Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Löst und zerrt noch an dem Netze,
"Reimar ist mein Freund und Lehrer
In dem Harfenspiel, wir sehen
Oft uns hier am Vogelheerde,
Denn mein Mütterlein, Frau Dorta,
Ist des Frauenstifts Sanct Annen
Kräuterfrau, und ich bin täglich
Hier im stillen Wald zu finden,
Um die edlen Wunderpflanzen
Für das Hospital zu sammeln.
So ... nun hebt den Fuß ... behutsam ...
Schreitet rückwärts! ... sachte, -- sachte! ...
Nehmt mir ja das ganze Garn mit! ...
Ei, Glück auf! ... nun fliege Vogel!" --
Und mit klaren Kinderaugen
Blickt sie lustig auf zum Mönche,
Der befreit, mit heißen Wangen,
Nochmals Dankesworte stammelt.
Jetzt zum ersten Male sieht sie
Ihres Schützlings volles Antlitz,
Sieht die bleichen, edlen Züge,
Große, leuchtend blaue Augen,
Deren Blick so ernst und sinnend
Und von Wimpern tief verschleiert,
Daß es scheint, als sei er träumend,
Wie nach Innen zu gerichtet;
Blonde, schwere Lockenringel
Fallen tief auf Stirn und Schläfen.
Seltsam, warum blickt die Kleine
Plötzlich so verwirrt und schweigend?
Warum stocket ihr die Rede,
Löſt und zerrt noch an dem Netze,
„Reimar iſt mein Freund und Lehrer
In dem Harfenſpiel, wir ſehen
Oft uns hier am Vogelheerde,
Denn mein Mütterlein, Frau Dorta,
Iſt des Frauenſtifts Sanct Annen
Kräuterfrau, und ich bin täglich
Hier im ſtillen Wald zu finden,
Um die edlen Wunderpflanzen
Für das Hospital zu ſammeln.
So ... nun hebt den Fuß ... behutſam ...
Schreitet rückwärts! ... ſachte, — ſachte! ...
Nehmt mir ja das ganze Garn mit! ...
Ei, Glück auf! ... nun fliege Vogel!“ —
Und mit klaren Kinderaugen
Blickt ſie luſtig auf zum Mönche,
Der befreit, mit heißen Wangen,
Nochmals Dankesworte ſtammelt.
Jetzt zum erſten Male ſieht ſie
Ihres Schützlings volles Antlitz,
Sieht die bleichen, edlen Züge,
Große, leuchtend blaue Augen,
Deren Blick ſo ernſt und ſinnend
Und von Wimpern tief verſchleiert,
Daß es ſcheint, als ſei er träumend,
Wie nach Innen zu gerichtet;
Blonde, ſchwere Lockenringel
Fallen tief auf Stirn und Schläfen.
Seltſam, warum blickt die Kleine
Plötzlich ſo verwirrt und ſchweigend?
Warum ſtocket ihr die Rede,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0087" n="73"/>
          <lg n="13">
            <l>&#x017F;t und zerrt noch an dem Netze,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Reimar i&#x017F;t mein Freund und Lehrer</l><lb/>
            <l>In dem Harfen&#x017F;piel, wir &#x017F;ehen</l><lb/>
            <l>Oft uns hier am Vogelheerde,</l><lb/>
            <l>Denn mein Mütterlein, Frau Dorta,</l><lb/>
            <l>I&#x017F;t des Frauen&#x017F;tifts Sanct Annen</l><lb/>
            <l>Kräuterfrau, und ich bin täglich</l><lb/>
            <l>Hier im &#x017F;tillen Wald zu finden,</l><lb/>
            <l>Um die edlen Wunderpflanzen</l><lb/>
            <l>Für das Hospital zu &#x017F;ammeln.</l><lb/>
            <l>So ... nun hebt den Fuß ... behut&#x017F;am ...</l><lb/>
            <l>Schreitet rückwärts! ... &#x017F;achte, &#x2014; &#x017F;achte! ...</l><lb/>
            <l>Nehmt mir ja das ganze Garn mit! ...</l><lb/>
            <l>Ei, Glück auf! ... nun fliege Vogel!&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
            <l>Und mit klaren Kinderaugen</l><lb/>
            <l>Blickt &#x017F;ie lu&#x017F;tig auf zum Mönche,</l><lb/>
            <l>Der befreit, mit heißen Wangen,</l><lb/>
            <l>Nochmals Dankesworte &#x017F;tammelt.</l><lb/>
            <l>Jetzt zum er&#x017F;ten Male &#x017F;ieht &#x017F;ie</l><lb/>
            <l>Ihres Schützlings volles Antlitz,</l><lb/>
            <l>Sieht die bleichen, edlen Züge,</l><lb/>
            <l>Große, leuchtend blaue Augen,</l><lb/>
            <l>Deren Blick &#x017F;o ern&#x017F;t und &#x017F;innend</l><lb/>
            <l>Und von Wimpern tief ver&#x017F;chleiert,</l><lb/>
            <l>Daß es &#x017F;cheint, als &#x017F;ei er träumend,</l><lb/>
            <l>Wie nach Innen zu gerichtet;</l><lb/>
            <l>Blonde, &#x017F;chwere Lockenringel</l><lb/>
            <l>Fallen tief auf Stirn und Schläfen.</l><lb/>
            <l>Selt&#x017F;am, warum blickt die Kleine</l><lb/>
            <l>Plötzlich &#x017F;o verwirrt und &#x017F;chweigend?</l><lb/>
            <l>Warum &#x017F;tocket ihr die Rede,</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0087] Löſt und zerrt noch an dem Netze, „Reimar iſt mein Freund und Lehrer In dem Harfenſpiel, wir ſehen Oft uns hier am Vogelheerde, Denn mein Mütterlein, Frau Dorta, Iſt des Frauenſtifts Sanct Annen Kräuterfrau, und ich bin täglich Hier im ſtillen Wald zu finden, Um die edlen Wunderpflanzen Für das Hospital zu ſammeln. So ... nun hebt den Fuß ... behutſam ... Schreitet rückwärts! ... ſachte, — ſachte! ... Nehmt mir ja das ganze Garn mit! ... Ei, Glück auf! ... nun fliege Vogel!“ — Und mit klaren Kinderaugen Blickt ſie luſtig auf zum Mönche, Der befreit, mit heißen Wangen, Nochmals Dankesworte ſtammelt. Jetzt zum erſten Male ſieht ſie Ihres Schützlings volles Antlitz, Sieht die bleichen, edlen Züge, Große, leuchtend blaue Augen, Deren Blick ſo ernſt und ſinnend Und von Wimpern tief verſchleiert, Daß es ſcheint, als ſei er träumend, Wie nach Innen zu gerichtet; Blonde, ſchwere Lockenringel Fallen tief auf Stirn und Schläfen. Seltſam, warum blickt die Kleine Plötzlich ſo verwirrt und ſchweigend? Warum ſtocket ihr die Rede,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/87
Zitationshilfe: Eschstruth, Nataly von: Katz' und Maus. Berlin, 1886, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eschstruth_katz_1886/87>, abgerufen am 18.05.2024.