Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.müsse er vor Wehmuth untergehn. Das Schiff neigte Er sprang von seinem Bett und öffnete das Fen¬ Zwischen den Rebengeländern hinaus sah er den Wie kühl schweift sich's bei nächt'ger Stunde,
Die Zitter treulich in der Hand! Vom Hügel grüß ich in die Runde Den Himmel und das stille Land. muͤſſe er vor Wehmuth untergehn. Das Schiff neigte Er ſprang von ſeinem Bett und oͤffnete das Fen¬ Zwiſchen den Rebengelaͤndern hinaus ſah er den Wie kuͤhl ſchweift ſich's bei naͤcht'ger Stunde,
Die Zitter treulich in der Hand! Vom Huͤgel gruͤß ich in die Runde Den Himmel und das ſtille Land. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0163" n="153"/> muͤſſe er vor Wehmuth untergehn. Das Schiff neigte<lb/> ſich unmerklich und ſank langſam immer tiefer und<lb/> tiefer. — Da wachte er erſchrocken auf.</p><lb/> <p>Er ſprang von ſeinem Bett und oͤffnete das Fen¬<lb/> ſter. Das Haus lag am Ausgange der Stadt, er uͤber¬<lb/> ſah einen weiten ſtillen Kreis von Huͤgeln, Gaͤrten und<lb/> Thaͤlern, vom Monde klar beſchienen. Auch da draußen<lb/> war es uͤberall in den Baͤumen und Stroͤmen noch<lb/> wie im Verhallen und Nachhallen der vergangenen<lb/> Luſt, als ſaͤnge die ganze Gegend leiſe, gleich den Si¬<lb/> renen, die er im Schlummer gehoͤrt. Da konnte er<lb/> der Verſuchung nicht widerſtehen. Er ergriff die<lb/> Guitarre, die Fortunato bei ihm zuruͤckgelaſſen, ver¬<lb/> ließ das Zimmer und ging leiſe durch das ruhige Haus<lb/> hinab. Die Thuͤre unten war nur angelehnt, ein Die¬<lb/> ner lag eingeſchlafen auf der Schwelle. So kam er<lb/> unbemerkt ins Freie und wandelte froͤhlich zwiſchen<lb/> Weingaͤrten durch leere Alleen an ſchlummernden Huͤt¬<lb/> ten voruͤber immer weiter fort.</p><lb/> <p>Zwiſchen den Rebengelaͤndern hinaus ſah er den<lb/> Fluß im Thale; viele weißglaͤnzende Schloͤſſer, hin und<lb/> wieder zerſtreut, ruhten wie eingeſchlafne Schwaͤne un¬<lb/> ten in dem Meer von Stille. Da ſang er mit froͤh¬<lb/> licher Stimme:</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wie kuͤhl ſchweift ſich's bei naͤcht'ger Stunde,</l><lb/> <l>Die Zitter treulich in der Hand!</l><lb/> <l>Vom Huͤgel gruͤß ich in die Runde</l><lb/> <l>Den Himmel und das ſtille Land.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [153/0163]
muͤſſe er vor Wehmuth untergehn. Das Schiff neigte
ſich unmerklich und ſank langſam immer tiefer und
tiefer. — Da wachte er erſchrocken auf.
Er ſprang von ſeinem Bett und oͤffnete das Fen¬
ſter. Das Haus lag am Ausgange der Stadt, er uͤber¬
ſah einen weiten ſtillen Kreis von Huͤgeln, Gaͤrten und
Thaͤlern, vom Monde klar beſchienen. Auch da draußen
war es uͤberall in den Baͤumen und Stroͤmen noch
wie im Verhallen und Nachhallen der vergangenen
Luſt, als ſaͤnge die ganze Gegend leiſe, gleich den Si¬
renen, die er im Schlummer gehoͤrt. Da konnte er
der Verſuchung nicht widerſtehen. Er ergriff die
Guitarre, die Fortunato bei ihm zuruͤckgelaſſen, ver¬
ließ das Zimmer und ging leiſe durch das ruhige Haus
hinab. Die Thuͤre unten war nur angelehnt, ein Die¬
ner lag eingeſchlafen auf der Schwelle. So kam er
unbemerkt ins Freie und wandelte froͤhlich zwiſchen
Weingaͤrten durch leere Alleen an ſchlummernden Huͤt¬
ten voruͤber immer weiter fort.
Zwiſchen den Rebengelaͤndern hinaus ſah er den
Fluß im Thale; viele weißglaͤnzende Schloͤſſer, hin und
wieder zerſtreut, ruhten wie eingeſchlafne Schwaͤne un¬
ten in dem Meer von Stille. Da ſang er mit froͤh¬
licher Stimme:
Wie kuͤhl ſchweift ſich's bei naͤcht'ger Stunde,
Die Zitter treulich in der Hand!
Vom Huͤgel gruͤß ich in die Runde
Den Himmel und das ſtille Land.
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