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Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806.

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Erfahrungen von menschlicher Natur überhaupt pen_413.002
und von gewissen Charakteren insbesondere, pen_413.003
nach dem allgemeinen Begriff pen_413.004
den wir uns von gewissen Zeitaltern und pen_413.005
Nationen abgezogen haben, einrichten pen_413.006
müsse. Die wirkliche Wahrheit kann ohne pen_413.007
Wahrscheinlichkeit seyn; und die letztere pen_413.008
muß dem Dichter mehr als die erstere pen_413.009
gelten. Es ist eine schreckliche Rachgier, pen_413.010
die in unsrer Romanze der Vater des pen_413.011
Fräuleins in der Drohung äußert, welche pen_413.012
zwar freilich noch nicht That ist:

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"Nicht rasten will ich Tag und Nacht, pen_413.014
Bis daß ich nieder ihn gemacht, pen_413.015
Das Herz ihm ausgerissen, pen_413.016
Und das dir nachgeschmissen!"

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Allein die Rauhigkeit der Zeiten, in welche pen_413.018
uns der Dichter hineinführt, erlaubt pen_413.019
diese Stärke, diese Wildheit des Ausdrucks. pen_413.020
Man treibe diesen Ausdruck noch

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Erfahrungen von menschlicher Natur überhaupt pen_413.002
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nach dem allgemeinen Begriff pen_413.004
den wir uns von gewissen Zeitaltern und pen_413.005
Nationen abgezogen haben, einrichten pen_413.006
müsse. Die wirkliche Wahrheit kann ohne pen_413.007
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muß dem Dichter mehr als die erstere pen_413.009
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die in unsrer Romanze der Vater des pen_413.011
Fräuleins in der Drohung äußert, welche pen_413.012
zwar freilich noch nicht That ist:

pen_413.013

„Nicht rasten will ich Tag und Nacht, pen_413.014
Bis daß ich nieder ihn gemacht, pen_413.015
Das Herz ihm ausgerissen, pen_413.016
Und das dir nachgeschmissen!“

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Allein die Rauhigkeit der Zeiten, in welche pen_413.018
uns der Dichter hineinführt, erlaubt pen_413.019
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[413/0456] pen_413.001 Erfahrungen von menschlicher Natur überhaupt pen_413.002 und von gewissen Charakteren insbesondere, pen_413.003 nach dem allgemeinen Begriff pen_413.004 den wir uns von gewissen Zeitaltern und pen_413.005 Nationen abgezogen haben, einrichten pen_413.006 müsse. Die wirkliche Wahrheit kann ohne pen_413.007 Wahrscheinlichkeit seyn; und die letztere pen_413.008 muß dem Dichter mehr als die erstere pen_413.009 gelten. Es ist eine schreckliche Rachgier, pen_413.010 die in unsrer Romanze der Vater des pen_413.011 Fräuleins in der Drohung äußert, welche pen_413.012 zwar freilich noch nicht That ist: pen_413.013 „Nicht rasten will ich Tag und Nacht, pen_413.014 Bis daß ich nieder ihn gemacht, pen_413.015 Das Herz ihm ausgerissen, pen_413.016 Und das dir nachgeschmissen!“ pen_413.017 Allein die Rauhigkeit der Zeiten, in welche pen_413.018 uns der Dichter hineinführt, erlaubt pen_413.019 diese Stärke, diese Wildheit des Ausdrucks. pen_413.020 Man treibe diesen Ausdruck noch

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Zitationshilfe: Engel, Johann Jakob: Engel's Theorie der Dichtungsarten. In: J. J. Engels Schriften. Elfter Band: Poetik. Berlin, 1806, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/engel_poetik_1806/456>, abgerufen am 26.06.2024.