Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm und zeiget ihme fast über 40. geschriebene
Processe, der Freund laufft sie mit grosser Ge-
dult durch, und leget ihme andere von seinen
aufgesammelten Processen für, sagende: Wo-
fern der Herr einigen Verstand von der Chy-
mi
e hat, so wird er befinden daß diese Processe
gar leichtlich auszuarbeiten sind, und sind doch
die wenigsten wahr, doch zeigen sie noch endlich
ein Vermögen; aber alle seine Processe sind
nicht eines Hellers werth, ja die Zeit zum Durch-
lesen ist zu edel hierauf zu wenden, darauf fragte
er ihn, hat er etwas in der Feuer-Kunst gethan?
da antwortete er mit Nein, darauf schickte ihn
der Freund fort mit der Lehre er solte derglei-
chen Albertäten müßig gehen, damit er nicht
unter die Rauch-Verkäuffer möchte gerechnet
werden: Ja sprach Eckarth, darumb saget er die-
weil alle Phantasten sich an den Orth verfüg-
ten, müsten sie sich einbilden es wären keine
grössere der Einfalt und Leichtgläubigkeit erge-
bene Personen in Europa, als eben an den Orth.
Aber nichts einfältigers ist, als wann die Leuthe
lauter Experienz in ein hohes Alter setzen, das
muß ihnen alles zeigen können, vel quasi, nicht
auch unter Alten, Phanstaten u. Betrüger ge-
funden würden; und in solchen fast mehr, als
bey niedrigen Alter. Gleichwie einem gewis-
sen Medico in Wien wiederfuhr, zu diesen wur-

de

ihm und zeiget ihme faſt uͤber 40. geſchriebene
Proceſſe, der Freund laufft ſie mit groſſer Ge-
dult durch, und leget ihme andere von ſeinen
aufgeſammelten Proceſſen fuͤr, ſagende: Wo-
fern der Herr einigen Verſtand von der Chy-
mi
e hat, ſo wird er befinden daß dieſe Proceſſe
gar leichtlich auszuarbeiten ſind, und ſind doch
die wenigſten wahr, doch zeigen ſie noch endlich
ein Vermoͤgen; aber alle ſeine Proceſſe ſind
nicht eines Hellers werth, ja die Zeit zum Duꝛch-
leſen iſt zu edel hierauf zu wenden, darauf fragte
er ihn, hat er etwas in der Feuer-Kunſt gethan?
da antwortete er mit Nein, darauf ſchickte ihn
der Freund fort mit der Lehre er ſolte derglei-
chen Albertaͤten muͤßig gehen, damit er nicht
unter die Rauch-Verkaͤuffer moͤchte gerechnet
werden: Ja ſprach Eckarth, darumb ſaget er die-
weil alle Phantaſten ſich an den Orth verfuͤg-
ten, muͤſten ſie ſich einbilden es waͤren keine
groͤſſere der Einfalt und Leichtglaͤubigkeit erge-
bene Perſonen in Europa, als eben an den Orth.
Aber nichts einfaͤltigers iſt, als wann die Leuthe
lauter Experienz in ein hohes Alter ſetzen, das
muß ihnen alles zeigen koͤnnen, vel quaſi, nicht
auch unter Alten, Phanſtaten u. Betruͤger ge-
funden wuͤrden; und in ſolchen faſt mehr, als
bey niedrigen Alter. Gleichwie einem gewiſ-
ſen Medico in Wien wiederfuhr, zu dieſen wur-

