Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.fort -- ach! das ist alles wie ein Meer von Stille, in fort — ach! das iſt alles wie ein Meer von Stille, in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0196" n="186"/> fort — ach! das iſt alles wie ein Meer von Stille, in<lb/> dem das Herz vor Wehmuth untergehen moͤchte!“ —<lb/> „Laßt nur das!“ ſagte hier die Dame wie in Zer¬<lb/> ſtreuung, „ein jeder glaubt mich ſchon einmal geſehen<lb/> zu haben, denn mein Bild daͤmmert und bluͤht wohl<lb/> in allen Jugendtraͤumen mit herauf.“ Sie ſtreichelte<lb/> dabei beſchwichtigend dem ſchoͤnen Juͤngling die brau¬<lb/> nen Locken aus der klaren Stirn. — Florio aber ſtand<lb/> auf, ſein Herz war zu voll und tief bewegt, er trat<lb/> ans offene Fenſter. Da rauſchten die Baͤume, hin und<lb/> her ſchlug eine Nachtigall, in der Ferne blitzte es zu¬<lb/> weilen. Ueber den ſtillen Garten weg zog immer fort<lb/> der Geſang wie ein klarer kuͤhler Strom, aus dem die<lb/> alten Jugendtraͤume herauf tauchten. Die Gewalt<lb/> dieſer Toͤne hatte ſeine ganze Seele in tiefe Gedanken<lb/> verſenkt, er kam ſich auf einmal hier ſo fremde, und<lb/> wie aus ſich ſelber verirrt vor. Selbſt die letzten<lb/> Worte der Dame, die er ſich nicht recht zu deuten<lb/> wußte, beaͤngſtigten ihn ſonderbar — da ſagte er leiſe<lb/> aus tiefſtem Grunde der Seele: „Herr Gott, laß mich<lb/> nicht verloren gehen in der Welt!“ Kaum hatte er<lb/> die Worte innerlichſt ausgeſprochen, als ſich draußen<lb/> ein truͤber Wind, wie von dem herannahenden Gewitter,<lb/> erhob und ihn verwirrend anwehte. Zu gleicher Zeit<lb/> bemerkte er an dem Fenſtergeſimſe Gras und einzelne<lb/> Buͤſchel von Kraͤutern wie auf altem Gemaͤuer. Eine<lb/> Schlange fuhr ziſchend daraus hervor und ſtuͤrzte mit<lb/> dem gruͤnlichgoldenen Schweife ſich ringelnd in den<lb/> Abgrund hinunter.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [186/0196]
fort — ach! das iſt alles wie ein Meer von Stille, in
dem das Herz vor Wehmuth untergehen moͤchte!“ —
„Laßt nur das!“ ſagte hier die Dame wie in Zer¬
ſtreuung, „ein jeder glaubt mich ſchon einmal geſehen
zu haben, denn mein Bild daͤmmert und bluͤht wohl
in allen Jugendtraͤumen mit herauf.“ Sie ſtreichelte
dabei beſchwichtigend dem ſchoͤnen Juͤngling die brau¬
nen Locken aus der klaren Stirn. — Florio aber ſtand
auf, ſein Herz war zu voll und tief bewegt, er trat
ans offene Fenſter. Da rauſchten die Baͤume, hin und
her ſchlug eine Nachtigall, in der Ferne blitzte es zu¬
weilen. Ueber den ſtillen Garten weg zog immer fort
der Geſang wie ein klarer kuͤhler Strom, aus dem die
alten Jugendtraͤume herauf tauchten. Die Gewalt
dieſer Toͤne hatte ſeine ganze Seele in tiefe Gedanken
verſenkt, er kam ſich auf einmal hier ſo fremde, und
wie aus ſich ſelber verirrt vor. Selbſt die letzten
Worte der Dame, die er ſich nicht recht zu deuten
wußte, beaͤngſtigten ihn ſonderbar — da ſagte er leiſe
aus tiefſtem Grunde der Seele: „Herr Gott, laß mich
nicht verloren gehen in der Welt!“ Kaum hatte er
die Worte innerlichſt ausgeſprochen, als ſich draußen
ein truͤber Wind, wie von dem herannahenden Gewitter,
erhob und ihn verwirrend anwehte. Zu gleicher Zeit
bemerkte er an dem Fenſtergeſimſe Gras und einzelne
Buͤſchel von Kraͤutern wie auf altem Gemaͤuer. Eine
Schlange fuhr ziſchend daraus hervor und ſtuͤrzte mit
dem gruͤnlichgoldenen Schweife ſich ringelnd in den
Abgrund hinunter.
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