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Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.

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Aber freilich, Abt Wunfriedus,
Ist sie hoch genug erkaufet,
Und in seltne Gegensätze
Seht Ihr mich anitzt verwickelt:
Wollte keck den Räuber spielen
Und bin selber der Beraubte,
Wollte fangen und besiegen,
Ach, und fühl' in schweren Ketten
Selbst mich elend jetzt gefangen!"
"Wie? ... sprich deutlicher!" rief Wunfried.
"Deutlicher! Wohlan so höret!
In den Netzen, die ich stellte,
Einen list'gen Wolf zu knebeln,
Fing sich plötzlich mir zum Staunen
Klein und grau ein Mäuschen ein,
Das mit nagend scharfen Zähnen,
Eh' ich's dacht', die Fäden durchbiß
Und von dannen floh. Und als ich
Ganz verwirrt dem holden Flüchtling
Nachsah, merkt' ich gar zum Schrecken,
Daß dies diebisch kecke Mäuslein
Noch aufs ärgste mich bestohlen:
Dieses hier, Abt Wunfried, schauet!"
Und der Ritter legte lächelnd
Auf das Herz die Hand und seufzte.
-- "Das ging schnell, bei meiner Seele!
Wart doch sonst so kühl und nüchtern,
Daß Euch nie ein Weib verwirrte --"
-- "Nein, noch nie! denn jener Weiber
Ewig einerlei Gebahren,
Diese schüchtern, sittsam ernsten
4*
Aber freilich, Abt Wunfriedus,
Iſt ſie hoch genug erkaufet,
Und in ſeltne Gegenſätze
Seht Ihr mich anitzt verwickelt:
Wollte keck den Räuber ſpielen
Und bin ſelber der Beraubte,
Wollte fangen und beſiegen,
Ach, und fühl' in ſchweren Ketten
Selbſt mich elend jetzt gefangen!“
„Wie? ... ſprich deutlicher!“ rief Wunfried.
„Deutlicher! Wohlan ſo höret!
In den Netzen, die ich ſtellte,
Einen liſt'gen Wolf zu knebeln,
Fing ſich plötzlich mir zum Staunen
Klein und grau ein Mäuschen ein,
Das mit nagend ſcharfen Zähnen,
Eh' ich's dacht', die Fäden durchbiß
Und von dannen floh. Und als ich
Ganz verwirrt dem holden Flüchtling
Nachſah, merkt' ich gar zum Schrecken,
Daß dies diebiſch kecke Mäuslein
Noch aufs ärgſte mich beſtohlen:
Dieſes hier, Abt Wunfried, ſchauet!“
Und der Ritter legte lächelnd
Auf das Herz die Hand und ſeufzte.
— „Das ging ſchnell, bei meiner Seele!
Wart doch ſonſt ſo kühl und nüchtern,
Daß Euch nie ein Weib verwirrte —“
— „Nein, noch nie! denn jener Weiber
Ewig einerlei Gebahren,
Dieſe ſchüchtern, ſittſam ernſten
4*
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[51/0065] Aber freilich, Abt Wunfriedus, Iſt ſie hoch genug erkaufet, Und in ſeltne Gegenſätze Seht Ihr mich anitzt verwickelt: Wollte keck den Räuber ſpielen Und bin ſelber der Beraubte, Wollte fangen und beſiegen, Ach, und fühl' in ſchweren Ketten Selbſt mich elend jetzt gefangen!“ „Wie? ... ſprich deutlicher!“ rief Wunfried. „Deutlicher! Wohlan ſo höret! In den Netzen, die ich ſtellte, Einen liſt'gen Wolf zu knebeln, Fing ſich plötzlich mir zum Staunen Klein und grau ein Mäuschen ein, Das mit nagend ſcharfen Zähnen, Eh' ich's dacht', die Fäden durchbiß Und von dannen floh. Und als ich Ganz verwirrt dem holden Flüchtling Nachſah, merkt' ich gar zum Schrecken, Daß dies diebiſch kecke Mäuslein Noch aufs ärgſte mich beſtohlen: Dieſes hier, Abt Wunfried, ſchauet!“ Und der Ritter legte lächelnd Auf das Herz die Hand und ſeufzte. — „Das ging ſchnell, bei meiner Seele! Wart doch ſonſt ſo kühl und nüchtern, Daß Euch nie ein Weib verwirrte —“ — „Nein, noch nie! denn jener Weiber Ewig einerlei Gebahren, Dieſe ſchüchtern, ſittſam ernſten 4*

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Zitationshilfe: Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/65>, abgerufen am 17.05.2024.