Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

Körbchen an den Arm und machte mich auf den Weg
nach dem großen Garten. In dem Körbchen lag al¬
les so bunt und anmuthig durcheinander, weiß, roth,
blau und duftig, daß mir ordentlich das Herz lachte,
wenn ich hinein sah.

Ich ging voller fröhlicher Gedanken bei dem schö¬
nen Mondschein durch die stillen, reinlich mit Sand
bestreuten Gänge über die kleinen weißen Brücken, un¬
ter denen die Schwäne eingeschlafen auf dem Wasser
saßen, an den zierlichen Lauben und Lusthäusern vor¬
über. Den großen Birnbaum hatte ich gar bald auf¬
gefunden, denn es war derselbe, unter dem ich sonst,
als ich noch Gärtnerbursche war, an schwülen Nach¬
mittagen gelegen.

Hier war es so einsam dunkel. Nur eine hohe
Espe zitterte und flüsterte mit ihren silbernen Blät¬
tern in einem fort. Vom Schlosse schallte manchmal
die Tanzmusik herüber. Auch Menschenstimmen hörte
ich zuweilen im Garten, die kamen oft ganz nahe an
mich heran, dann wurde es auf einmal wieder ganz
still.

Mir klopfte das Herz. Es war mir schauerlich
und seltsam zu Muthe, als wenn ich jemanden besteh¬
len wollte. Ich stand lange Zeit stockstill an den Baum
gelehnt und lauschte nach allen Seiten, da aber im¬
mer Niemand kam, konnt' ich es nicht länger aushal¬
ten. Ich hing mein Körbchen an den Arm und klet¬
terte schnell auf den Birnbaum hinauf, um wieder im
Freien Luft zu schöpfen.

Koͤrbchen an den Arm und machte mich auf den Weg
nach dem großen Garten. In dem Koͤrbchen lag al¬
les ſo bunt und anmuthig durcheinander, weiß, roth,
blau und duftig, daß mir ordentlich das Herz lachte,
wenn ich hinein ſah.

Ich ging voller froͤhlicher Gedanken bei dem ſchoͤ¬
nen Mondſchein durch die ſtillen, reinlich mit Sand
beſtreuten Gaͤnge uͤber die kleinen weißen Bruͤcken, un¬
ter denen die Schwaͤne eingeſchlafen auf dem Waſſer
ſaßen, an den zierlichen Lauben und Luſthaͤuſern vor¬
uͤber. Den großen Birnbaum hatte ich gar bald auf¬
gefunden, denn es war derſelbe, unter dem ich ſonſt,
als ich noch Gaͤrtnerburſche war, an ſchwuͤlen Nach¬
mittagen gelegen.

Hier war es ſo einſam dunkel. Nur eine hohe
Espe zitterte und fluͤſterte mit ihren ſilbernen Blaͤt¬
tern in einem fort. Vom Schloſſe ſchallte manchmal
die Tanzmuſik heruͤber. Auch Menſchenſtimmen hoͤrte
ich zuweilen im Garten, die kamen oft ganz nahe an
mich heran, dann wurde es auf einmal wieder ganz
ſtill.

