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Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.

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Und er sah, gewiegt im Sattel,
Einer Jungfrau düster Prangen;
Schwarz weht ihr Gewand und Schleier,
Bleich wie Marmor schau'n die Wangen.
Frühling liebt nicht dunkle Farben,
Liebt kein Auge feucht von Thränen,
Keine Seufzer, keine Klagen
Und kein ungestilltes Sehnen,
Also flog er kosend näher,
Flüsterte mit süßem Wehen:
"Nimm den Frühling auf im Herzen,
Dann wird all' Dein Leid vergehen!"
Nella aber seufzte traurig:
"Mir hilft weder Lenz noch Sonne,
Ach, in ew'ge Nacht versunken
Ist mir meines Lebens Wonne!
Will d'rum ewig von ihm scheiden
Und den frommen Schleier tragen,
In dem Kloster will ich weinend
Meiner Liebe Leid beklagen.
Seit mir gestern Todeskunde
Von dem Liebsten ward geschicket,
Ist der Blüthenbaum des Lebens
Bis zur Wurzel mir geknicket,
Abgestorben, welk und klagend,
Letzter Rest viel stolzer Habe,
Trauert er, zu spät erkennend,
Auf des Glückes frühem Grabe!
Ach, die Schlang', die ihn gestochen,
Gift'ger Wurm, der ihn benaget,
War mein Stolz, unsel'ger Stolz nur,
Und er ſah, gewiegt im Sattel,
Einer Jungfrau düſter Prangen;
Schwarz weht ihr Gewand und Schleier,
Bleich wie Marmor ſchau'n die Wangen.
Frühling liebt nicht dunkle Farben,
Liebt kein Auge feucht von Thränen,
Keine Seufzer, keine Klagen
Und kein ungeſtilltes Sehnen,
Alſo flog er koſend näher,
Flüſterte mit ſüßem Wehen:
„Nimm den Frühling auf im Herzen,
Dann wird all' Dein Leid vergehen!“
Nella aber ſeufzte traurig:
„Mir hilft weder Lenz noch Sonne,
Ach, in ew'ge Nacht verſunken
Iſt mir meines Lebens Wonne!
Will d'rum ewig von ihm ſcheiden
Und den frommen Schleier tragen,
In dem Kloſter will ich weinend
Meiner Liebe Leid beklagen.
Seit mir geſtern Todeskunde
Von dem Liebſten ward geſchicket,
Iſt der Blüthenbaum des Lebens
Bis zur Wurzel mir geknicket,
Abgeſtorben, welk und klagend,
Letzter Reſt viel ſtolzer Habe,
Trauert er, zu ſpät erkennend,
Auf des Glückes frühem Grabe!
Ach, die Schlang', die ihn geſtochen,
Gift'ger Wurm, der ihn benaget,
War mein Stolz, unſel'ger Stolz nur,
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[203/0217] Und er ſah, gewiegt im Sattel, Einer Jungfrau düſter Prangen; Schwarz weht ihr Gewand und Schleier, Bleich wie Marmor ſchau'n die Wangen. Frühling liebt nicht dunkle Farben, Liebt kein Auge feucht von Thränen, Keine Seufzer, keine Klagen Und kein ungeſtilltes Sehnen, Alſo flog er koſend näher, Flüſterte mit ſüßem Wehen: „Nimm den Frühling auf im Herzen, Dann wird all' Dein Leid vergehen!“ Nella aber ſeufzte traurig: „Mir hilft weder Lenz noch Sonne, Ach, in ew'ge Nacht verſunken Iſt mir meines Lebens Wonne! Will d'rum ewig von ihm ſcheiden Und den frommen Schleier tragen, In dem Kloſter will ich weinend Meiner Liebe Leid beklagen. Seit mir geſtern Todeskunde Von dem Liebſten ward geſchicket, Iſt der Blüthenbaum des Lebens Bis zur Wurzel mir geknicket, Abgeſtorben, welk und klagend, Letzter Reſt viel ſtolzer Habe, Trauert er, zu ſpät erkennend, Auf des Glückes frühem Grabe! Ach, die Schlang', die ihn geſtochen, Gift'ger Wurm, der ihn benaget, War mein Stolz, unſel'ger Stolz nur,

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Zitationshilfe: Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/217>, abgerufen am 15.05.2024.