Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Ewig stummen Edelfräulein,
Eine wie die Andre, Oheim,
Nein, die konnten mich nicht reizen.
Doch das Mäuslein mit den scharfen
Zähnen und der scharfen Zunge,
Die so gröblich mich behandelt,
Wie's ein Raubgesell verdienet,
Aber niemals noch erfahren,
Die ist just nach meinem Sinne;
Und ich schwör's bei meiner Ehre,
Sie wird mein! -- Doch laßt's genug sein,
Wundert Euch nicht meiner Rede,
Wisst, der "tolle" Junker spricht sie.
Hier die andern Brieflein. -- Prüft sie,
Sind aus Meister Gottfrieds Sacke."
Eifrig griff nach ihnen Wunfried,
Neigte sich und las und las sie;
Endlich zuckt er auf vor Schrecken,
Ließ die Pergamente sinken
Und starrt' sprachlos in die Flammen.
"Also war's vergeblich -- -- Alles!"
Murmelt er mit bleichen Wangen.
-- "Was? was ist vergeblich, Oheim?"
"Graf von Eppstein ist der Schlinge,
Ist der Holzenburg entkommen,
Hier dies Brieflein bringt die Kunde
An das Sanct Kartäuser Kloster,
Daß statt über Eisenach er
Hat den Weg nach Cöln genommen."
Und des Abtes Hände knittern
Aufgeregt das Unglücksschreiben,
Ewig ſtummen Edelfräulein,
Eine wie die Andre, Oheim,
Nein, die konnten mich nicht reizen.
Doch das Mäuslein mit den ſcharfen
Zähnen und der ſcharfen Zunge,
Die ſo gröblich mich behandelt,
Wie's ein Raubgeſell verdienet,
Aber niemals noch erfahren,
Die iſt juſt nach meinem Sinne;
Und ich ſchwör's bei meiner Ehre,
Sie wird mein! — Doch laßt's genug ſein,
Wundert Euch nicht meiner Rede,
Wiſſt, der „tolle“ Junker ſpricht ſie.
Hier die andern Brieflein. — Prüft ſie,
Sind aus Meiſter Gottfrieds Sacke.“
Eifrig griff nach ihnen Wunfried,
Neigte ſich und las und las ſie;
Endlich zuckt er auf vor Schrecken,
Ließ die Pergamente ſinken
Und ſtarrt' ſprachlos in die Flammen.
„Alſo war's vergeblich — — Alles!“
Murmelt er mit bleichen Wangen.
— „Was? was iſt vergeblich, Oheim?“
„Graf von Eppſtein iſt der Schlinge,
Iſt der Holzenburg entkommen,
Hier dies Brieflein bringt die Kunde
An das Sanct Kartäuſer Kloſter,
Daß ſtatt über Eiſenach er
Hat den Weg nach Cöln genommen.“
Und des Abtes Hände knittern
Aufgeregt das Unglücksſchreiben,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0066" n="52"/>
          <lg n="3">
            <l>Ewig &#x017F;tummen Edelfräulein,</l><lb/>
            <l>Eine wie die Andre, Oheim,</l><lb/>
            <l>Nein, die konnten mich nicht reizen.</l><lb/>
            <l>Doch das Mäuslein mit den &#x017F;charfen</l><lb/>
            <l>Zähnen und der &#x017F;charfen Zunge,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;o gröblich mich behandelt,</l><lb/>
            <l>Wie's ein Raubge&#x017F;ell verdienet,</l><lb/>
            <l>Aber niemals noch erfahren,</l><lb/>
            <l>Die i&#x017F;t ju&#x017F;t nach meinem Sinne;</l><lb/>
            <l>Und ich &#x017F;chwör's bei meiner Ehre,</l><lb/>
            <l>Sie wird mein! &#x2014; Doch laßt's genug &#x017F;ein,</l><lb/>
            <l>Wundert Euch nicht meiner Rede,</l><lb/>
            <l>Wi&#x017F;&#x017F;t, der &#x201E;tolle&#x201C; Junker &#x017F;pricht &#x017F;ie.</l><lb/>
            <l>Hier die andern Brieflein. &#x2014; Prüft &#x017F;ie,</l><lb/>
            <l>Sind aus Mei&#x017F;ter Gottfrieds Sacke.&#x201C;</l><lb/>
            <l>Eifrig griff nach ihnen Wunfried,</l><lb/>
            <l>Neigte &#x017F;ich und las und las &#x017F;ie;</l><lb/>
            <l>Endlich zuckt er auf vor Schrecken,</l><lb/>
            <l>Ließ die Pergamente &#x017F;inken</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;tarrt' &#x017F;prachlos in die Flammen.</l><lb/>
            <l>&#x201E;Al&#x017F;o war's vergeblich &#x2014; &#x2014; Alles!&#x201C;</l><lb/>
            <l>Murmelt er mit bleichen Wangen.</l><lb/>
            <l>&#x2014; &#x201E;Was? was i&#x017F;t vergeblich, Oheim?&#x201C;</l><lb/>
            <l>&#x201E;Graf von Epp&#x017F;tein i&#x017F;t der Schlinge,</l><lb/>
            <l>I&#x017F;t der Holzenburg entkommen,</l><lb/>
            <l>Hier dies Brieflein bringt die Kunde</l><lb/>
            <l>An das Sanct Kartäu&#x017F;er Klo&#x017F;ter,</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;tatt über Ei&#x017F;enach er</l><lb/>
            <l>Hat den Weg nach Cöln genommen.&#x201C;</l><lb/>
            <l>Und des Abtes Hände knittern</l><lb/>
            <l>Aufgeregt das Unglücks&#x017F;chreiben,</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0066] Ewig ſtummen Edelfräulein, Eine wie die Andre, Oheim, Nein, die konnten mich nicht reizen. Doch das Mäuslein mit den ſcharfen Zähnen und der ſcharfen Zunge, Die ſo gröblich mich behandelt, Wie's ein Raubgeſell verdienet, Aber niemals noch erfahren, Die iſt juſt nach meinem Sinne; Und ich ſchwör's bei meiner Ehre, Sie wird mein! — Doch laßt's genug ſein, Wundert Euch nicht meiner Rede, Wiſſt, der „tolle“ Junker ſpricht ſie. Hier die andern Brieflein. — Prüft ſie, Sind aus Meiſter Gottfrieds Sacke.“ Eifrig griff nach ihnen Wunfried, Neigte ſich und las und las ſie; Endlich zuckt er auf vor Schrecken, Ließ die Pergamente ſinken Und ſtarrt' ſprachlos in die Flammen. „Alſo war's vergeblich — — Alles!“ Murmelt er mit bleichen Wangen. — „Was? was iſt vergeblich, Oheim?“ „Graf von Eppſtein iſt der Schlinge, Iſt der Holzenburg entkommen, Hier dies Brieflein bringt die Kunde An das Sanct Kartäuſer Kloſter, Daß ſtatt über Eiſenach er Hat den Weg nach Cöln genommen.“ Und des Abtes Hände knittern Aufgeregt das Unglücksſchreiben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/66
Zitationshilfe: Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/66>, abgerufen am 21.11.2024.