Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

ßen?" rief ich hinunter. Aber es antwortete Niemand,
ich hörte nur etwas sehr schnell durch die Gesträuche
fortlaufen. Der große Hund im Hofe schlug über mei¬
nem Lärm ein paarmal an, dann war auf einmal alles
wieder still, und die Nachtmusik ließ sich seit dem nicht
wieder vernehmen.

Sonst hatte ich hier ein Leben, wie sich's ein
Mensch nur immer in der Welt wünschen kann. Der
gute Portier! er wußte wohl was er sprach, wenn er
immer zu sagen pflegte, daß in Italien einem die Ro¬
sinen von selbst in den Mund wüchsen. Ich lebte auf
dem einsamen Schlosse wie ein verwunschener Prinz.
Wo ich hintrat, hatten die Leute eine große Ehrerbie¬
tung vor mir, obgleich sie schon alle wußten, daß ich
keinen Heller in der Tasche hatte. Ich durfte nur sa¬
gen: "Tischchen deck' Dich!" so standen auch schon herr¬
liche Speisen, Reis, Wein, Melonen und Parmesan¬
käse da. Ich lies mir's wohlschmecken, schlief in dem
prächtigen Himmelbett, ging im Garten spazieren, mu¬
sizirte und half wohl auch manchmal in der Gärtnerei
nach. Oft lag ich auch Stundenlang im Garten im
hohen Grase, und der schmale Jüngling (es war ein
Schüler und Verwandter der Alten, der eben jetzt hier
zur Vakanz war), ging mit seinem langen Kaputrock
in weiten Kreisen um mich herum, und murmelte da¬
bei, wie ein Zauberer, aus seinem Buche, worüber ich
dann auch jedesmal einschlummerte. -- So verging
ein Tag nach dem andern, bis ich am Ende anfing,
von dem guten Essen und Trinken ganz melankolisch

ßen?“ rief ich hinunter. Aber es antwortete Niemand,
ich hoͤrte nur etwas ſehr ſchnell durch die Geſtraͤuche
fortlaufen. Der große Hund im Hofe ſchlug uͤber mei¬
nem Laͤrm ein paarmal an, dann war auf einmal alles
wieder ſtill, und die Nachtmuſik ließ ſich ſeit dem nicht
wieder vernehmen.

