Die erste Frage die wir hier zu beantworten pen_149.002 haben, ist folgende: Wenn der pen_149.003 Stoff des Lehrgedichts allgemeine Wahrheiten pen_149.004 sind, und wenn die Dichtkunst die pen_149.005 Lebhaftigkeit der Vorstellungen zu ihrem pen_149.006 höchsten Endzwecke hat; wie kann alsdann pen_149.007 das Lehrgedicht wahres Gedicht seyn? pen_149.008 - Freilich, wenn die Wahrheiten darin pen_149.009 so trocken vorgetragen, die Begriffe so pen_149.010 logisch analysirt, die Beweise so Schritt pen_149.011 vor Schritt geführt würden, wie in eigentlich pen_149.012 wissenschaftlichen Werken; so wäre pen_149.013 das der Lebhaftigkeit durchaus zuwider. pen_149.014 An der Fabel haben wir schon ein Beispiel pen_149.015 gesehen, wie man das Allgemeine pen_149.016 in lebhafte Vorstellung verwandeln kann: pen_149.017 durch Zurückführung nehmlich auf einen pen_149.018 einzelnen Fall, in dem es klar und anschauend pen_149.019 erkannt wird. Ist nun aber der pen_149.020 Dichter bloß auf dieses Mittel eingeschränkt?
pen_149.001
Die erste Frage die wir hier zu beantworten pen_149.002 haben, ist folgende: Wenn der pen_149.003 Stoff des Lehrgedichts allgemeine Wahrheiten pen_149.004 sind, und wenn die Dichtkunst die pen_149.005 Lebhaftigkeit der Vorstellungen zu ihrem pen_149.006 höchsten Endzwecke hat; wie kann alsdann pen_149.007 das Lehrgedicht wahres Gedicht seyn? pen_149.008 – Freilich, wenn die Wahrheiten darin pen_149.009 so trocken vorgetragen, die Begriffe so pen_149.010 logisch analysirt, die Beweise so Schritt pen_149.011 vor Schritt geführt würden, wie in eigentlich pen_149.012 wissenschaftlichen Werken; so wäre pen_149.013 das der Lebhaftigkeit durchaus zuwider. pen_149.014 An der Fabel haben wir schon ein Beispiel pen_149.015 gesehen, wie man das Allgemeine pen_149.016 in lebhafte Vorstellung verwandeln kann: pen_149.017 durch Zurückführung nehmlich auf einen pen_149.018 einzelnen Fall, in dem es klar und anschauend pen_149.019 erkannt wird. Ist nun aber der pen_149.020 Dichter bloß auf dieses Mittel eingeschränkt?
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0190"n="149"/><lbn="pen_149.001"/><p> Die erste Frage die wir hier zu beantworten <lbn="pen_149.002"/>
haben, ist folgende: Wenn der <lbn="pen_149.003"/>
Stoff des Lehrgedichts allgemeine Wahrheiten <lbn="pen_149.004"/>
sind, und wenn die Dichtkunst die <lbn="pen_149.005"/>
Lebhaftigkeit der Vorstellungen zu ihrem <lbn="pen_149.006"/>
höchsten Endzwecke hat; wie kann alsdann <lbn="pen_149.007"/>
das Lehrgedicht wahres Gedicht seyn? <lbn="pen_149.008"/>– Freilich, wenn die Wahrheiten darin <lbn="pen_149.009"/>
so trocken vorgetragen, die Begriffe so <lbn="pen_149.010"/>
logisch analysirt, die Beweise so Schritt <lbn="pen_149.011"/>
vor Schritt geführt würden, wie in eigentlich <lbn="pen_149.012"/>
wissenschaftlichen Werken; so wäre <lbn="pen_149.013"/>
das der <hirendition="#i">Lebhaftigkeit</hi> durchaus zuwider. <lbn="pen_149.014"/>
An der Fabel haben wir schon ein Beispiel <lbn="pen_149.015"/>
gesehen, wie man das Allgemeine <lbn="pen_149.016"/>
in lebhafte Vorstellung verwandeln kann: <lbn="pen_149.017"/>
durch Zurückführung nehmlich auf einen <lbn="pen_149.018"/>
einzelnen Fall, in dem es klar und anschauend <lbn="pen_149.019"/>
erkannt wird. Ist nun aber der <lbn="pen_149.020"/>
Dichter bloß auf dieses Mittel eingeschränkt?
</p></div></body></text></TEI>
[149/0190]
pen_149.001
Die erste Frage die wir hier zu beantworten pen_149.002
haben, ist folgende: Wenn der pen_149.003
Stoff des Lehrgedichts allgemeine Wahrheiten pen_149.004
sind, und wenn die Dichtkunst die pen_149.005
Lebhaftigkeit der Vorstellungen zu ihrem pen_149.006
höchsten Endzwecke hat; wie kann alsdann pen_149.007
das Lehrgedicht wahres Gedicht seyn? pen_149.008
– Freilich, wenn die Wahrheiten darin pen_149.009
so trocken vorgetragen, die Begriffe so pen_149.010
logisch analysirt, die Beweise so Schritt pen_149.011
vor Schritt geführt würden, wie in eigentlich pen_149.012
wissenschaftlichen Werken; so wäre pen_149.013
das der Lebhaftigkeit durchaus zuwider. pen_149.014
An der Fabel haben wir schon ein Beispiel pen_149.015
gesehen, wie man das Allgemeine pen_149.016
in lebhafte Vorstellung verwandeln kann: pen_149.017
durch Zurückführung nehmlich auf einen pen_149.018
einzelnen Fall, in dem es klar und anschauend pen_149.019
erkannt wird. Ist nun aber der pen_149.020
Dichter bloß auf dieses Mittel eingeschränkt?
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806/190>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.