Mir klopfte das Herz. Es war mir ſchauerlich
und ſeltſam zu Muthe, als wenn ich jemanden beſteh¬
len wollte. Ich ſtand lange Zeit ſtockſtill an den Baum
gelehnt und lauſchte nach allen Seiten, da aber im¬
mer Niemand kam, konnt' ich es nicht laͤnger aushal¬
ten. Ich hing mein Koͤrbchen an den Arm und klet¬
terte ſchnell auf den Birnbaum hinauf, um wieder im
Freien Luft zu ſchoͤpfen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0036" n="26"/>
Ko&#x0364;rbchen an den Arm und machte mich auf den Weg<lb/>
nach dem großen Garten. In dem Ko&#x0364;rbchen lag al¬<lb/>
les &#x017F;o bunt und anmuthig durcheinander, weiß, roth,<lb/>
blau und duftig, daß mir ordentlich das Herz lachte,<lb/>
wenn ich hinein &#x017F;ah.</p><lb/>
          <p>Ich ging voller fro&#x0364;hlicher Gedanken bei dem &#x017F;cho&#x0364;¬<lb/>
nen Mond&#x017F;chein durch die &#x017F;tillen, reinlich mit Sand<lb/>
be&#x017F;treuten Ga&#x0364;nge u&#x0364;ber die kleinen weißen Bru&#x0364;cken, un¬<lb/>
ter denen die Schwa&#x0364;ne einge&#x017F;chlafen auf dem Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;aßen, an den zierlichen Lauben und Lu&#x017F;tha&#x0364;u&#x017F;ern vor¬<lb/>
u&#x0364;ber. Den großen Birnbaum hatte ich gar bald auf¬<lb/>
gefunden, denn es war der&#x017F;elbe, unter dem ich &#x017F;on&#x017F;t,<lb/>
als ich noch Ga&#x0364;rtnerbur&#x017F;che war, an &#x017F;chwu&#x0364;len Nach¬<lb/>
mittagen gelegen.</p><lb/>
          <p>Hier war es &#x017F;o ein&#x017F;am dunkel. Nur eine hohe<lb/>
Espe zitterte und flu&#x0364;&#x017F;terte mit ihren &#x017F;ilbernen Bla&#x0364;<lb/>
tern in einem fort. Vom Schlo&#x017F;&#x017F;e &#x017F;challte manchmal<lb/>
die Tanzmu&#x017F;ik heru&#x0364;ber. Auch Men&#x017F;chen&#x017F;timmen ho&#x0364;rte<lb/>
ich zuweilen im Garten, die kamen oft ganz nahe an<lb/>
mich heran, dann wurde es auf einmal wieder ganz<lb/>
&#x017F;till.</p><lb/>
          <p>Mir klopfte das Herz. Es war mir &#x017F;chauerlich<lb/>
und &#x017F;elt&#x017F;am zu Muthe, als wenn ich jemanden be&#x017F;teh¬<lb/>
len wollte. Ich &#x017F;tand lange Zeit &#x017F;tock&#x017F;till an den Baum<lb/>
gelehnt und lau&#x017F;chte nach allen Seiten, da aber im¬<lb/>
mer Niemand kam, konnt' ich es nicht la&#x0364;nger aushal¬<lb/>
ten. Ich hing mein Ko&#x0364;rbchen an den Arm und klet¬<lb/>
terte &#x017F;chnell auf den Birnbaum hinauf, um wieder im<lb/>
Freien Luft zu &#x017F;cho&#x0364;pfen.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0036] Koͤrbchen an den Arm und machte mich auf den Weg nach dem großen Garten. In dem Koͤrbchen lag al¬ les ſo bunt und anmuthig durcheinander, weiß, roth, blau und duftig, daß mir ordentlich das Herz lachte, wenn ich hinein ſah. Ich ging voller froͤhlicher Gedanken bei dem ſchoͤ¬ nen Mondſchein durch die ſtillen, reinlich mit Sand beſtreuten Gaͤnge uͤber die kleinen weißen Bruͤcken, un¬ ter denen die Schwaͤne eingeſchlafen auf dem Waſſer ſaßen, an den zierlichen Lauben und Luſthaͤuſern vor¬ uͤber. Den großen Birnbaum hatte ich gar bald auf¬ gefunden, denn es war derſelbe, unter dem ich ſonſt, als ich noch Gaͤrtnerburſche war, an ſchwuͤlen Nach¬ mittagen gelegen. Hier war es ſo einſam dunkel. Nur eine hohe Espe zitterte und fluͤſterte mit ihren ſilbernen Blaͤt¬ tern in einem fort. Vom Schloſſe ſchallte manchmal die Tanzmuſik heruͤber. Auch Menſchenſtimmen hoͤrte ich zuweilen im Garten, die kamen oft ganz nahe an mich heran, dann wurde es auf einmal wieder ganz ſtill. Mir klopfte das Herz. Es war mir ſchauerlich und ſeltſam zu Muthe, als wenn ich jemanden beſteh¬ len wollte. Ich ſtand lange Zeit ſtockſtill an den Baum gelehnt und lauſchte nach allen Seiten, da aber im¬ mer Niemand kam, konnt' ich es nicht laͤnger aushal¬ ten. Ich hing mein Koͤrbchen an den Arm und klet¬ terte ſchnell auf den Birnbaum hinauf, um wieder im Freien Luft zu ſchoͤpfen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/36
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/36>, abgerufen am 21.11.2024.