Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.Aber der Knollfink scheerte sich gar nichts darum, son¬ Als ich endlich wieder still hielt, um Athem zu Aber der Knollfink ſcheerte ſich gar nichts darum, ſon¬ Als ich endlich wieder ſtill hielt, um Athem zu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0048" n="38"/> Aber der Knollfink ſcheerte ſich gar nichts darum, ſon¬<lb/> dern ſtemmte beide Arme in die Seiten und ſagte<lb/> bloß: „Was will Er denn? he! he!“ Dabei ſah ich,<lb/> daß es eigentlich ein kurzer, ſtaͤmmiger, krummbeiniger<lb/> Kerl war, und vorſtehende glotzende Augen und eine<lb/> rothe etwas ſchiefe Naſe hatte. Und wie er immer<lb/> fort nichts weiter ſagte als: „he! — he!“ — und da¬<lb/> bei jedesmal einen Schritt naͤher auf mich zukam, da<lb/> uͤberfiel mich auf einmal eine ſo kurioſe grausliche<lb/> Angſt, daß ich mich ſchnell aufmachte, uͤber den Zaun<lb/> ſprang und, ohne mich umzuſehen, immer fort quer¬<lb/> feldein lief, daß mir die Geige in der Taſche klang.</p><lb/> <p>Als ich endlich wieder ſtill hielt, um Athem zu<lb/> ſchoͤpfen, war der Garten und das ganze Thal nicht<lb/> mehr zu ſehen, und ich ſtand in einem ſchoͤnen Walde.<lb/> Aber ich gab nicht viel darauf acht, denn jetzt aͤrgerte<lb/> mich das Spektakel erſt recht, und daß der Kerl mich<lb/> immer Er nannte, und ich ſchimpfte noch lange im<lb/> Stillen fuͤr mich. In ſolchen Gedanken ging ich<lb/> raſch fort und kam immer mehr von der Landſtraße ab,<lb/> mitten in das Gebirge hinein. Der Holzweg, auf dem<lb/> ich fortgelaufen war, hoͤrte auf und ich hatte nur noch<lb/> einen kleinen wenig betretenen Fußſteig vor mir. Rings¬<lb/> um war Niemand zu ſehen und kein Laut zu verneh¬<lb/> men. Sonſt aber war es recht anmuthig zu gehn, die<lb/> Wipfel der Baͤume rauſchten und die Voͤgel ſangen<lb/> ſehr ſchoͤn. Ich befahl mich daher Gottes Fuͤhrung,<lb/> zog meine Violine hervor und ſpielte alle meine lieb¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0048]
Aber der Knollfink ſcheerte ſich gar nichts darum, ſon¬
dern ſtemmte beide Arme in die Seiten und ſagte
bloß: „Was will Er denn? he! he!“ Dabei ſah ich,
daß es eigentlich ein kurzer, ſtaͤmmiger, krummbeiniger
Kerl war, und vorſtehende glotzende Augen und eine
rothe etwas ſchiefe Naſe hatte. Und wie er immer
fort nichts weiter ſagte als: „he! — he!“ — und da¬
bei jedesmal einen Schritt naͤher auf mich zukam, da
uͤberfiel mich auf einmal eine ſo kurioſe grausliche
Angſt, daß ich mich ſchnell aufmachte, uͤber den Zaun
ſprang und, ohne mich umzuſehen, immer fort quer¬
feldein lief, daß mir die Geige in der Taſche klang.
Als ich endlich wieder ſtill hielt, um Athem zu
ſchoͤpfen, war der Garten und das ganze Thal nicht
mehr zu ſehen, und ich ſtand in einem ſchoͤnen Walde.
Aber ich gab nicht viel darauf acht, denn jetzt aͤrgerte
mich das Spektakel erſt recht, und daß der Kerl mich
immer Er nannte, und ich ſchimpfte noch lange im
Stillen fuͤr mich. In ſolchen Gedanken ging ich
raſch fort und kam immer mehr von der Landſtraße ab,
mitten in das Gebirge hinein. Der Holzweg, auf dem
ich fortgelaufen war, hoͤrte auf und ich hatte nur noch
einen kleinen wenig betretenen Fußſteig vor mir. Rings¬
um war Niemand zu ſehen und kein Laut zu verneh¬
men. Sonſt aber war es recht anmuthig zu gehn, die
Wipfel der Baͤume rauſchten und die Voͤgel ſangen
ſehr ſchoͤn. Ich befahl mich daher Gottes Fuͤhrung,
zog meine Violine hervor und ſpielte alle meine lieb¬
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