Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Da flog es ihn plötzlich wie von den Klängen des Er erzählte es nicht ohne tiefe Bewegung der Da flog es ihn ploͤtzlich wie von den Klaͤngen des Er erzaͤhlte es nicht ohne tiefe Bewegung der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0195" n="185"/> Da flog es ihn ploͤtzlich wie von den Klaͤngen des<lb/> Liedes draußen an, daß er zu Hauſe in fruͤher Kind¬<lb/> heit oftmals ein ſolches Bild geſehen, eine wunderſchoͤne<lb/> Dame in derſelben Kleidung, einen Ritter zu ihren<lb/> Fuͤßen, hinten einen weiten Garten mit vielen Spring¬<lb/> brunnen und kuͤnſtlich geſchnittenen Alleen, gerade ſo<lb/> wie vorhin der Garten draußen erſchienen. Auch Ab¬<lb/> bildungen von Lucca und anderen beruͤhmten Staͤdten<lb/> erinnerte er ſich dort geſehen zu haben.</p><lb/> <p>Er erzaͤhlte es nicht ohne tiefe Bewegung der<lb/> Dame. „Damals,“ ſagte er, in Erinnerungen verlo¬<lb/> ren, „wenn ich ſo an ſchwuͤlen Nachmittagen in dem<lb/> einſamen Luſthauſe unſeres Gartens vor den alten Bil¬<lb/> dern ſtand und die wunderlichen Thuͤrme der Staͤdte,<lb/> die Bruͤcken und Alleen betrachtete, wie da praͤchtige<lb/> Karoſſen fuhren und ſtattliche Kavaliers einherritten,<lb/> die Damen in den Wagen begruͤßend — da dachte ich<lb/> nicht, daß das alles einmal lebendig werden wuͤrde um<lb/> mich herum. Mein Vater trat dabei oft zu mir und er¬<lb/> zaͤhlte mir manch luſtiges Abenteuer, das ihm auf ſei¬<lb/> nen jugendlichen Heeresfahrten in der und jener von<lb/> den abgemalten Staͤdten begegnet. Dann pflegte er<lb/> gewoͤhnlich lange Zeit nachdenklich in dem ſtillen Gar¬<lb/> ten auf und ab zu gehen. — Ich aber warf mich in<lb/> das tiefſte Gras und ſah ſtundenlang zu, wie die Wol¬<lb/> ken uͤber die ſchwuͤle Gegend wegzogen. Die Graͤſer<lb/> und Blumen ſchwankten leiſe hin und her uͤber mir,<lb/> als wollten ſie ſeltſame Traͤume weben, die Bie¬<lb/> nen ſummten dazwiſchen ſo ſommerhaft und in einem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [185/0195]
Da flog es ihn ploͤtzlich wie von den Klaͤngen des
Liedes draußen an, daß er zu Hauſe in fruͤher Kind¬
heit oftmals ein ſolches Bild geſehen, eine wunderſchoͤne
Dame in derſelben Kleidung, einen Ritter zu ihren
Fuͤßen, hinten einen weiten Garten mit vielen Spring¬
brunnen und kuͤnſtlich geſchnittenen Alleen, gerade ſo
wie vorhin der Garten draußen erſchienen. Auch Ab¬
bildungen von Lucca und anderen beruͤhmten Staͤdten
erinnerte er ſich dort geſehen zu haben.
Er erzaͤhlte es nicht ohne tiefe Bewegung der
Dame. „Damals,“ ſagte er, in Erinnerungen verlo¬
ren, „wenn ich ſo an ſchwuͤlen Nachmittagen in dem
einſamen Luſthauſe unſeres Gartens vor den alten Bil¬
dern ſtand und die wunderlichen Thuͤrme der Staͤdte,
die Bruͤcken und Alleen betrachtete, wie da praͤchtige
Karoſſen fuhren und ſtattliche Kavaliers einherritten,
die Damen in den Wagen begruͤßend — da dachte ich
nicht, daß das alles einmal lebendig werden wuͤrde um
mich herum. Mein Vater trat dabei oft zu mir und er¬
zaͤhlte mir manch luſtiges Abenteuer, das ihm auf ſei¬
nen jugendlichen Heeresfahrten in der und jener von
den abgemalten Staͤdten begegnet. Dann pflegte er
gewoͤhnlich lange Zeit nachdenklich in dem ſtillen Gar¬
ten auf und ab zu gehen. — Ich aber warf mich in
das tiefſte Gras und ſah ſtundenlang zu, wie die Wol¬
ken uͤber die ſchwuͤle Gegend wegzogen. Die Graͤſer
und Blumen ſchwankten leiſe hin und her uͤber mir,
als wollten ſie ſeltſame Traͤume weben, die Bie¬
nen ſummten dazwiſchen ſo ſommerhaft und in einem
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