Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.ein viel schöneres, größeres und herrlicheres, wie er es So in Gedanken schritt er noch lange fort, als er Florio stand wie eingewurzelt im Schauen, denn Als er wieder aufblickte, schien auf einmal alles ein viel ſchoͤneres, groͤßeres und herrlicheres, wie er es So in Gedanken ſchritt er noch lange fort, als er Florio ſtand wie eingewurzelt im Schauen, denn Als er wieder aufblickte, ſchien auf einmal alles <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0165" n="155"/> ein viel ſchoͤneres, groͤßeres und herrlicheres, wie er es<lb/> noch nirgend geſehen.</p><lb/> <p>So in Gedanken ſchritt er noch lange fort, als er<lb/> unerwartet bei einem großen, von hohen Baͤumen<lb/> rings umgebenen Weiher anlangte. Der Mond, der<lb/> eben uͤber die Wipfel trat, beleuchtete ſcharf ein mar¬<lb/> mornes Venusbild, das dort dicht am Ufer auf einem<lb/> Steine ſtand, als waͤre die Goͤttin ſo eben erſt aus den<lb/> Wellen aufgetaucht, und betrachte nun, ſelber verzau¬<lb/> bert, das Bild der eigenen Schoͤnheit, das der trun¬<lb/> kene Waſſerſpiegel zwiſchen den leiſe aus dem Grunde<lb/> aufbluͤhenden Sternen wiederſtrahlte. Einige Schwaͤne<lb/> beſchrieben ſtill ihre einfoͤrmigen Kreiſe um das Bild,<lb/> ein leiſes Rauſchen ging durch die Baͤume rings<lb/> umher.</p><lb/> <p>Florio ſtand wie eingewurzelt im Schauen, denn<lb/> ihm kam jenes Bild wie eine lang geſuchte, nun ploͤtz¬<lb/> lich erkannte Geliebte vor, wie eine Wunderblume,<lb/> aus der Fruͤhlingsdaͤmmerung und traͤumeriſchen Stille<lb/> ſeiner fruͤheſten Jugend heraufgewachſen. Je laͤnger<lb/> er hinſah, je mehr ſchien es ihm, als ſchluͤge es die<lb/> ſeelenvollen Augen langſam auf, als wollten ſich die<lb/> Lippen bewegen zum Gruße, als bluͤhe Leben wie ein<lb/> lieblicher Geſang erwaͤrmend durch die ſchoͤnen Glieder<lb/> herauf. Er hielt die Augen lange geſchloſſen vor<lb/> Blendung, Wehmuth und Entzuͤcken. —</p><lb/> <p>Als er wieder aufblickte, ſchien auf einmal alles<lb/> wie verwandelt. Der Mond ſah ſeltſam zwiſchen Wol¬<lb/> ken hervor, ein ſtaͤrkerer Wind kraͤuſelte den Weiher in<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [155/0165]
ein viel ſchoͤneres, groͤßeres und herrlicheres, wie er es
noch nirgend geſehen.
So in Gedanken ſchritt er noch lange fort, als er
unerwartet bei einem großen, von hohen Baͤumen
rings umgebenen Weiher anlangte. Der Mond, der
eben uͤber die Wipfel trat, beleuchtete ſcharf ein mar¬
mornes Venusbild, das dort dicht am Ufer auf einem
Steine ſtand, als waͤre die Goͤttin ſo eben erſt aus den
Wellen aufgetaucht, und betrachte nun, ſelber verzau¬
bert, das Bild der eigenen Schoͤnheit, das der trun¬
kene Waſſerſpiegel zwiſchen den leiſe aus dem Grunde
aufbluͤhenden Sternen wiederſtrahlte. Einige Schwaͤne
beſchrieben ſtill ihre einfoͤrmigen Kreiſe um das Bild,
ein leiſes Rauſchen ging durch die Baͤume rings
umher.
Florio ſtand wie eingewurzelt im Schauen, denn
ihm kam jenes Bild wie eine lang geſuchte, nun ploͤtz¬
lich erkannte Geliebte vor, wie eine Wunderblume,
aus der Fruͤhlingsdaͤmmerung und traͤumeriſchen Stille
ſeiner fruͤheſten Jugend heraufgewachſen. Je laͤnger
er hinſah, je mehr ſchien es ihm, als ſchluͤge es die
ſeelenvollen Augen langſam auf, als wollten ſich die
Lippen bewegen zum Gruße, als bluͤhe Leben wie ein
lieblicher Geſang erwaͤrmend durch die ſchoͤnen Glieder
herauf. Er hielt die Augen lange geſchloſſen vor
Blendung, Wehmuth und Entzuͤcken. —
Als er wieder aufblickte, ſchien auf einmal alles
wie verwandelt. Der Mond ſah ſeltſam zwiſchen Wol¬
ken hervor, ein ſtaͤrkerer Wind kraͤuſelte den Weiher in
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