>Herr'n und Damen gehn und wandeln</l><lb/> <l>Zwiſchendurch in bunten Reih'n.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Zierlich Buͤcken, freundlich Blicken,</l><lb/> <l>Manches fluͤcht'ge Liebeswort,</l><lb/> <l>Haͤndedruͤcken, heimlich Nicken —</l><lb/> <l>Nimmt ſie all' der Strom mit fort.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0050]
Eine Hochzeit faͤhrt da unten
Auf dem Rhein im Sonnenſcheine,
Muſikanten ſpielen munter,
Und die ſchoͤne Braut die weinet.
IX.
Jahrmarkt.
Sind's die Haͤuſer, ſind's die Gaſſen?
Ach, ich weiß nicht, wo ich bin!
Hab' ein Liebchen hier gelaſſen,
Und manch Jahr ging ſeitdem hin.
Aus den Fenſtern ſchoͤne Frauen
Sehn mir freundlich in's Geſicht,
Keine kann ſo friſchlich ſchauen,
Als mein liebes Liebchen ſicht.
An dem Hauſe poch' ich bange —
Doch die Fenſter ſtehen leer,
Ausgezogen iſt ſie lange,
Und es kennt mich keiner mehr.
Und ringsum ein Rufen, Handeln,
Schmucke Waaren, bunter Schein,
Herr'n und Damen gehn und wandeln
Zwiſchendurch in bunten Reih'n.
Zierlich Buͤcken, freundlich Blicken,
Manches fluͤcht'ge Liebeswort,
Haͤndedruͤcken, heimlich Nicken —
Nimmt ſie all' der Strom mit fort.
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