Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.waren. Unter der Mauer auf zerschlagenen Marmor¬ L 2
waren. Unter der Mauer auf zerſchlagenen Marmor¬ L 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0173" n="163"/> waren. Unter der Mauer auf zerſchlagenen Marmor¬<lb/> ſteinen und Saͤulenknaͤufen, zwiſchen denen hohes Gras<lb/> und Blumen uͤppig hervorſchoſſen, lag ein ſchlafender<lb/> Mann ausgeſtreckt. Erſtaunt erkannte Florio den Ritter<lb/> Donati. Aber ſeine Mienen ſchienen im Schlafe ſon¬<lb/> derbar veraͤndert, er ſah faſt wie ein Todter aus. Ein<lb/> heimlicher Schauer uͤberlief Florio'n bei dieſem Anblick.<lb/> Er ruͤttelte den Schlafenden heftig. Donati ſchlug<lb/> langſam die Augen auf und ſein erſter Blick war ſo<lb/> fremd, ſtier und wild, daß ſich Florio ordentlich vor<lb/> ihm entſetzte. Dabei murmelte er noch zwiſchen Schlaf<lb/> und Wachen einige dunkele Worte, die Florio nicht<lb/> verſtand. Als er ſich endlich voͤllig ermuntert hatte, ſprang<lb/> er raſch auf und ſah Florio, wie es ſchien, mit großem<lb/> Erſtaunen an. „Wo bin ich,“ rief dieſer haſtig, „wer<lb/> iſt die edle Herrin, die in dieſem ſchoͤnen Garten<lb/> wohnt?“ — „Wie ſeyd Ihr,“ frug dagegen Donati<lb/> ſehr ernſt, „in dieſen Garten gekommen?“ Florio<lb/> erzaͤhlte kurz den Hergang, woruͤber der Ritter in ein<lb/> tiefes Nachdenken verſank. Der Juͤngling wiederholte<lb/> darauf dringend ſeine vorigen Fragen, und Donati ſagte<lb/> zerſtreut: „Die Dame iſt eine Verwandte von mir,<lb/> reich und gewaltig, ihr Beſitzthum iſt weit im Lande<lb/> verbreitet — Ihr findet ſie bald da, bald dort — auch<lb/> in der Stadt Lucca iſt ſie zuweilen.“ — Florio fielen<lb/> dieſe fluͤchtig hingeworfenen Worte ſeltſam auf's Herz,<lb/> denn es wurde ihm nun immer deutlicher, was ihm<lb/> vorher nur voruͤbergehend angeflogen, naͤhmlich, daß<lb/> er die Dame ſchon einmal in fruͤherer Jugend irgend¬<lb/> <fw place="bottom" type="sig">L 2<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [163/0173]
waren. Unter der Mauer auf zerſchlagenen Marmor¬
ſteinen und Saͤulenknaͤufen, zwiſchen denen hohes Gras
und Blumen uͤppig hervorſchoſſen, lag ein ſchlafender
Mann ausgeſtreckt. Erſtaunt erkannte Florio den Ritter
Donati. Aber ſeine Mienen ſchienen im Schlafe ſon¬
derbar veraͤndert, er ſah faſt wie ein Todter aus. Ein
heimlicher Schauer uͤberlief Florio'n bei dieſem Anblick.
Er ruͤttelte den Schlafenden heftig. Donati ſchlug
langſam die Augen auf und ſein erſter Blick war ſo
fremd, ſtier und wild, daß ſich Florio ordentlich vor
ihm entſetzte. Dabei murmelte er noch zwiſchen Schlaf
und Wachen einige dunkele Worte, die Florio nicht
verſtand. Als er ſich endlich voͤllig ermuntert hatte, ſprang
er raſch auf und ſah Florio, wie es ſchien, mit großem
Erſtaunen an. „Wo bin ich,“ rief dieſer haſtig, „wer
iſt die edle Herrin, die in dieſem ſchoͤnen Garten
wohnt?“ — „Wie ſeyd Ihr,“ frug dagegen Donati
ſehr ernſt, „in dieſen Garten gekommen?“ Florio
erzaͤhlte kurz den Hergang, woruͤber der Ritter in ein
tiefes Nachdenken verſank. Der Juͤngling wiederholte
darauf dringend ſeine vorigen Fragen, und Donati ſagte
zerſtreut: „Die Dame iſt eine Verwandte von mir,
reich und gewaltig, ihr Beſitzthum iſt weit im Lande
verbreitet — Ihr findet ſie bald da, bald dort — auch
in der Stadt Lucca iſt ſie zuweilen.“ — Florio fielen
dieſe fluͤchtig hingeworfenen Worte ſeltſam auf's Herz,
denn es wurde ihm nun immer deutlicher, was ihm
vorher nur voruͤbergehend angeflogen, naͤhmlich, daß
er die Dame ſchon einmal in fruͤherer Jugend irgend¬
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