Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.Oder gar mit Ueberlegung,
Wie ein Schandbub', ihn erschlagen? Hat er mich nicht wild gereizet, Mich betrogen! -- seine Waffe Drohend gegen mich gezücket?! War das Blut in meinen Adern Etwa kühl wie sonst am Tage? Hat der Wein nicht meine Sinne So erhitzt, daß jeglich Denken, Ueberlegen mir gestört war? Und -- zum Teufel -- war nicht Alles, Was ich that, nur eitel Nothwehr? Wenn ich mir mein Leben wahre Und den Feind zu Boden strecke, Bin ich dann ein Mörder, Wunfried?" "Vor dem weltlichen Gerichte Nicht! -- denn diese Gründe, Junker, Dienen wohl, Euch zu entschuld'gen, Aber doch nicht zu entlasten. Und Gerechtigkeit auf Erden, Die ein Menschengeist erklügelt, Kränkelt auch an Menschenschwäche Und sieht nur mit ird'schem Auge Und mißt nur mit eignem Maaße, Das sie dehnt ganz nach Behagen Und verkürzt in eitel Willkür! Ich hingegen, als der Kirche Diener und als Gottes Stimme, Sehe rechts und links nicht, sehe Einzig Eure nackte Sünde, Kahl und unbemäntelt, sehe Oder gar mit Ueberlegung,
Wie ein Schandbub', ihn erſchlagen? Hat er mich nicht wild gereizet, Mich betrogen! — ſeine Waffe Drohend gegen mich gezücket?! War das Blut in meinen Adern Etwa kühl wie ſonſt am Tage? Hat der Wein nicht meine Sinne So erhitzt, daß jeglich Denken, Ueberlegen mir geſtört war? Und — zum Teufel — war nicht Alles, Was ich that, nur eitel Nothwehr? Wenn ich mir mein Leben wahre Und den Feind zu Boden ſtrecke, Bin ich dann ein Mörder, Wunfried?“ „Vor dem weltlichen Gerichte Nicht! — denn dieſe Gründe, Junker, Dienen wohl, Euch zu entſchuld'gen, Aber doch nicht zu entlaſten. Und Gerechtigkeit auf Erden, Die ein Menſchengeiſt erklügelt, Kränkelt auch an Menſchenſchwäche Und ſieht nur mit ird'ſchem Auge Und mißt nur mit eignem Maaße, Das ſie dehnt ganz nach Behagen Und verkürzt in eitel Willkür! Ich hingegen, als der Kirche Diener und als Gottes Stimme, Sehe rechts und links nicht, ſehe Einzig Eure nackte Sünde, Kahl und unbemäntelt, ſehe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0027" n="13"/> <lg n="3"> <l>Oder gar mit Ueberlegung,</l><lb/> <l>Wie ein Schandbub', ihn erſchlagen?</l><lb/> <l>Hat er mich nicht wild gereizet,</l><lb/> <l>Mich betrogen! — ſeine Waffe</l><lb/> <l>Drohend gegen mich gezücket?!</l><lb/> <l>War das Blut in meinen Adern</l><lb/> <l>Etwa kühl wie ſonſt am Tage?</l><lb/> <l>Hat der Wein nicht meine Sinne</l><lb/> <l>So erhitzt, daß jeglich Denken,</l><lb/> <l>Ueberlegen mir geſtört war?</l><lb/> <l>Und — zum Teufel — war nicht Alles,</l><lb/> <l>Was ich that, nur eitel Nothwehr?</l><lb/> <l>Wenn ich mir mein Leben wahre</l><lb/> <l>Und den Feind zu Boden ſtrecke,</l><lb/> <l>Bin ich dann ein <hi rendition="#g">Mörder</hi>, Wunfried?“</l><lb/> <l>„Vor dem weltlichen Gerichte</l><lb/> <l>Nicht! — denn dieſe Gründe, Junker,</l><lb/> <l>Dienen wohl, Euch zu entſchuld'gen,</l><lb/> <l>Aber doch nicht zu entlaſten.</l><lb/> <l>Und Gerechtigkeit auf Erden,</l><lb/> <l>Die ein Menſchengeiſt erklügelt,</l><lb/> <l>Kränkelt auch an Menſchenſchwäche</l><lb/> <l>Und ſieht nur mit ird'ſchem Auge</l><lb/> <l>Und mißt nur mit eignem Maaße,</l><lb/> <l>Das ſie dehnt ganz nach Behagen</l><lb/> <l>Und verkürzt in eitel Willkür!</l><lb/> <l>Ich hingegen, als der Kirche</l><lb/> <l>Diener und als Gottes Stimme,</l><lb/> <l>Sehe rechts und links nicht, ſehe</l><lb/> <l>Einzig Eure nackte Sünde,</l><lb/> <l>Kahl und unbemäntelt, ſehe</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [13/0027]
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Wie ein Schandbub', ihn erſchlagen?
Hat er mich nicht wild gereizet,
Mich betrogen! — ſeine Waffe
Drohend gegen mich gezücket?!
War das Blut in meinen Adern
Etwa kühl wie ſonſt am Tage?
Hat der Wein nicht meine Sinne
So erhitzt, daß jeglich Denken,
Ueberlegen mir geſtört war?
Und — zum Teufel — war nicht Alles,
Was ich that, nur eitel Nothwehr?
Wenn ich mir mein Leben wahre
Und den Feind zu Boden ſtrecke,
Bin ich dann ein Mörder, Wunfried?“
„Vor dem weltlichen Gerichte
Nicht! — denn dieſe Gründe, Junker,
Dienen wohl, Euch zu entſchuld'gen,
Aber doch nicht zu entlaſten.
Und Gerechtigkeit auf Erden,
Die ein Menſchengeiſt erklügelt,
Kränkelt auch an Menſchenſchwäche
Und ſieht nur mit ird'ſchem Auge
Und mißt nur mit eignem Maaße,
Das ſie dehnt ganz nach Behagen
Und verkürzt in eitel Willkür!
Ich hingegen, als der Kirche
Diener und als Gottes Stimme,
Sehe rechts und links nicht, ſehe
Einzig Eure nackte Sünde,
Kahl und unbemäntelt, ſehe
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