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Ernst, Ferdinand: Bemerkungen auf einer Reise durch das Innere der vereinigten Staaten von Nord-Amerika im Jahre 1819. Hildesheim, 1820.

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dieses Uebel, welches von den Ueberschwemmun-
gen des Mississippi und dem feuchten Boden her-
rührt, bessert nach und nach die Zeit. Man hat
bemerkt, daß von Jahr zu Jahr dieses Thal theils
mehr abtrocknet, theils auch gegenwärtig vom
Flusse nur selten, und nur an den niedern Stel-
len überschwemmt wird. Seit 30 Jahren ist
Kaskaskia nicht mehr überschwemmt worden. --
In der katholischen Kirche daselbst fand ich eine
ziemlich zahlreiche Gemeine versammelt. Des
junge wohlgebildete Prediger erbauete in Franzö-
sischer Sprache mit einer so seltenen Wohlredenheit
und einer so schönen Aussprache, daß ich mich
höchlich darüber wunderte, weil mir dergleichen
ganz unerwartet gewesen war.

Nachmittags hatte ich die Ehre, beim Herrn
Gouverneur Bond zum Thee eingeladen zu wer-
den, wo ich zum erstenmale in der neuen Welt
mich in eine Gesellschaft vornehmer Damen ver-
setzt sah. Man bewies mir allgemein eine große
Aufmerksamkeit und zuvorkommende Güte. Das,
was dem Fremden, mit der Landessprache und
den Sitten gewöhnlich zu wenig Vertrauten, sehr
angenehm zu Statten kommt, ist die Verbannung
aller sogenannten Etiquette und unnöthigen Com-
plimente aus höhern und niedern Gesellschaften.

dieſes Uebel, welches von den Ueberſchwemmun-
gen des Miſſiſſippi und dem feuchten Boden her-
ruͤhrt, beſſert nach und nach die Zeit. Man hat
bemerkt, daß von Jahr zu Jahr dieſes Thal theils
mehr abtrocknet, theils auch gegenwaͤrtig vom
Fluſſe nur ſelten, und nur an den niedern Stel-
len uͤberſchwemmt wird. Seit 30 Jahren iſt
Kaskaskia nicht mehr uͤberſchwemmt worden. —
In der katholiſchen Kirche daſelbſt fand ich eine
ziemlich zahlreiche Gemeine verſammelt. Des
junge wohlgebildete Prediger erbauete in Franzoͤ-
ſiſcher Sprache mit einer ſo ſeltenen Wohlredenheit
und einer ſo ſchoͤnen Ausſprache, daß ich mich
hoͤchlich daruͤber wunderte, weil mir dergleichen
ganz unerwartet geweſen war.

Nachmittags hatte ich die Ehre, beim Herrn
Gouverneur Bond zum Thee eingeladen zu wer-
den, wo ich zum erſtenmale in der neuen Welt
mich in eine Geſellſchaft vornehmer Damen ver-
ſetzt ſah. Man bewies mir allgemein eine große
Aufmerkſamkeit und zuvorkommende Guͤte. Das,
was dem Fremden, mit der Landesſprache und
den Sitten gewoͤhnlich zu wenig Vertrauten, ſehr
angenehm zu Statten kommt, iſt die Verbannung
aller ſogenannten Etiquette und unnoͤthigen Com-
plimente aus hoͤhern und niedern Geſellſchaften.

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[60/0074] dieſes Uebel, welches von den Ueberſchwemmun- gen des Miſſiſſippi und dem feuchten Boden her- ruͤhrt, beſſert nach und nach die Zeit. Man hat bemerkt, daß von Jahr zu Jahr dieſes Thal theils mehr abtrocknet, theils auch gegenwaͤrtig vom Fluſſe nur ſelten, und nur an den niedern Stel- len uͤberſchwemmt wird. Seit 30 Jahren iſt Kaskaskia nicht mehr uͤberſchwemmt worden. — In der katholiſchen Kirche daſelbſt fand ich eine ziemlich zahlreiche Gemeine verſammelt. Des junge wohlgebildete Prediger erbauete in Franzoͤ- ſiſcher Sprache mit einer ſo ſeltenen Wohlredenheit und einer ſo ſchoͤnen Ausſprache, daß ich mich hoͤchlich daruͤber wunderte, weil mir dergleichen ganz unerwartet geweſen war. Nachmittags hatte ich die Ehre, beim Herrn Gouverneur Bond zum Thee eingeladen zu wer- den, wo ich zum erſtenmale in der neuen Welt mich in eine Geſellſchaft vornehmer Damen ver- ſetzt ſah. Man bewies mir allgemein eine große Aufmerkſamkeit und zuvorkommende Guͤte. Das, was dem Fremden, mit der Landesſprache und den Sitten gewoͤhnlich zu wenig Vertrauten, ſehr angenehm zu Statten kommt, iſt die Verbannung aller ſogenannten Etiquette und unnoͤthigen Com- plimente aus hoͤhern und niedern Geſellſchaften.

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Zitationshilfe: Ernst, Ferdinand: Bemerkungen auf einer Reise durch das Innere der vereinigten Staaten von Nord-Amerika im Jahre 1819. Hildesheim, 1820, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ernst_nordamerika_1820/74>, abgerufen am 18.05.2024.