Sonſt hatte ich hier ein Leben, wie ſich's ein
Menſch nur immer in der Welt wuͤnſchen kann. Der
gute Portier! er wußte wohl was er ſprach, wenn er
immer zu ſagen pflegte, daß in Italien einem die Ro¬
ſinen von ſelbſt in den Mund wuͤchſen. Ich lebte auf
dem einſamen Schloſſe wie ein verwunſchener Prinz.
Wo ich hintrat, hatten die Leute eine große Ehrerbie¬
tung vor mir, obgleich ſie ſchon alle wußten, daß ich
keinen Heller in der Taſche hatte. Ich durfte nur ſa¬
gen: „Tiſchchen deck' Dich!“ ſo ſtanden auch ſchon herr¬
liche Speiſen, Reis, Wein, Melonen und Parmeſan¬
kaͤſe da. Ich lies mir's wohlſchmecken, ſchlief in dem
praͤchtigen Himmelbett, ging im Garten ſpazieren, mu¬
ſizirte und half wohl auch manchmal in der Gaͤrtnerei
nach. Oft lag ich auch Stundenlang im Garten im
hohen Graſe, und der ſchmale Juͤngling (es war ein
Schuͤler und Verwandter der Alten, der eben jetzt hier
zur Vakanz war), ging mit ſeinem langen Kaputrock
in weiten Kreiſen um mich herum, und murmelte da¬
bei, wie ein Zauberer, aus ſeinem Buche, woruͤber ich
dann auch jedesmal einſchlummerte. — So verging
ein Tag nach dem andern, bis ich am Ende anfing,
von dem guten Eſſen und Trinken ganz melankoliſch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0081" n="71"/>
ßen?&#x201C; rief ich hinunter. Aber es antwortete Niemand,<lb/>
ich ho&#x0364;rte nur etwas &#x017F;ehr &#x017F;chnell durch die Ge&#x017F;tra&#x0364;uche<lb/>
fortlaufen. Der große Hund im Hofe &#x017F;chlug u&#x0364;ber mei¬<lb/>
nem La&#x0364;rm ein paarmal an, dann war auf einmal alles<lb/>
wieder &#x017F;till, und die Nachtmu&#x017F;ik ließ &#x017F;ich &#x017F;eit dem nicht<lb/>
wieder vernehmen.</p><lb/>
          <p>Son&#x017F;t hatte ich hier ein Leben, wie &#x017F;ich's ein<lb/>
Men&#x017F;ch nur immer in der Welt wu&#x0364;n&#x017F;chen kann. Der<lb/>
gute Portier! er wußte wohl was er &#x017F;prach, wenn er<lb/>
immer zu &#x017F;agen pflegte, daß in Italien einem die Ro¬<lb/>
&#x017F;inen von &#x017F;elb&#x017F;t in den Mund wu&#x0364;ch&#x017F;en. Ich lebte auf<lb/>
dem ein&#x017F;amen Schlo&#x017F;&#x017F;e wie ein verwun&#x017F;chener Prinz.<lb/>
Wo ich hintrat, hatten die Leute eine große Ehrerbie¬<lb/>
tung vor mir, obgleich &#x017F;ie &#x017F;chon alle wußten, daß ich<lb/>
keinen Heller in der Ta&#x017F;che hatte. Ich durfte nur &#x017F;<lb/>
gen: &#x201E;Ti&#x017F;chchen deck' Dich!&#x201C; &#x017F;o &#x017F;tanden auch &#x017F;chon herr¬<lb/>
liche Spei&#x017F;en, Reis, Wein, Melonen und Parme&#x017F;an¬<lb/>
ka&#x0364;&#x017F;e da. Ich lies mir's wohl&#x017F;chmecken, &#x017F;chlief in dem<lb/>
pra&#x0364;chtigen Himmelbett, ging im Garten &#x017F;pazieren, mu¬<lb/>
&#x017F;izirte und half wohl auch manchmal in der Ga&#x0364;rtnerei<lb/>
nach. Oft lag ich auch <choice><sic>Stundenlaug</sic><corr>Stundenlang</corr></choice> im Garten im<lb/>
hohen Gra&#x017F;e, und der &#x017F;chmale Ju&#x0364;ngling (es war ein<lb/>
Schu&#x0364;ler und Verwandter der Alten, der eben jetzt hier<lb/>
zur Vakanz war), ging mit &#x017F;einem langen Kaputrock<lb/>
in weiten Krei&#x017F;en um mich herum, und murmelte da¬<lb/>
bei, wie ein Zauberer, aus &#x017F;einem Buche, woru&#x0364;ber ich<lb/>
dann auch jedesmal ein&#x017F;chlummerte. &#x2014; So verging<lb/>
ein Tag nach dem andern, bis ich am Ende anfing,<lb/>
von dem guten E&#x017F;&#x017F;en und Trinken ganz melankoli&#x017F;ch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0081] ßen?“ rief ich hinunter. Aber es antwortete Niemand, ich hoͤrte nur etwas ſehr ſchnell durch die Geſtraͤuche fortlaufen. Der große Hund im Hofe ſchlug uͤber mei¬ nem Laͤrm ein paarmal an, dann war auf einmal alles wieder ſtill, und die Nachtmuſik ließ ſich ſeit dem nicht wieder vernehmen. Sonſt hatte ich hier ein Leben, wie ſich's ein Menſch nur immer in der Welt wuͤnſchen kann. Der gute Portier! er wußte wohl was er ſprach, wenn er immer zu ſagen pflegte, daß in Italien einem die Ro¬ ſinen von ſelbſt in den Mund wuͤchſen. Ich lebte auf dem einſamen Schloſſe wie ein verwunſchener Prinz. Wo ich hintrat, hatten die Leute eine große Ehrerbie¬ tung vor mir, obgleich ſie ſchon alle wußten, daß ich keinen Heller in der Taſche hatte. Ich durfte nur ſa¬ gen: „Tiſchchen deck' Dich!“ ſo ſtanden auch ſchon herr¬ liche Speiſen, Reis, Wein, Melonen und Parmeſan¬ kaͤſe da. Ich lies mir's wohlſchmecken, ſchlief in dem praͤchtigen Himmelbett, ging im Garten ſpazieren, mu¬ ſizirte und half wohl auch manchmal in der Gaͤrtnerei nach. Oft lag ich auch Stundenlang im Garten im hohen Graſe, und der ſchmale Juͤngling (es war ein Schuͤler und Verwandter der Alten, der eben jetzt hier zur Vakanz war), ging mit ſeinem langen Kaputrock in weiten Kreiſen um mich herum, und murmelte da¬ bei, wie ein Zauberer, aus ſeinem Buche, woruͤber ich dann auch jedesmal einſchlummerte. — So verging ein Tag nach dem andern, bis ich am Ende anfing, von dem guten Eſſen und Trinken ganz melankoliſch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/81
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/81>, abgerufen am 25.11.2024.