Gegen Mittag erreichten wir den trüben reis- senden Missouri, und fuhren in einem Boote nach St. Charles über. Diese Stadt ist jetzt sehr im Aufblühen begriffen; es werden mehrere sehr hübsche Häuser aus Backsteinen erbauet. Die Post fährt nicht weiter; daher machte ich eine kleine Fußreise in die Umgegend. Wald und kleine Wiesen wechselten mit einander ab; aber eben sehr fruchtbar fand ich den Boden nicht. Die Wein- trauben waren nun reif, und boten sich dem Wanderer zur Labung dar. Oft sind niedrige von Reben überzogene Bäume, wenn man die Zweige von einander biegt, inwendig ganz schwarz von den dunkeln Trauben. Ihr Geschmack ist süßsauer, oft pikant. Sie sind durch ganz Ame- rika zu Hause, vorzüglich in fruchtbaren Wiesen.
Spät gegen Abend erreichte ich eine Woh- nung, deren Bewohner mich sehr freundschaftlich bewirthete. Neben ihm wohnte ein Schwarzbur- ger, Namens Krieter, welcher 1817 aus Eu- ropa gewandert war. Er war vielfältig, vorzüg- lich in Holland, betrogen worden, gerade so, wie es der Herr Fürstenwerther in seiner Schrift: "der Deutsche in Amerika," beschreibt. Dieser gute Mann führte mich zu einem Canadi- schen Franzosen, Namens Bernhard, welcher hier bereits seit 42 Jahren wohnt. Seine Pflan-
Gegen Mittag erreichten wir den truͤben reiſ- ſenden Miſſouri, und fuhren in einem Boote nach St. Charles uͤber. Dieſe Stadt iſt jetzt ſehr im Aufbluͤhen begriffen; es werden mehrere ſehr huͤbſche Haͤuſer aus Backſteinen erbauet. Die Poſt faͤhrt nicht weiter; daher machte ich eine kleine Fußreiſe in die Umgegend. Wald und kleine Wieſen wechſelten mit einander ab; aber eben ſehr fruchtbar fand ich den Boden nicht. Die Wein- trauben waren nun reif, und boten ſich dem Wanderer zur Labung dar. Oft ſind niedrige von Reben uͤberzogene Baͤume, wenn man die Zweige von einander biegt, inwendig ganz ſchwarz von den dunkeln Trauben. Ihr Geſchmack iſt ſuͤßſauer, oft pikant. Sie ſind durch ganz Ame- rika zu Hauſe, vorzuͤglich in fruchtbaren Wieſen.
Spaͤt gegen Abend erreichte ich eine Woh- nung, deren Bewohner mich ſehr freundſchaftlich bewirthete. Neben ihm wohnte ein Schwarzbur- ger, Namens Krieter, welcher 1817 aus Eu- ropa gewandert war. Er war vielfaͤltig, vorzuͤg- lich in Holland, betrogen worden, gerade ſo, wie es der Herr Fuͤrſtenwerther in ſeiner Schrift: „der Deutſche in Amerika,“ beſchreibt. Dieſer gute Mann fuͤhrte mich zu einem Canadi- ſchen Franzoſen, Namens Bernhard, welcher hier bereits ſeit 42 Jahren wohnt. Seine Pflan-
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="diaryEntry"n="2"><pbfacs="#f0125"n="111"/><p>Gegen Mittag erreichten wir den truͤben reiſ-<lb/>ſenden Miſſouri, und fuhren in einem Boote nach<lb/><hirendition="#g">St. Charles</hi> uͤber. Dieſe Stadt iſt jetzt ſehr<lb/>
im Aufbluͤhen begriffen; es werden mehrere ſehr<lb/>
huͤbſche Haͤuſer aus Backſteinen erbauet. Die<lb/>
Poſt faͤhrt nicht weiter; daher machte ich eine<lb/>
kleine Fußreiſe in die Umgegend. Wald und kleine<lb/>
Wieſen wechſelten mit einander ab; aber eben ſehr<lb/>
fruchtbar fand ich den Boden nicht. Die Wein-<lb/>
trauben waren nun reif, und boten ſich dem<lb/>
Wanderer zur Labung dar. Oft ſind niedrige<lb/>
von Reben uͤberzogene Baͤume, wenn man die<lb/>
Zweige von einander biegt, inwendig ganz ſchwarz<lb/>
von den dunkeln Trauben. Ihr Geſchmack iſt<lb/>ſuͤßſauer, oft pikant. Sie ſind durch ganz Ame-<lb/>
rika zu Hauſe, vorzuͤglich in fruchtbaren Wieſen.</p><lb/><p>Spaͤt gegen Abend erreichte ich eine Woh-<lb/>
nung, deren Bewohner mich ſehr freundſchaftlich<lb/>
bewirthete. Neben ihm wohnte ein Schwarzbur-<lb/>
ger, Namens <hirendition="#g">Krieter</hi>, welcher 1817 aus Eu-<lb/>
ropa gewandert war. Er war vielfaͤltig, vorzuͤg-<lb/>
lich in Holland, betrogen worden, gerade ſo, wie<lb/>
es der Herr <hirendition="#g">Fuͤrſtenwerther</hi> in ſeiner Schrift:<lb/>„<hirendition="#g">der Deutſche in Amerika</hi>,“ beſchreibt.<lb/>
Dieſer gute Mann fuͤhrte mich zu einem Canadi-<lb/>ſchen Franzoſen, Namens <hirendition="#g">Bernhard</hi>, welcher<lb/>
hier bereits ſeit 42 Jahren wohnt. Seine Pflan-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[111/0125]
Gegen Mittag erreichten wir den truͤben reiſ-
ſenden Miſſouri, und fuhren in einem Boote nach
St. Charles uͤber. Dieſe Stadt iſt jetzt ſehr
im Aufbluͤhen begriffen; es werden mehrere ſehr
huͤbſche Haͤuſer aus Backſteinen erbauet. Die
Poſt faͤhrt nicht weiter; daher machte ich eine
kleine Fußreiſe in die Umgegend. Wald und kleine
Wieſen wechſelten mit einander ab; aber eben ſehr
fruchtbar fand ich den Boden nicht. Die Wein-
trauben waren nun reif, und boten ſich dem
Wanderer zur Labung dar. Oft ſind niedrige
von Reben uͤberzogene Baͤume, wenn man die
Zweige von einander biegt, inwendig ganz ſchwarz
von den dunkeln Trauben. Ihr Geſchmack iſt
ſuͤßſauer, oft pikant. Sie ſind durch ganz Ame-
rika zu Hauſe, vorzuͤglich in fruchtbaren Wieſen.
Spaͤt gegen Abend erreichte ich eine Woh-
nung, deren Bewohner mich ſehr freundſchaftlich
bewirthete. Neben ihm wohnte ein Schwarzbur-
ger, Namens Krieter, welcher 1817 aus Eu-
ropa gewandert war. Er war vielfaͤltig, vorzuͤg-
lich in Holland, betrogen worden, gerade ſo, wie
es der Herr Fuͤrſtenwerther in ſeiner Schrift:
„der Deutſche in Amerika,“ beſchreibt.
Dieſer gute Mann fuͤhrte mich zu einem Canadi-
ſchen Franzoſen, Namens Bernhard, welcher
hier bereits ſeit 42 Jahren wohnt. Seine Pflan-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ernst, Ferdinand: Bemerkungen auf einer Reise durch das Innere der vereinigten Staaten von Nord-Amerika im Jahre 1819. Hildesheim, 1820, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ernst_nordamerika_1820/125>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.