de
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0491" n="475"/>
ihm und zeiget ihme fa&#x017F;t u&#x0364;ber 40. ge&#x017F;chriebene<lb/><hi rendition="#aq">Proce&#x017F;&#x017F;e,</hi> der Freund laufft &#x017F;ie mit gro&#x017F;&#x017F;er Ge-<lb/>
dult durch, und leget ihme andere von &#x017F;einen<lb/>
aufge&#x017F;ammelten <hi rendition="#aq">Proce&#x017F;&#x017F;</hi>en fu&#x0364;r, &#x017F;agende: Wo-<lb/>
fern der Herr einigen Ver&#x017F;tand von der <hi rendition="#aq">Chy-<lb/>
mi</hi>e hat, &#x017F;o wird er befinden daß die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Proce&#x017F;&#x017F;e</hi><lb/>
gar leichtlich auszuarbeiten &#x017F;ind, und &#x017F;ind doch<lb/>
die wenig&#x017F;ten wahr, doch zeigen &#x017F;ie noch endlich<lb/>
ein Vermo&#x0364;gen; aber alle &#x017F;eine <hi rendition="#aq">Proce&#x017F;&#x017F;e</hi> &#x017F;ind<lb/>
nicht eines Hellers werth, ja die Zeit zum Du&#xA75B;ch-<lb/>
le&#x017F;en i&#x017F;t zu edel hierauf zu wenden, darauf fragte<lb/>
er ihn, hat er etwas in der Feuer-Kun&#x017F;t gethan?<lb/>
da antwortete er mit Nein, darauf &#x017F;chickte ihn<lb/>
der Freund fort mit der Lehre er &#x017F;olte derglei-<lb/>
chen Alberta&#x0364;ten mu&#x0364;ßig gehen, damit er nicht<lb/>
unter die Rauch-Verka&#x0364;uffer mo&#x0364;chte gerechnet<lb/>
werden: Ja &#x017F;prach Eckarth, darumb &#x017F;aget er die-<lb/>
weil alle Phanta&#x017F;ten &#x017F;ich an den Orth verfu&#x0364;g-<lb/>
ten, mu&#x0364;&#x017F;ten &#x017F;ie &#x017F;ich einbilden es wa&#x0364;ren keine<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere der Einfalt und Leichtgla&#x0364;ubigkeit erge-<lb/>
bene Per&#x017F;onen in <hi rendition="#aq">Europa,</hi> als eben an den Orth.<lb/>
Aber nichts einfa&#x0364;ltigers i&#x017F;t, als wann die Leuthe<lb/>
lauter <hi rendition="#aq">Experienz</hi> in ein hohes Alter &#x017F;etzen, das<lb/>
muß ihnen alles zeigen ko&#x0364;nnen, <hi rendition="#aq">vel qua&#x017F;i,</hi> nicht<lb/>
auch unter Alten, Phan&#x017F;taten u. Betru&#x0364;ger ge-<lb/>
funden wu&#x0364;rden; und in &#x017F;olchen fa&#x017F;t mehr, als<lb/>
bey niedrigen Alter. Gleichwie einem gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en <hi rendition="#aq">Medico</hi> in Wien wiederfuhr, zu die&#x017F;en wur-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">de</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[475/0491] ihm und zeiget ihme faſt uͤber 40. geſchriebene Proceſſe, der Freund laufft ſie mit groſſer Ge- dult durch, und leget ihme andere von ſeinen aufgeſammelten Proceſſen fuͤr, ſagende: Wo- fern der Herr einigen Verſtand von der Chy- mie hat, ſo wird er befinden daß dieſe Proceſſe gar leichtlich auszuarbeiten ſind, und ſind doch die wenigſten wahr, doch zeigen ſie noch endlich ein Vermoͤgen; aber alle ſeine Proceſſe ſind nicht eines Hellers werth, ja die Zeit zum Duꝛch- leſen iſt zu edel hierauf zu wenden, darauf fragte er ihn, hat er etwas in der Feuer-Kunſt gethan? da antwortete er mit Nein, darauf ſchickte ihn der Freund fort mit der Lehre er ſolte derglei- chen Albertaͤten muͤßig gehen, damit er nicht unter die Rauch-Verkaͤuffer moͤchte gerechnet werden: Ja ſprach Eckarth, darumb ſaget er die- weil alle Phantaſten ſich an den Orth verfuͤg- ten, muͤſten ſie ſich einbilden es waͤren keine groͤſſere der Einfalt und Leichtglaͤubigkeit erge- bene Perſonen in Europa, als eben an den Orth. Aber nichts einfaͤltigers iſt, als wann die Leuthe lauter Experienz in ein hohes Alter ſetzen, das muß ihnen alles zeigen koͤnnen, vel quaſi, nicht auch unter Alten, Phanſtaten u. Betruͤger ge- funden wuͤrden; und in ſolchen faſt mehr, als bey niedrigen Alter. Gleichwie einem gewiſ- ſen Medico in Wien wiederfuhr, zu dieſen wur- de

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/491
Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/491>, abgerufen am 22.11.2024.