Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.samkeit. Er bestig schnell sein Pferd und ritt noch ein¬ "Morgen, morgen!" schallte es in einem fort durch Die Sterne standen schon klar am Himmel, als ſamkeit. Er beſtig ſchnell ſein Pferd und ritt noch ein¬ „Morgen, morgen!“ ſchallte es in einem fort durch Die Sterne ſtanden ſchon klar am Himmel, als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0175" n="165"/> ſamkeit. Er beſtig ſchnell ſein Pferd und ritt noch ein¬<lb/> mal in's Freie hinaus.</p><lb/> <p>„Morgen, morgen!“ ſchallte es in einem fort durch<lb/> ſeine Seele. Ihm war ſo unbeſchreiblich wohl. Das<lb/> ſchoͤne Marmorbild war ja lebend geworden und von<lb/> ſeinem Steine in den Fruͤhling hinunter geſtiegen, der<lb/> ſtille Weiher ploͤtzlich verwandelt zur unermeßlichen<lb/> Landſchaft, die Sterne darin zu Blumen und der ganze<lb/> Fruͤhling ein Bild der Schoͤnen. — Und ſo durch¬<lb/> ſchweifte er lange die ſchoͤnen Thaͤler um Lucca, den praͤch¬<lb/> tigen Landhaͤuſern, Caſcaden und Grotten wechſelnd<lb/> voruͤber, bis die Wellen des Abendroths uͤber dem Froͤh¬<lb/> lichen zuſammenſchlugen.</p><lb/> <p>Die Sterne ſtanden ſchon klar am Himmel, als<lb/> er langſam durch die ſtillen Gaſſen nach ſeiner Her¬<lb/> berge zog. Auf einem der einſamen Plaͤtze ſtand ein<lb/> großes ſchoͤnes Haus, vom Monde hell erleuchtet. Ein<lb/> Fenſter war oben geoͤffnet, an dem er zwiſchen kuͤnſtlich<lb/> gezogenen Blumen hindurch zwei weibliche Geſtalten<lb/> bemerkte, die in ein lebhaftes Geſpraͤch vertieft ſchienen<lb/> Mit Verwunderung hoͤrte er mehreremal deutlich ſei¬<lb/> nen Namen nennen. Auch glaubte er in den einzel¬<lb/> nen abgerißnen Worten, die die Luft heruͤberwehte, die<lb/> Stimme der wunderbaren Saͤngerin wieder zu erkennen.<lb/> Doch konnte er vor den im Mondesglanz zitternden<lb/> Blaͤttern und Bluͤthen nichts genau unterſcheiden. Er<lb/> hielt an, um mehr zu vernehmen. Da bemerkten ihn<lb/> die beiden Damen, und es wurde auf einmal ſtille<lb/> droben.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [165/0175]
ſamkeit. Er beſtig ſchnell ſein Pferd und ritt noch ein¬
mal in's Freie hinaus.
„Morgen, morgen!“ ſchallte es in einem fort durch
ſeine Seele. Ihm war ſo unbeſchreiblich wohl. Das
ſchoͤne Marmorbild war ja lebend geworden und von
ſeinem Steine in den Fruͤhling hinunter geſtiegen, der
ſtille Weiher ploͤtzlich verwandelt zur unermeßlichen
Landſchaft, die Sterne darin zu Blumen und der ganze
Fruͤhling ein Bild der Schoͤnen. — Und ſo durch¬
ſchweifte er lange die ſchoͤnen Thaͤler um Lucca, den praͤch¬
tigen Landhaͤuſern, Caſcaden und Grotten wechſelnd
voruͤber, bis die Wellen des Abendroths uͤber dem Froͤh¬
lichen zuſammenſchlugen.
Die Sterne ſtanden ſchon klar am Himmel, als
er langſam durch die ſtillen Gaſſen nach ſeiner Her¬
berge zog. Auf einem der einſamen Plaͤtze ſtand ein
großes ſchoͤnes Haus, vom Monde hell erleuchtet. Ein
Fenſter war oben geoͤffnet, an dem er zwiſchen kuͤnſtlich
gezogenen Blumen hindurch zwei weibliche Geſtalten
bemerkte, die in ein lebhaftes Geſpraͤch vertieft ſchienen
Mit Verwunderung hoͤrte er mehreremal deutlich ſei¬
nen Namen nennen. Auch glaubte er in den einzel¬
nen abgerißnen Worten, die die Luft heruͤberwehte, die
Stimme der wunderbaren Saͤngerin wieder zu erkennen.
Doch konnte er vor den im Mondesglanz zitternden
Blaͤttern und Bluͤthen nichts genau unterſcheiden. Er
hielt an, um mehr zu vernehmen. Da bemerkten ihn
die beiden Damen, und es wurde auf einmal ſtille
droben.
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