Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.den anzuvertrauen wagte. Der kluge Pietro wußte es Mit Wohlgefallen ruhten Florio's Blicke auf der Sie waren unterdeß auf einer luftigen Höhe ange¬ Bianka blickte ihn, statt aller Antwort selber wie den anzuvertrauen wagte. Der kluge Pietro wußte es Mit Wohlgefallen ruhten Florio's Blicke auf der Sie waren unterdeß auf einer luftigen Hoͤhe ange¬ Bianka blickte ihn, ſtatt aller Antwort ſelber wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0207" n="197"/> den anzuvertrauen wagte. Der kluge Pietro wußte es<lb/> aber wohl und hatte beſchloſſen, ſeine Nichte weit fort¬<lb/> zufuͤhren und ſie in fremden Gegenden und in einem<lb/> andern Himmelsſtrich, wo nicht zu heilen, doch zu zer¬<lb/> ſtreuen und zu erhalten. Um ungehinderter reiſen zu<lb/> koͤnnen, und zugleich alles Vergangene gleichſam von<lb/> ſich abzuſtreifen, hatte ſie Knabentracht anlegen muͤſſen.</p><lb/> <p>Mit Wohlgefallen ruhten Florio's Blicke auf der<lb/> lieblichen Geſtalt. Eine ſeltſame Verblendung hatte<lb/> bisher ſeine Augen wie mit einem Zaubernebel umfan¬<lb/> gen. Nun erſtaunte er ordentlich, wie ſchoͤn ſie war!<lb/> Er ſprach vielerlei geruͤhrt und mit tiefer Innigkeit zu<lb/> ihr. Da ritt ſie, ganz uͤberraſcht von dem unverhoff¬<lb/> ten Gluͤck, und in freudiger Demuth, als verdiene ſie<lb/> ſolche Gnade nicht, mit niedergeſchlagenen Augen<lb/> ſchweigend neben ihm her. Nur manchmal blickte ſie<lb/> unter den langen ſchwarzen Augenwimpern nach ihm<lb/> hinauf, die ganze klare Seele lag in dem Blick, als<lb/> wollte ſie bittend ſagen: „Taͤuſche mich nicht wieder!“</p><lb/> <p>Sie waren unterdeß auf einer luftigen Hoͤhe ange¬<lb/> langt, hinter ihnen verſank die Stadt Lucca mit ihren<lb/> dunkeln Thuͤrmen in dem ſchimmernden Duft. Da<lb/> ſagte Florio, zu Bianka gewendet: „Ich bin wie neu<lb/> geboren, es iſt mir, als wuͤrde noch Alles gut werden,<lb/> ſeit ich Euch wiedergefunden. Ich moͤchte niemals<lb/> wieder ſcheiden, wenn Ihr es vergoͤnnt.“ —</p><lb/> <p>Bianka blickte ihn, ſtatt aller Antwort ſelber wie<lb/> fragend, mit ungewiſſer, noch halb zuruͤckgehaltener<lb/> Freude an und ſah recht wie ein heiteres Engelsbild<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [197/0207]
den anzuvertrauen wagte. Der kluge Pietro wußte es
aber wohl und hatte beſchloſſen, ſeine Nichte weit fort¬
zufuͤhren und ſie in fremden Gegenden und in einem
andern Himmelsſtrich, wo nicht zu heilen, doch zu zer¬
ſtreuen und zu erhalten. Um ungehinderter reiſen zu
koͤnnen, und zugleich alles Vergangene gleichſam von
ſich abzuſtreifen, hatte ſie Knabentracht anlegen muͤſſen.
Mit Wohlgefallen ruhten Florio's Blicke auf der
lieblichen Geſtalt. Eine ſeltſame Verblendung hatte
bisher ſeine Augen wie mit einem Zaubernebel umfan¬
gen. Nun erſtaunte er ordentlich, wie ſchoͤn ſie war!
Er ſprach vielerlei geruͤhrt und mit tiefer Innigkeit zu
ihr. Da ritt ſie, ganz uͤberraſcht von dem unverhoff¬
ten Gluͤck, und in freudiger Demuth, als verdiene ſie
ſolche Gnade nicht, mit niedergeſchlagenen Augen
ſchweigend neben ihm her. Nur manchmal blickte ſie
unter den langen ſchwarzen Augenwimpern nach ihm
hinauf, die ganze klare Seele lag in dem Blick, als
wollte ſie bittend ſagen: „Taͤuſche mich nicht wieder!“
Sie waren unterdeß auf einer luftigen Hoͤhe ange¬
langt, hinter ihnen verſank die Stadt Lucca mit ihren
dunkeln Thuͤrmen in dem ſchimmernden Duft. Da
ſagte Florio, zu Bianka gewendet: „Ich bin wie neu
geboren, es iſt mir, als wuͤrde noch Alles gut werden,
ſeit ich Euch wiedergefunden. Ich moͤchte niemals
wieder ſcheiden, wenn Ihr es vergoͤnnt.“ —
Bianka blickte ihn, ſtatt aller Antwort ſelber wie
fragend, mit ungewiſſer, noch halb zuruͤckgehaltener
Freude an und ſah recht wie ein heiteres Engelsbild
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