Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

ten Prügel und auf mich zu, so daß ich meinen
Kopff zwischen die Ohren nahm, umb die
Schläge nicht zu erwarten, lieff ich was ich
lauffen kunte. Nun war in dem anliegenden
Dorffe des Edelmanns Schreiber, welchen ich
zuweilen von meinen Vater Fische brachte, zu
dem gieng ich, und klagte ihm mein Elend, ich
gedachte ich würde da sonderliche Hülffe und ei-
nen Vorsprecher bey meinen unbarmhertzigen
Vater bekommen; Alleine! er sprach zu mir:
Du leichtfertiger Vogel geh deiner Wege, oder
ich will dir Beine machen; ich fieng an zu wei-
nen, da kam die Wirthschaffterin die fragte
mich, was mir wäre? da erzehlte ich ihr meinen
Unfall, die war noch so gut, und gab mir ein
Stück Brodt und Käse, damit gieng ich fort,
nicht wissende, welchen Weg zu meinem Glück
oder Unglück ich mir erwehlen solte. Die Nacht
kam mir auf den Halß, da legte ich mich an einen
Reihn, kunte aber die Nacht über vor Kummer
keinen Schlaff in meine Augen bringen. So
bald der Tag anbrach, sann ich, welchen Weg
zu meinen Glück oder Unglück zu gehen ich er-
greiffen solte, und weil es gantz Wind-stille war,
nahm ich vier Blätter von einer Weide, warff
dieselben mit einen Wurff in die Höhe, losende:
welches Blat am weitesten fallen, und wohin
selbiges mit seiner Spitze weisen würde, densel-

ben

ten Pruͤgel und auf mich zu, ſo daß ich meinen
Kopff zwiſchen die Ohren nahm, umb die
Schlaͤge nicht zu erwarten, lieff ich was ich
lauffen kunte. Nun war in dem anliegenden
Dorffe des Edelmanns Schreiber, welchen ich
zuweilen von meinen Vater Fiſche brachte, zu
dem gieng ich, und klagte ihm mein Elend, ich
gedachte ich wuͤrde da ſonderliche Huͤlffe und ei-
nen Vorſprecher bey meinen unbarmhertzigen
Vater bekommen; Alleine! er ſprach zu mir:
Du leichtfertiger Vogel geh deiner Wege, oder
ich will dir Beine machen; ich fieng an zu wei-
nen, da kam die Wirthſchaffterin die fragte
mich, was mir waͤre? da erzehlte ich ihr meinen
Unfall, die war noch ſo gut, und gab mir ein
Stuͤck Brodt und Kaͤſe, damit gieng ich fort,
nicht wiſſende, welchen Weg zu meinem Gluͤck
oder Ungluͤck ich mir erwehlen ſolte. Die Nacht
kam mir auf den Halß, da legte ich mich an einen
Reihn, kunte aber die Nacht uͤber vor Kummer
keinen Schlaff in meine Augen bringen. So
bald der Tag anbrach, ſann ich, welchen Weg
zu meinen Gluͤck oder Ungluͤck zu gehen ich er-
greiffen ſolte, und weil es gantz Wind-ſtille war,
nahm ich vier Blaͤtter von einer Weide, warff
dieſelben mit einen Wurff in die Hoͤhe, loſende:
welches Blat am weiteſten fallen, und wohin
ſelbiges mit ſeiner Spitze weiſen wuͤrde, denſel-

