Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.dem Strauche, aber sie kam nicht wieder an's Fenster. Viele Tage gingen jedoch ins Land, ohne daß ich So lag ich eines Sonntags Nachmittag im Gar¬ dem Strauche, aber ſie kam nicht wieder an's Fenſter. Viele Tage gingen jedoch ins Land, ohne daß ich So lag ich eines Sonntags Nachmittag im Gar¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0022" n="12"/> dem Strauche, aber ſie kam nicht wieder an's Fenſter.<lb/> Da wurde mir die Zeit lang, ich faßte ein Herz und<lb/> ging nun alle Morgen frank und frei laͤngs dem<lb/> Schloſſe unter allen Fenſtern hin. Aber die liebe ſchoͤ¬<lb/> ne Frau blieb immer und immer aus. Eine Strecke<lb/> weiter ſah ich dann immer die andere Dame am Fen¬<lb/> ſter ſtehn. Ich hatte ſie ſonſt ſo genau noch niemals<lb/> geſehen. Sie war wahrhaftig recht ſchoͤn roth und<lb/> dick und gar praͤchtig und hoffaͤrtig anzuſehn, wie eine<lb/> Tulipane. Ich machte ihr immer ein tiefes Kompli¬<lb/> ment, und, ich kann nicht anders ſagen, ſie dankte mir<lb/> jedesmal und nickte und blinzelte mit den Augen dazu<lb/> ganz außerordentlich hoͤflich. — Nur ein einzigesmal<lb/> glaub' ich geſehn zu haben, daß auch die Schoͤne an<lb/> ihrem Fenſter hinter der Gardine ſtand und verſteckt<lb/> hervor guckte. —</p><lb/> <p>Viele Tage gingen jedoch ins Land, ohne daß ich<lb/> ſie ſah. Sie kam nicht mehr in den Garten, ſie kam<lb/> nicht mehr an's Fenſter. Der Gaͤrtner ſchalt mich ei¬<lb/> nen faulen Bengel, ich war verdruͤßlich, meine eigne<lb/> Naſenſpitze war mir im Wege, wenn ich in Gottes<lb/> freie Welt hinaus ſah.</p><lb/> <p>So lag ich eines Sonntags Nachmittag im Gar¬<lb/> ten und aͤrgerte mich, wie ich ſo in die blauen Wol¬<lb/> ken meiner Tabackspfeife hinausſah, daß ich mich nicht<lb/> auf ein anderes Handwerk gelegt, und mich alſo mor¬<lb/> gen nicht auch wenigſtens auf einen blauen Montag<lb/> zu freuen haͤtte. Die andern Burſche waren indeß alle<lb/> wohlausſtaffirt nach den Tanzboͤden in der nahen Vor¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0022]
dem Strauche, aber ſie kam nicht wieder an's Fenſter.
Da wurde mir die Zeit lang, ich faßte ein Herz und
ging nun alle Morgen frank und frei laͤngs dem
Schloſſe unter allen Fenſtern hin. Aber die liebe ſchoͤ¬
ne Frau blieb immer und immer aus. Eine Strecke
weiter ſah ich dann immer die andere Dame am Fen¬
ſter ſtehn. Ich hatte ſie ſonſt ſo genau noch niemals
geſehen. Sie war wahrhaftig recht ſchoͤn roth und
dick und gar praͤchtig und hoffaͤrtig anzuſehn, wie eine
Tulipane. Ich machte ihr immer ein tiefes Kompli¬
ment, und, ich kann nicht anders ſagen, ſie dankte mir
jedesmal und nickte und blinzelte mit den Augen dazu
ganz außerordentlich hoͤflich. — Nur ein einzigesmal
glaub' ich geſehn zu haben, daß auch die Schoͤne an
ihrem Fenſter hinter der Gardine ſtand und verſteckt
hervor guckte. —
Viele Tage gingen jedoch ins Land, ohne daß ich
ſie ſah. Sie kam nicht mehr in den Garten, ſie kam
nicht mehr an's Fenſter. Der Gaͤrtner ſchalt mich ei¬
nen faulen Bengel, ich war verdruͤßlich, meine eigne
Naſenſpitze war mir im Wege, wenn ich in Gottes
freie Welt hinaus ſah.
So lag ich eines Sonntags Nachmittag im Gar¬
ten und aͤrgerte mich, wie ich ſo in die blauen Wol¬
ken meiner Tabackspfeife hinausſah, daß ich mich nicht
auf ein anderes Handwerk gelegt, und mich alſo mor¬
gen nicht auch wenigſtens auf einen blauen Montag
zu freuen haͤtte. Die andern Burſche waren indeß alle
wohlausſtaffirt nach den Tanzboͤden in der nahen Vor¬
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