Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806.

Bild:
<< vorherige Seite

pen_411.001
Romeo, wo der Ausgang glücklich ist, ein pen_411.002
nicht leichtes Problem: wie der Vater bei pen_411.003
der Erscheinung seiner als todt beweinten pen_411.004
Tochter eigentlich gerührt werden pen_411.005
sollte? Die erste Empfindung zwar ließ pen_411.006
sich ohne Mühe bestimmen: sie war pen_411.007
schreckhaftes Erstaunen; aber die nun pen_411.008
sich entwickelnde zweite Empfindung? pen_411.009
Man denke sich ganz in die Lage eines pen_411.010
Vaters hinein, der zwar von der innigsten pen_411.011
Liebe seines Kindes durchdrungen pen_411.012
ist, sich zwar als dem Mörder desselben pen_411.013
die bittersten Vorwürfe macht; der jedoch pen_411.014
zugleich, selbst in der Bitterkeit pen_411.015
dieser Vorwürfe, selbst in der Heftigkeit pen_411.016
seines Schmerzens, sein Recht auf die zärtlichste pen_411.017
Ehrerbietung dieses Kindes fühlt, pen_411.018
und der nun auf einmal nicht anders pen_411.019
denken kann, als daß er geäfft, betrogen, pen_411.020
daß er nicht allein vergebens, sondern

pen_411.001
Romeo, wo der Ausgang glücklich ist, ein pen_411.002
nicht leichtes Problem: wie der Vater bei pen_411.003
der Erscheinung seiner als todt beweinten pen_411.004
Tochter eigentlich gerührt werden pen_411.005
sollte? Die erste Empfindung zwar ließ pen_411.006
sich ohne Mühe bestimmen: sie war pen_411.007
schreckhaftes Erstaunen; aber die nun pen_411.008
sich entwickelnde zweite Empfindung? pen_411.009
Man denke sich ganz in die Lage eines pen_411.010
Vaters hinein, der zwar von der innigsten pen_411.011
Liebe seines Kindes durchdrungen pen_411.012
ist, sich zwar als dem Mörder desselben pen_411.013
die bittersten Vorwürfe macht; der jedoch pen_411.014
zugleich, selbst in der Bitterkeit pen_411.015
dieser Vorwürfe, selbst in der Heftigkeit pen_411.016
seines Schmerzens, sein Recht auf die zärtlichste pen_411.017
Ehrerbietung dieses Kindes fühlt, pen_411.018
und der nun auf einmal nicht anders pen_411.019
denken kann, als daß er geäfft, betrogen, pen_411.020
daß er nicht allein vergebens, sondern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0454" n="411"/><lb n="pen_411.001"/>
Romeo, wo der Ausgang glücklich ist, ein <lb n="pen_411.002"/>
nicht leichtes Problem: wie der Vater bei <lb n="pen_411.003"/>
der Erscheinung seiner als todt beweinten <lb n="pen_411.004"/>
Tochter eigentlich gerührt werden <lb n="pen_411.005"/>
sollte? Die erste Empfindung zwar ließ <lb n="pen_411.006"/>
sich ohne Mühe bestimmen: sie war <lb n="pen_411.007"/>
schreckhaftes Erstaunen; aber die nun <lb n="pen_411.008"/>
sich entwickelnde zweite Empfindung? <lb n="pen_411.009"/>
Man denke sich ganz in die Lage eines <lb n="pen_411.010"/>
Vaters hinein, der zwar von der innigsten <lb n="pen_411.011"/>
Liebe seines Kindes durchdrungen <lb n="pen_411.012"/>
ist, sich zwar als dem Mörder desselben <lb n="pen_411.013"/>
die bittersten Vorwürfe macht; der jedoch <lb n="pen_411.014"/>
zugleich, selbst in der Bitterkeit <lb n="pen_411.015"/>
dieser Vorwürfe, selbst in der Heftigkeit <lb n="pen_411.016"/>
seines Schmerzens, sein Recht auf die zärtlichste <lb n="pen_411.017"/>
Ehrerbietung dieses Kindes fühlt, <lb n="pen_411.018"/>
und der nun auf einmal nicht anders <lb n="pen_411.019"/>
denken kann, als daß er geäfft, betrogen, <lb n="pen_411.020"/>
daß er nicht allein vergebens, sondern
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0454] pen_411.001 Romeo, wo der Ausgang glücklich ist, ein pen_411.002 nicht leichtes Problem: wie der Vater bei pen_411.003 der Erscheinung seiner als todt beweinten pen_411.004 Tochter eigentlich gerührt werden pen_411.005 sollte? Die erste Empfindung zwar ließ pen_411.006 sich ohne Mühe bestimmen: sie war pen_411.007 schreckhaftes Erstaunen; aber die nun pen_411.008 sich entwickelnde zweite Empfindung? pen_411.009 Man denke sich ganz in die Lage eines pen_411.010 Vaters hinein, der zwar von der innigsten pen_411.011 Liebe seines Kindes durchdrungen pen_411.012 ist, sich zwar als dem Mörder desselben pen_411.013 die bittersten Vorwürfe macht; der jedoch pen_411.014 zugleich, selbst in der Bitterkeit pen_411.015 dieser Vorwürfe, selbst in der Heftigkeit pen_411.016 seines Schmerzens, sein Recht auf die zärtlichste pen_411.017 Ehrerbietung dieses Kindes fühlt, pen_411.018 und der nun auf einmal nicht anders pen_411.019 denken kann, als daß er geäfft, betrogen, pen_411.020 daß er nicht allein vergebens, sondern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806/454
Zitationshilfe: Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806/454>, abgerufen am 22.11.2024.