ben
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0719" n="703"/>
ten Pru&#x0364;gel und auf mich zu, &#x017F;o daß ich meinen<lb/>
Kopff zwi&#x017F;chen die Ohren nahm, umb die<lb/>
Schla&#x0364;ge nicht zu erwarten, lieff ich was ich<lb/>
lauffen kunte. Nun war in dem anliegenden<lb/>
Dorffe des Edelmanns Schreiber, welchen ich<lb/>
zuweilen von meinen Vater Fi&#x017F;che brachte, zu<lb/>
dem gieng ich, und klagte ihm mein Elend, ich<lb/>
gedachte ich wu&#x0364;rde da &#x017F;onderliche Hu&#x0364;lffe und ei-<lb/>
nen Vor&#x017F;precher bey meinen unbarmhertzigen<lb/>
Vater bekommen; Alleine! er &#x017F;prach zu mir:<lb/>
Du leichtfertiger Vogel geh deiner Wege, oder<lb/>
ich will dir Beine machen; ich fieng an zu wei-<lb/>
nen, da kam die Wirth&#x017F;chaffterin die fragte<lb/>
mich, was mir wa&#x0364;re? da erzehlte ich ihr meinen<lb/>
Unfall, die war noch &#x017F;o gut, und gab mir ein<lb/>
Stu&#x0364;ck Brodt und Ka&#x0364;&#x017F;e, damit gieng ich fort,<lb/>
nicht wi&#x017F;&#x017F;ende, welchen Weg zu meinem Glu&#x0364;ck<lb/>
oder Unglu&#x0364;ck ich mir erwehlen &#x017F;olte. Die Nacht<lb/>
kam mir auf den Halß, da legte ich mich an einen<lb/>
Reihn, kunte aber die Nacht u&#x0364;ber vor Kummer<lb/>
keinen Schlaff in meine Augen bringen. So<lb/>
bald der Tag anbrach, &#x017F;ann ich, welchen Weg<lb/>
zu meinen Glu&#x0364;ck oder Unglu&#x0364;ck zu gehen ich er-<lb/>
greiffen &#x017F;olte, und weil es gantz Wind-&#x017F;tille war,<lb/>
nahm ich vier Bla&#x0364;tter von einer Weide, warff<lb/>
die&#x017F;elben mit einen Wurff in die Ho&#x0364;he, lo&#x017F;ende:<lb/>
welches Blat am weite&#x017F;ten fallen, und wohin<lb/>
&#x017F;elbiges mit &#x017F;einer Spitze wei&#x017F;en wu&#x0364;rde, den&#x017F;el-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ben</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[703/0719] ten Pruͤgel und auf mich zu, ſo daß ich meinen Kopff zwiſchen die Ohren nahm, umb die Schlaͤge nicht zu erwarten, lieff ich was ich lauffen kunte. Nun war in dem anliegenden Dorffe des Edelmanns Schreiber, welchen ich zuweilen von meinen Vater Fiſche brachte, zu dem gieng ich, und klagte ihm mein Elend, ich gedachte ich wuͤrde da ſonderliche Huͤlffe und ei- nen Vorſprecher bey meinen unbarmhertzigen Vater bekommen; Alleine! er ſprach zu mir: Du leichtfertiger Vogel geh deiner Wege, oder ich will dir Beine machen; ich fieng an zu wei- nen, da kam die Wirthſchaffterin die fragte mich, was mir waͤre? da erzehlte ich ihr meinen Unfall, die war noch ſo gut, und gab mir ein Stuͤck Brodt und Kaͤſe, damit gieng ich fort, nicht wiſſende, welchen Weg zu meinem Gluͤck oder Ungluͤck ich mir erwehlen ſolte. Die Nacht kam mir auf den Halß, da legte ich mich an einen Reihn, kunte aber die Nacht uͤber vor Kummer keinen Schlaff in meine Augen bringen. So bald der Tag anbrach, ſann ich, welchen Weg zu meinen Gluͤck oder Ungluͤck zu gehen ich er- greiffen ſolte, und weil es gantz Wind-ſtille war, nahm ich vier Blaͤtter von einer Weide, warff dieſelben mit einen Wurff in die Hoͤhe, loſende: welches Blat am weiteſten fallen, und wohin ſelbiges mit ſeiner Spitze weiſen wuͤrde, denſel- ben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Das frühste nachzuweisende Werk: "Des getreuen Ec… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/719
Zitationshilfe: Ettner von Eiteritz, Johann Christoph: Des getreuen Eckarths Medicinischer Maul-Affe Oder der Entlarvte Marckt-Schreyer. [2. Aufl.]. Frankfurt (Main), 1719, S. 703. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eiteritz_affe_1719/719>, abgerufen am 22.11.2024.