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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

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Wie ist da alles so verwandelt,
Wo ich so fröhlich war, im Thal.
Im Wald wie still! der Mond nur wandelt
Nun durch den hohen Buchensaal.
Der Winzer Jauchzen ist verklungen
Und all der bunte Lebenslauf,
Die Ströme nur, im Thal geschlungen,
Sie blicken manchmal silbern auf.
Und Nachtigallen wie aus Träumen
Erwachen oft mit süßem Schall,
Erinnernd rührt sich in den Bäumen,
Ein heimlich Flüstern überall. --
Die Freude kann nicht gleich verklingen,
Und von des Tages Glanz und Lust
Ist so auch mir ein heimlich Singen
Geblieben in der tiefsten Brust.
Und fröhlich greif ich in die Saiten,
O Mädchen jenseits über'm Fluß,
Du lauschest wohl und hörst's von weiten
Und kennst den Sänger an dem Gruß!

Er mußte über sich selber lachen, da er am Ende
nicht wußte, wem er das Ständchen brachte. Denn
die reizende Kleine mit dem Blumenkranze war es
lange nicht mehr, die er eigentlich meinte. Die Mu¬
sik bei den Zelten, den Traum auf seinem Zimmer
und sein, die Klänge und den Traum und die zierliche
Erscheinung des Mädchens nachträumendes Herz hatte
ihr Bild unmerklich und wundersam verwandelt in

Wie iſt da alles ſo verwandelt,
Wo ich ſo froͤhlich war, im Thal.
Im Wald wie ſtill! der Mond nur wandelt
Nun durch den hohen Buchenſaal.
Der Winzer Jauchzen iſt verklungen
Und all der bunte Lebenslauf,
Die Stroͤme nur, im Thal geſchlungen,
Sie blicken manchmal ſilbern auf.
Und Nachtigallen wie aus Traͤumen
Erwachen oft mit ſuͤßem Schall,
Erinnernd ruͤhrt ſich in den Baͤumen,
Ein heimlich Fluͤſtern uͤberall. —
Die Freude kann nicht gleich verklingen,
Und von des Tages Glanz und Luſt
Iſt ſo auch mir ein heimlich Singen
Geblieben in der tiefſten Bruſt.
Und froͤhlich greif ich in die Saiten,
O Maͤdchen jenſeits uͤber'm Fluß,
Du lauſcheſt wohl und hoͤrſt's von weiten
Und kennſt den Saͤnger an dem Gruß!

Er mußte uͤber ſich ſelber lachen, da er am Ende
nicht wußte, wem er das Staͤndchen brachte. Denn
die reizende Kleine mit dem Blumenkranze war es
lange nicht mehr, die er eigentlich meinte. Die Mu¬
ſik bei den Zelten, den Traum auf ſeinem Zimmer
und ſein, die Klaͤnge und den Traum und die zierliche
Erſcheinung des Maͤdchens nachtraͤumendes Herz hatte
ihr Bild unmerklich und wunderſam verwandelt in

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[154/0164] Wie iſt da alles ſo verwandelt, Wo ich ſo froͤhlich war, im Thal. Im Wald wie ſtill! der Mond nur wandelt Nun durch den hohen Buchenſaal. Der Winzer Jauchzen iſt verklungen Und all der bunte Lebenslauf, Die Stroͤme nur, im Thal geſchlungen, Sie blicken manchmal ſilbern auf. Und Nachtigallen wie aus Traͤumen Erwachen oft mit ſuͤßem Schall, Erinnernd ruͤhrt ſich in den Baͤumen, Ein heimlich Fluͤſtern uͤberall. — Die Freude kann nicht gleich verklingen, Und von des Tages Glanz und Luſt Iſt ſo auch mir ein heimlich Singen Geblieben in der tiefſten Bruſt. Und froͤhlich greif ich in die Saiten, O Maͤdchen jenſeits uͤber'm Fluß, Du lauſcheſt wohl und hoͤrſt's von weiten Und kennſt den Saͤnger an dem Gruß! Er mußte uͤber ſich ſelber lachen, da er am Ende nicht wußte, wem er das Staͤndchen brachte. Denn die reizende Kleine mit dem Blumenkranze war es lange nicht mehr, die er eigentlich meinte. Die Mu¬ ſik bei den Zelten, den Traum auf ſeinem Zimmer und ſein, die Klaͤnge und den Traum und die zierliche Erſcheinung des Maͤdchens nachtraͤumendes Herz hatte ihr Bild unmerklich und wunderſam verwandelt in

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/164>, abgerufen am 23.11.2024.