Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Feuchtwarm ein lauer Wind;
Die Kälte ist gewichen, es thaut
Vom Dach und blinkt
Sprühregengleich, wie Nebel,
Der glitzernd leise sinkt.
Auf das Gelände stützet
Sich Guda, blickt hinaus,
Hier, still und fern von Allen,
Hier weinet sie sich aus.
Und als die Thränen rinnen,
So süß und sehnsuchtsbang,
Und endlich trocknen, zieht es
Wie jubelnder Gesang,
Gott preisend, durch die Seele;
Doch Worte hat sie nicht,
Sie fühlt nur, tief im Herzen
Ist's frühlingswarm und licht.
Verwirrte Reime schwirren
Wie Goldstaub durch die Brust,
Sie fühlt heut nur die Lieder
Und denkt sie unbewußt:
"Was starret rings doch Eis und Schnee
Mir kalt und bleich entgegen?
Ach, Gott, es muß im Sonnenschein
Doch blühen aller Wegen!
Ich schließe Aug' und Ohr nicht zu
Und hör' doch Vöglein singen
Und hör' durch Sturm und Schneegetreib
Glücksel'ge Mailust klingen!
Und höre Läuten wundervoll
Wie frommer Kirchenglocken,
Feuchtwarm ein lauer Wind;
Die Kälte iſt gewichen, es thaut
Vom Dach und blinkt
Sprühregengleich, wie Nebel,
Der glitzernd leiſe ſinkt.
Auf das Gelände ſtützet
Sich Guda, blickt hinaus,
Hier, ſtill und fern von Allen,
Hier weinet ſie ſich aus.
Und als die Thränen rinnen,
So ſüß und ſehnſuchtsbang,
Und endlich trocknen, zieht es
Wie jubelnder Geſang,
Gott preiſend, durch die Seele;
Doch Worte hat ſie nicht,
Sie fühlt nur, tief im Herzen
Iſt's frühlingswarm und licht.
Verwirrte Reime ſchwirren
Wie Goldſtaub durch die Bruſt,
Sie fühlt heut nur die Lieder
Und denkt ſie unbewußt:
„Was ſtarret rings doch Eis und Schnee
Mir kalt und bleich entgegen?
Ach, Gott, es muß im Sonnenſchein
Doch blühen aller Wegen!
Ich ſchließe Aug' und Ohr nicht zu
Und hör' doch Vöglein ſingen
Und hör' durch Sturm und Schneegetreib
Glückſel'ge Mailuſt klingen!
Und höre Läuten wundervoll
Wie frommer Kirchenglocken,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0203" n="189"/>
          <lg n="4">
            <l>Feuchtwarm ein lauer Wind;</l><lb/>
            <l>Die Kälte i&#x017F;t gewichen, es thaut</l><lb/>
            <l>Vom Dach und blinkt</l><lb/>
            <l>Sprühregengleich, wie Nebel,</l><lb/>
            <l>Der glitzernd lei&#x017F;e &#x017F;inkt.</l><lb/>
            <l>Auf das Gelände &#x017F;tützet</l><lb/>
            <l>Sich Guda, blickt hinaus,</l><lb/>
            <l>Hier, &#x017F;till und fern von Allen,</l><lb/>
            <l>Hier weinet &#x017F;ie &#x017F;ich aus.</l><lb/>
            <l>Und als die Thränen rinnen,</l><lb/>
            <l>So &#x017F;üß und &#x017F;ehn&#x017F;uchtsbang,</l><lb/>
            <l>Und endlich trocknen, zieht es</l><lb/>
            <l>Wie jubelnder Ge&#x017F;ang,</l><lb/>
            <l>Gott prei&#x017F;end, durch die Seele;</l><lb/>
            <l>Doch Worte hat &#x017F;ie nicht,</l><lb/>
            <l>Sie fühlt nur, tief im Herzen</l><lb/>
            <l>I&#x017F;t's frühlingswarm und licht.</l><lb/>
            <l>Verwirrte Reime &#x017F;chwirren</l><lb/>
            <l>Wie Gold&#x017F;taub durch die Bru&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Sie <hi rendition="#g">fühlt</hi> heut nur die Lieder</l><lb/>
            <l>Und denkt &#x017F;ie unbewußt:</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="5">
            <l rendition="#et">&#x201E;Was &#x017F;tarret rings doch Eis und Schnee</l><lb/>
            <l rendition="#et">Mir kalt und bleich entgegen?</l><lb/>
            <l rendition="#et">Ach, Gott, es muß im Sonnen&#x017F;chein</l><lb/>
            <l rendition="#et">Doch blühen aller Wegen!</l><lb/>
            <l rendition="#et">Ich &#x017F;chließe Aug' und Ohr nicht zu</l><lb/>
            <l rendition="#et">Und hör' doch Vöglein &#x017F;ingen</l><lb/>
            <l rendition="#et">Und hör' durch Sturm und Schneegetreib</l><lb/>
            <l rendition="#et">Glück&#x017F;el'ge Mailu&#x017F;t klingen!</l><lb/>
            <l rendition="#et">Und höre Läuten wundervoll</l><lb/>
            <l rendition="#et">Wie frommer Kirchenglocken,</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0203] Feuchtwarm ein lauer Wind; Die Kälte iſt gewichen, es thaut Vom Dach und blinkt Sprühregengleich, wie Nebel, Der glitzernd leiſe ſinkt. Auf das Gelände ſtützet Sich Guda, blickt hinaus, Hier, ſtill und fern von Allen, Hier weinet ſie ſich aus. Und als die Thränen rinnen, So ſüß und ſehnſuchtsbang, Und endlich trocknen, zieht es Wie jubelnder Geſang, Gott preiſend, durch die Seele; Doch Worte hat ſie nicht, Sie fühlt nur, tief im Herzen Iſt's frühlingswarm und licht. Verwirrte Reime ſchwirren Wie Goldſtaub durch die Bruſt, Sie fühlt heut nur die Lieder Und denkt ſie unbewußt: „Was ſtarret rings doch Eis und Schnee Mir kalt und bleich entgegen? Ach, Gott, es muß im Sonnenſchein Doch blühen aller Wegen! Ich ſchließe Aug' und Ohr nicht zu Und hör' doch Vöglein ſingen Und hör' durch Sturm und Schneegetreib Glückſel'ge Mailuſt klingen! Und höre Läuten wundervoll Wie frommer Kirchenglocken,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/203
Zitationshilfe: Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/203>, abgerufen am 21.11.2024.