Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.rend er immerfort Taback schnupfte: ob ich der Ser¬ Draußen war eine warme Sommernacht, so recht rend er immerfort Taback ſchnupfte: ob ich der Ser¬ Draußen war eine warme Sommernacht, ſo recht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0066" n="56"/> rend er immerfort Taback ſchnupfte: ob ich der Ser¬<lb/> vitore ſey? wenn wir arriware? ob wir nach Roma kehn?<lb/> aber das wußte ich alles ſelber nicht, und konnte auch<lb/> ſein Kauderwelſch gar nicht verſtehn. <hi rendition="#aq">„Parlez vous<lb/> françois?“</hi> ſagte ich endlich in meiner Angſt zu ihm.<lb/> Er ſchuͤttelte mit dem großen Kopfe, und das war mir<lb/> ſehr lieb, denn ich konnte ja auch nicht franzoͤſiſch.<lb/> Aber das half alles nichts. Er hatte mich einmal recht<lb/> auf's Korn genommen, er frug und frug immer wie¬<lb/> der; je mehr wir parlierten, je weniger verſtand einer<lb/> den andern, zuletzt wurden wir beide ſchon hitzig, ſo<lb/> daß mir's manchmal vorkam, als wollte der Signor<lb/> mit ſeiner Adlernaſe nach mir hacken, bis endlich die<lb/> Maͤgde, die den babiloniſchen Diſkurs mit angehoͤrt<lb/> hatten, uns beide tuͤchtig auslachten. Ich aber legte<lb/> ſchnell Meſſer und Gabel hin und ging vor die Haus¬<lb/> thuͤr hinaus. Denn mir war in dem fremden Lande<lb/> nicht anders, als waͤre ich mit meiner deutſchen Zunge<lb/> tauſend Klafter tief ins Meer verſenkt, und allerlei<lb/> unbekanntes Gewuͤrm ringelte ſich und rauſchte da in<lb/> der Einſamkeit um mich her, und glotzte und ſchnappte<lb/> nach mir.</p><lb/> <p>Draußen war eine warme Sommernacht, ſo recht<lb/> um paſſatim zu gehn. Weit von den Weinbergen her¬<lb/> uͤber hoͤrte man noch zuweilen einen Winzer ſingen,<lb/> dazwiſchen blitzte es manchmal von ferne, und die<lb/> ganze Gegend zitterte und ſaͤuſelte im Mondenſchein.<lb/> Ja manchmal kam es mir vor, als ſchluͤpfte eine lange<lb/> dunkle Geſtalt hinter den Haſelnußſtraͤuchen vor dem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0066]
rend er immerfort Taback ſchnupfte: ob ich der Ser¬
vitore ſey? wenn wir arriware? ob wir nach Roma kehn?
aber das wußte ich alles ſelber nicht, und konnte auch
ſein Kauderwelſch gar nicht verſtehn. „Parlez vous
françois?“ ſagte ich endlich in meiner Angſt zu ihm.
Er ſchuͤttelte mit dem großen Kopfe, und das war mir
ſehr lieb, denn ich konnte ja auch nicht franzoͤſiſch.
Aber das half alles nichts. Er hatte mich einmal recht
auf's Korn genommen, er frug und frug immer wie¬
der; je mehr wir parlierten, je weniger verſtand einer
den andern, zuletzt wurden wir beide ſchon hitzig, ſo
daß mir's manchmal vorkam, als wollte der Signor
mit ſeiner Adlernaſe nach mir hacken, bis endlich die
Maͤgde, die den babiloniſchen Diſkurs mit angehoͤrt
hatten, uns beide tuͤchtig auslachten. Ich aber legte
ſchnell Meſſer und Gabel hin und ging vor die Haus¬
thuͤr hinaus. Denn mir war in dem fremden Lande
nicht anders, als waͤre ich mit meiner deutſchen Zunge
tauſend Klafter tief ins Meer verſenkt, und allerlei
unbekanntes Gewuͤrm ringelte ſich und rauſchte da in
der Einſamkeit um mich her, und glotzte und ſchnappte
nach mir.
Draußen war eine warme Sommernacht, ſo recht
um paſſatim zu gehn. Weit von den Weinbergen her¬
uͤber hoͤrte man noch zuweilen einen Winzer ſingen,
dazwiſchen blitzte es manchmal von ferne, und die
ganze Gegend zitterte und ſaͤuſelte im Mondenſchein.
Ja manchmal kam es mir vor, als ſchluͤpfte eine lange
dunkle Geſtalt hinter den Haſelnußſtraͤuchen vor dem
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