Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.mehr gewußt hätte; "man sagt, es wäre schon eine mehr gewußt haͤtte; „man ſagt, es waͤre ſchon eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0130" n="120"/> mehr gewußt haͤtte; „man ſagt, es waͤre ſchon eine<lb/> alte, heimliche Liebſchaft geweſen, die Graͤfin haͤtte es<lb/> aber niemals zugeben wollen.“ Der Geiſtliche ant¬<lb/> wortete nur mit: „Hm, hm,!“ waͤhrend er ſeinen<lb/> Jagdbecher vollſchenkte, und mit bedenklichen Mienen<lb/> daraus nippte. Ich aber hatte mich mit beiden Armen<lb/> weit uͤber den Tiſch vorgelegt, um die Unterredung<lb/> recht genau anzuhoͤren. Der geiſtliche Herr bemerkte<lb/> es. „Ich kann's Euch wohl ſagen,“ hub er wieder an,<lb/> „die beiden Graͤfinnen haben mich auf Kundſchaft aus¬<lb/> geſchickt, ob der Braͤutigam ſchon vielleicht hier in der<lb/> Gegend ſey. Eine Dame aus Rom hat geſchrieben,<lb/> daß er ſchon lange von dort fort ſey. —“ Wie er von<lb/> der Dame aus Rom anfing, wurd' ich wieder roth.<lb/> „Kennen denn Ew. Hochwuͤrden den Braͤutigam?“<lb/> fragte ich ganz verwirrt. — „Nein,“ erwiederte der<lb/> alte Herr, „aber er ſoll ein luftiger Vogel ſein.“ —<lb/> „O ja,“ ſagte ich haſtig, „ein Vogel, der aus jeden Kaͤ¬<lb/> fig ausreißt, ſobald er nur kann, und luſtig ſingt, wenn<lb/> er wieder in der Freiheit iſt.“ — „Und ſich in der<lb/> Fremde herumtreibt,“ fuhr der Herr gelaſſen fort, „in<lb/> der Nacht paßatim geht, und am Tage vor den Haus¬<lb/> thuͤren ſchlaͤft.“ — Mich verdroß das ſehr. „Ehrwuͤr¬<lb/> diger Herr,“ rief ich ganz hitzig aus, „da hat man<lb/> Euch falſch berichtet. Der Braͤutigam iſt ein morali¬<lb/> ſcher, ſchlanker, hoffnungsvoller Juͤngling, der in Ita¬<lb/> lien in einem alten Schloße auf großen Fuß gelebt<lb/> hat, der mit lauter Graͤfinnen, beruͤhmten Malern und<lb/> Kammerjungfern umgegangen iſt, der ſein Geld ſehr<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0130]
mehr gewußt haͤtte; „man ſagt, es waͤre ſchon eine
alte, heimliche Liebſchaft geweſen, die Graͤfin haͤtte es
aber niemals zugeben wollen.“ Der Geiſtliche ant¬
wortete nur mit: „Hm, hm,!“ waͤhrend er ſeinen
Jagdbecher vollſchenkte, und mit bedenklichen Mienen
daraus nippte. Ich aber hatte mich mit beiden Armen
weit uͤber den Tiſch vorgelegt, um die Unterredung
recht genau anzuhoͤren. Der geiſtliche Herr bemerkte
es. „Ich kann's Euch wohl ſagen,“ hub er wieder an,
„die beiden Graͤfinnen haben mich auf Kundſchaft aus¬
geſchickt, ob der Braͤutigam ſchon vielleicht hier in der
Gegend ſey. Eine Dame aus Rom hat geſchrieben,
daß er ſchon lange von dort fort ſey. —“ Wie er von
der Dame aus Rom anfing, wurd' ich wieder roth.
„Kennen denn Ew. Hochwuͤrden den Braͤutigam?“
fragte ich ganz verwirrt. — „Nein,“ erwiederte der
alte Herr, „aber er ſoll ein luftiger Vogel ſein.“ —
„O ja,“ ſagte ich haſtig, „ein Vogel, der aus jeden Kaͤ¬
fig ausreißt, ſobald er nur kann, und luſtig ſingt, wenn
er wieder in der Freiheit iſt.“ — „Und ſich in der
Fremde herumtreibt,“ fuhr der Herr gelaſſen fort, „in
der Nacht paßatim geht, und am Tage vor den Haus¬
thuͤren ſchlaͤft.“ — Mich verdroß das ſehr. „Ehrwuͤr¬
diger Herr,“ rief ich ganz hitzig aus, „da hat man
Euch falſch berichtet. Der Braͤutigam iſt ein morali¬
ſcher, ſchlanker, hoffnungsvoller Juͤngling, der in Ita¬
lien in einem alten Schloße auf großen Fuß gelebt
hat, der mit lauter Graͤfinnen, beruͤhmten Malern und
Kammerjungfern umgegangen iſt, der ſein Geld ſehr
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