Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Da droben schallte mir die Tanzmusik erst recht Da tanzt Sie nun, dacht' ich in dem Baume Wie ich eben so philosophire, höre ich auf einmal un¬ Da droben ſchallte mir die Tanzmuſik erſt recht Da tanzt Sie nun, dacht' ich in dem Baume Wie ich eben ſo philoſophire, hoͤre ich auf einmal un¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0037" n="27"/> <p>Da droben ſchallte mir die Tanzmuſik erſt recht<lb/> uͤber die Wipfel entgegen. Ich uͤberſah den ganzen<lb/> Garten und grade in die hellerleuchteten Fenſter des<lb/> Schloſſes hinein. Dort drehten ſich die Kronleuchter<lb/> langſam wie Kraͤnze von Sternen, unzaͤhlige geputzte<lb/> Herren und Damen, wie in einem Schattenſpiele, wog¬<lb/> ten und walzten und wirrten da bunt und unkenntlich<lb/> durcheinander, manchmal legten ſich welche ins Fenſter<lb/> und ſahen hinunter in den Garten. Draußen vor dem<lb/> Schloſſe aber waren der Raſen, die Straͤucher und die<lb/> Baͤume von den vielen Lichtern aus dem Saale wie<lb/> vergoldet, ſo daß ordentlich die Blumen und die Voͤ¬<lb/> gel aufzuwachen ſchienen. Weiterhin um mich herum<lb/> und hinter mir lag der Garten ſo ſchwarz und ſtill.</p><lb/> <p>Da tanzt <hi rendition="#g">Sie</hi> nun, dacht' ich in dem Baume<lb/> droben bei mir ſelber, und hat gewiß lange wieder<lb/> Dich und Deine Blumen vergeſſen<supplied>.</supplied> Alles iſt ſo froͤh¬<lb/> lich, um Dich kuͤmmert ſich kein Menſch. — Und ſo<lb/> geht es mir uͤberall und immer. Jeder hat ſein Plaͤtz¬<lb/> chen auf der Erde ausgeſteckt, hat ſeinen warmen<lb/> Ofen, ſeine Taſſe Kaffee, ſeine Frau, ſein Glas Wein<lb/> zu Abend, und iſt ſo recht zufrieden; ſelbſt dem Portier<lb/> iſt ganz wohl in ſeiner langen Haut. — Mir iſt's<lb/> nirgends recht. Es iſt, als waͤre ich uͤberall eben zu<lb/> ſpaͤt gekommen, als haͤtte die ganze Welt gar nicht auf<lb/> mich gerechnet. —</p><lb/> <p>Wie ich eben ſo philoſophire, hoͤre ich auf einmal un¬<lb/> ten im Graſe etwas einherraſcheln. Zwei feine Stimmen<lb/> ſprachen ganz nahe und leiſe miteinander. Bald darauf<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [27/0037]
Da droben ſchallte mir die Tanzmuſik erſt recht
uͤber die Wipfel entgegen. Ich uͤberſah den ganzen
Garten und grade in die hellerleuchteten Fenſter des
Schloſſes hinein. Dort drehten ſich die Kronleuchter
langſam wie Kraͤnze von Sternen, unzaͤhlige geputzte
Herren und Damen, wie in einem Schattenſpiele, wog¬
ten und walzten und wirrten da bunt und unkenntlich
durcheinander, manchmal legten ſich welche ins Fenſter
und ſahen hinunter in den Garten. Draußen vor dem
Schloſſe aber waren der Raſen, die Straͤucher und die
Baͤume von den vielen Lichtern aus dem Saale wie
vergoldet, ſo daß ordentlich die Blumen und die Voͤ¬
gel aufzuwachen ſchienen. Weiterhin um mich herum
und hinter mir lag der Garten ſo ſchwarz und ſtill.
Da tanzt Sie nun, dacht' ich in dem Baume
droben bei mir ſelber, und hat gewiß lange wieder
Dich und Deine Blumen vergeſſen. Alles iſt ſo froͤh¬
lich, um Dich kuͤmmert ſich kein Menſch. — Und ſo
geht es mir uͤberall und immer. Jeder hat ſein Plaͤtz¬
chen auf der Erde ausgeſteckt, hat ſeinen warmen
Ofen, ſeine Taſſe Kaffee, ſeine Frau, ſein Glas Wein
zu Abend, und iſt ſo recht zufrieden; ſelbſt dem Portier
iſt ganz wohl in ſeiner langen Haut. — Mir iſt's
nirgends recht. Es iſt, als waͤre ich uͤberall eben zu
ſpaͤt gekommen, als haͤtte die ganze Welt gar nicht auf
mich gerechnet. —
Wie ich eben ſo philoſophire, hoͤre ich auf einmal un¬
ten im Graſe etwas einherraſcheln. Zwei feine Stimmen
ſprachen ganz nahe und leiſe miteinander. Bald darauf
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